60 lichen Thurmschmuck und dem kupfernen St. Georg auf der Spitze dargestellt, den es vor ein Paar Jahrzehnten durch die prosaischen Nivellirungsgeliste der Zeit eingebiisst hat. Man ist dem wackern Kiinstler Dank schuldig, dass er, wie das Original des St. Georg fiir die Kunstschulsammlung, so auf diesem Blatte von der urspriinglichen Anordnung wenigstens ein fliichtiges Bild bewahrt hat. Die Gesammtdarstellung giebt einen der malerischsten Prospecte aus der Umschliessung Dan- zigs; die Behandlung des Blaties ist in schéner Fille und zu- gleich Weichheit des Tons durchgefihrt, — Ein zweites, eben- falls vortreffliches Blait enthalt eine Ansicht des Frauen- thores; ein Gebaude von leider schon etwas verflachten mittelalterlichen Formen, und daneben das etwas reichere so- genannte Sonntag’sche Haus, etwa aus dem 17. Jahrhundert, mit buntem Thurm und Erkergiebeln. Das Frauenthor ist ein Wasserthor; die Ansicht ist vom Flusse aus genommen; der _breite Vorgrund des Bildes besteht aus dem Spiegel des Was~- sers und den Schiffen, die dasselbe bedecken und mit ihren Masten, Raaen und Tauen die dahinter liegenden Architekturen kreuzen. Dies Blatt besonders ist von glicklichster malerischer Wirkung; der Kiinstler hat hier tiefe Energie des Tons und spielende Luftwirkung in einer Weise zu verbinden gewusst, die in der That in der Radirung nicht haufig zu finden sein dirfte. — Gleiche Meisterschaft der Behandlung zeigt ein drit~ tes Blatt, welches einige Beischlage darstellt, d.h. jene merkwiirdigen terrassenartigen Vorbauten der Privathduser, die sich in Danzig und auch gelegentlich in andern preussi- schen Stddten aus alterer Zeit erhalten haben, der modernen Niichternheit aber mehr und mehr weichen (wie denn auch der eine der auf diesem Blatt enthaltenen Beischlige nicht mehr vorhanden ist). Die hier dargestelilen riihren, wie fast simmt- liche bemerkenswerthe Privatarchilekturen Danzigs, aus dem 17. Jahrhundert her und sind mit reich dekorirten Briistungen im Geschmacke dieser Zeit versehen. Sie gewahren den Ein- druck eines ungemein behaglichen Comforts, der die Geschifte des hauslichen Daseins, wozu unser Norden sonst nicht allzu- geneigt ist, gern auf die Gasse hinaustragt und nachbarlichen Verkehr im lebendigen Gange erhalt. Wir bedauern im An- blick dieses schénen Blattes auch nur, dass der Kistler dies Element nicht vollsténdig ausgenutzt und seine Darstellung nicht durch eine entsprechende Staffage belebt hat. — Eine Ansicht der St. Marienkirche, mit den Hausern der Gasse, die sich vor dieselbe hinzieht, befriedigt weniger. Alles ist hier auf malerische Haltung berechnet, aber es fehlt hier an den vermiltelnden Luftténen; auch das gothische Giebel- und Zinnenwerk der Kirche, das stofflich das meiste Interesse gewahren wiirde, kommt nicht zu seiner rechten Wirkung. — In dieser stofflichen Beziehung ist das wichtigste Blatt eine innere Ansicht des Artushofes, eines der schénsten Sale spaterer gothischer Zeit. Von vier machtigen schlanken Gra~ nitpfeilern wird das buntgegliederte, sternarlig sich verschlin- gende Fachergewélbe getragen, das diesen Raum _ bedeckt. Die reichste Pracht spaterer Zeit erfiillt die Wande; aus den grossen mythologischen Bildern treten in den Vordergriinden Einzeltheile, z. B. Hirschképfe mit ihren Geweihen, auch ganze Thiere oder Menschengestalten, mit phantastischer kérperlicher Plastik hervor. Fahnen und andrer Schmuck fehlen nicht. Schiffsmodelle sind an Ketten aufgehaingt, die vom Gewidlbe niederlaufen, In der Milte, auf ihrem urspringlichen Platze, steht die kolossale Marmorstalue des Polenkénigs August III. vom J. 1755, die man in neuerer Zeit indess in einen Winkel zu riicken