des Scheiterhaufens, falls er beharre, steht leuchtend und herr- lich vor uns und bemachtigt sich unserer Bewunderung. Den Angeklagten, an welchem selbst ein Gerson keine Schuld fand, und dessen sich dieser im Gericht so warm an- genommen, charakterisirt am besten die Verhandlung, die zwi- schen ihm und dem Cardinal von Ostia am Abend nach der Untersuchung stattfand. Huss sollte namlich folgende Wider- rufsformel unterschreiben: ,,Ausser den friheren Einreden, die ich hiermit wiederhole, versichere ich von Neuem, dass ich mich, obgleich mir manches zur Last gelegt wird, woran ich nie gedacht habe, dennoch in Bezug auf alles Vorgebrachte dem Concil unterwerfe, abschwére, zuriicknehme, widerrufe, milde Pénitenz auf mich nehme, Alles zu vollbringen bereit bin, was das h. Concil mir auferlegen will. —- Er entgegnete: er werde es nicht thun, bis er iberfithrt und belehrt sei, denn sonst wiirde er erstens Wahrheilen verdammen, zweitens einen Mein- eid begehen, wenn er abschwére, was er nicht geglaubt habe, endlich seiner Gemeinde ein Aergerniss geben, dass er nicht so viel Kraft wie einst Eleazar in der Verfolgung zeige. Der Cardinal, als Vorsitzender in der Richtercommission, mochte die Verantwortlichkeit fihlen, die das Concil auf sich laden wollte, wenn Huss nicht nachgabe; er liess sich zu folgendem Schrei- ben an den Angeklagten herab: ,Erstens, geliebter Bruder, nehmt keinen Anstand daran, dass Ihr Wahrheiten verdammen sollt; nicht Thr, sondern diejenigen thun es, welche Eure und jetzt auch unsere Obern sind. Widerstrebt nicht der Klugheit; im Concil sind viele gelehrie und gewissenhafte Manner. Mein Sohn, gehorche dem Gesetze Deiner Mutter. Zweitens: Ware es Meineid, er kame nicht tiber Euch, sondern tiber die, welche Ши fordern. Es sind keine Ketzereien an Euch vor- handen, ausser Eurer Halsstarrigkeit. Augustin, Ori- genes u. A. haben geirrt, und sich gern bekehrt, ich selbst nicht anders. Ich schreibe kurz, weil ich einem Wissenden schreibe. Ihr werdet die Wahrheit nicht verlassen, sondern er- greifen, nicht schlechter, sondern besser werden. Eleazar war ein glorreicher Jude, dennoch hat sich Paulus unterworfen, um Besseres zu erlangen. Der Richter Eurer Appellation, Jesus Christus, gebe Euch Apostel, wie solcher schon vorhanden sind. Noch andere Kampfe fir Christi Glauben liegen Dir ob.* Huss widerrief nicht, weder jetzt, noch spater, und starb auf dem Scheiterhaufen am 6. Juli 1415. Das Bild stellt den Moment dar, wo Huss und hinter ihm die Schaar der bunt bewaffneten Rathsknechte der Reichsstadt Constanz in ungeordnetem Zuge aus der Tiefe von Rechts her *) auf dem Abhange einer felsigen Anhéhe angelangt sind, auf deren Riicken auf der linken Seite des Bildes, und etwas weiter hinein, an einem dtirren Baumstamme der Scheiterhaufen er- richtet ist. Huss ist Angesichts der Marterstatte in inbrinsti- gem Gebet auf die Knie gesunken. Das gen Himmel gewandte Antlitz wird von einem aus dem leichten Gewdlk herabfliessen- den milden Scheine verklirt und tragt den Ausdruck seligen Friedens. und unerschiitterlichen Gottvertrauens. Die papierene, mit Teufeln bemalte Ketzermiitze war ihm entfallen; der An- fiihrer der Rathsknechte hat sie aufgehoben und ist im Begriff, dieselbe dem Betenden wieder auf das Haupt zu selzen. Die diesen Akt begleitenden Verwiinschungen sind sehr deutlich auf seinem fanatischen Gesichte zu lesen. Ein andrer, nicht minder roher Gesell ballt seine mit Eisenhandschuh bewaffnete Faust zu