fir gut befunden hat. Alles dies ist auf dem уог- liegenden Blatte in vortrefflicher wohlverstandener Darstellung wieder gegeben; doch erlangt dasselbe leider auch keine volle zwar von der Kénigstochter weicht, den Jingling aber in eine Hohle fiihrt, wo die Lichter des Lebens brennen, dem Hoffenden das eigene Lebenslicht zu erneuen verheisst, es aber tiickisch umstésst und verléschen lisst, worauf der Jiingling entseelt hinsinkt. Dieses Marchen ist so voll tiefen deutschen Sinnes, dass es sich gar mannigfaltig, ja selbst politisch vortrefflich ausdeuten liesse, und die ihm hier zu Theil gewordenen Illu- strationen athmen Geist und Leben, sie beurkunden den kiinst- lerischen Geist dessen, der sie erfand und selbst auf Stein zeichnete. Wiewohl wir nun am allerbesten wissen, von wem diese Zeichnungen, und von wem die Gedichtstrophen herrihren, so wollen wir, da Zeichner, Autor und Verleger sich in Dunkel hiillten, auch keinen derselben offenbaren. WH. Ferner erschien 1845: Kalender fir Zeit und Ewigkeit. Erster Jahrgang 1843. Mixtur gegen Todten- angst, und nebenher fir geistliche und wellliche Herrenleute. Dritte Auflage geschlachter und mit kuriosen altfrankischen Bildnissen (Holzschnitlen) tapezirt, Freiburg im Breisgau, Her~ dersche Verlagsbuchhandlung 1845. Gleich der Titelholzschnitt zeigt bei einem kleinen Trink- gelag den Knochenmann als Mundschenken, dann sehen wir ihn als Nachtwachter, als Handler in einer Bude mit Schadeln, Knochen und Sanduhren, als Kreuztrager vor einer Leiche, als Spielmann auf Knochen geigend in der Schanke, als Kammer- frau und als Kerkermeister, nachstdem wiederholen sich einige dieser in den Text eingedruckten Holzschnilte, tiber deren kiinst- lerischen Werth sich wenig sagen lasst. Es ist also kein eigentlicher Reigen, in unsere Reihe gehért es aber, dieses Bichlein. Sein Text ist frémmelnd, ein wenig im Grobsieb- und Dreschflegelstyl geschrieben, es ist von der Hélle und vom Teufel ziemlich viel die Rede, doch mag der Verfasser wohl sein Publikum besser kennen als wir. Im Herzen Deutschlands und im Thiringerwalde ware mit dergleichen Bichlein nichts auszurichten. . (Fortsetzung folgt.) Radirung. Danzig und seine Bauwerke in matlerischen Origi- nal- Radirungen mit geometrischen Details und Text von Johann Carl Schults, K. Preuss. Professor u. /ИЖтейог der Prov.- Kunst-Schule zu Danzig. Lweite Lieferung. Danzig, im Selbstverlage des Autors. 1848. gr. Fol. Der Herausgeber hat die Freunde seines schonen Unter- nehmens geraume Zeit auf die Fortsetzung warten lassen; wir haben uns indess tiber die lange Frist, die seit dem Erschei- nen der ersten Lieferung verflossen ist, nicht zu beklagen: das Werk fahrt fort, seinem Meister Ehre zu machen, mit der zweiten Lieferung im Ganzen noch mehr als mit der ersten. In No. 104 des Stultgarter Kunstblattes vom J. 1845 hatte ich iiber den Plan des Unternehmens und tiber die damals erschie- nene erste Lieferung berichtet. Ich deutete damals auf den dreifachen Vorzug hin, den sich das Werk —- durch die Dar- stellung bedeutsamer Gegenstinde, durch eine kimstlerisch freie. Behandlung und durch eine von den Kunstliebhabern be- sonders geschatze Technik (die Radirung) — zu eigen mache; wir begegnen denselben Vorziigen auch in der vorliegenden Fortsetzung. Besonders interessant ist unter den neuen Blat- tern zunachst das, welches den mittelalterlichen Stockthurm mit seinem bunten Giebel- und Spitzenwerk und die neben ihm gelegene sogenannte Peinstube darstellt. Beide Bauwerke sind vom Wall aus aufgenommen; man blickt auf die nachst- gelegenen Baulichkeiten der Stadt, namentlich auf das Kunst- schulgebaude, hinab; das letztere ist mit seinem ursprling-