einem Stosse — oder doch mindestens zu ciner Dro- hung gegen Huss. In ahnlicher Weise wetteifert der ganze Haufen in der Aeusserung von Spolt und Hass gegen das un- 1) Rechts und Links immer in Beziehung zum Beschauer. ren Planen als das grésste Hinderniss entgegenstehe, dass es daher unerlasslich sei, mit allen Mitteln diese zu untergraben, wenn man zum Ziele gelangen wolle. Nun, was darin geleistet worden, wissen wir zur Geniige. Hierin finden wir denn auch die Erkldrung der in neueren Zeiten so allgemein verbreiteten Opposition gegen das religiose Element, wo es sich in den Kiinsten auch finde. Ausgegangen und genahrt von socialistischen Demagogen, getheilt und ver- breitet von dem halb unzurechnungsfahigen und halb gebildeten grossen Tross, ist dieser Widerwille gegen alle religidsen Dar- stellungen so allgemein geworden, dass der Maler, der sich noch damit befasst, von der vulgéren Kritik schon desshalb pro- scribirt ist. Lessing war der einzige unter den hervorragenden Kinst- lern, der sich der Behandlung eigentlich religidser Vorwiirfe enthielt, der nie sich in die Region der Engel und Heiligen verstieg, sondern stets sich an die Wirklichkeit hielt, — der sogar einige Werke geschaffen hatte, aus denen die blinde Lei- denschaft, die nur zu gern glaubt, was sie wiinscht, Opposition gegen die posilive Religion herauslesen konnte, z. B. ,, die Hus- sitenpredigt“, ,,die Verurtheilung des Huss“ u.a.m. Was Wun~ der also, dass ihm die Ehre widerfuhr, als Vor- und Mitkam- pfer der religidsen wie politischen Wthlerei angesehen und von den Socialisten als Bundesgenosse anerkannt und ausgerufen zu werden! Aber man war in einem groben Irrthume befangen, was denen, die Lessing naher standen, keinen Augenblick zweifel- haft gewesen ist. Lessing’s Kunststreben hat mit dieser Partei nichts gemein, weder Princip noch Ziel. Seine Compositionen kénnen in Bezug auf Confession wohl indifferent, niemals aber irreligids genannt werden. Denn unverkennbar tritt in allen ein tiefes sittliches Gefiih] mit grosser Warme hervor, und nicht selten sogar zu Gunsten des Katholicismus, wie einige seiner trefflichsten Arbeiten beweisen, von denen ich hier nur »Papst Paschalis und Kaiser Heinrich V“, ,Theodosius vor dem h. Ambrosius“, ,die Kreuzfahrer in Jerusalem“ und ,,Ezzelin im Kerker“ erwahne. Als Protestant indess konnle er nicht der s. g. nazarenischen Richtung huldigen, und wenn er sich zum Naturalismus bekennt, so ist das nichts weniger, als Vergétte- rung der Materie und Negirung des Geistes, sondern der Be- weis, dass er die Fligelschlage des Geistes tiberall in der Na- tur wahrzunehmen versteht. Uebrigens hat sich der beriihrte Irrthum in Betreff der prineipiellen Richtung Lessing’s in neuerer Zeit auch noch anderweit aufgeklirt, namlich durch die ent- schiedene und unzweideutige Stellung, die er derjenigen Partei gegeniiber eingenommen hat, die ihn der Welt bei jeder Gele- genheit als einen der Ihren zu zeigen beflissen war. Wollen wir dem Kinstler gereeht sein, so diirfen wir auch sein neuestes, eben vollendetes Werk ,Huss vor dem Scheiler- haufen “ nicht als eine Feindseligkeit gegen die katholisehe Kirche betrachten, sondern als eine von seinem individuellen Stand- punkte aus mit méglichster Unbefangenheit aufgefasste und dar- gestellte geschichtliche Thatsache. Es kommt zunachst gar nieht darauf an, ob gewisse Leh- ren des Huss, die das Concil verdammie, in der That Ketze- rei waren. Aber selbst wenn sie es waren, so muss die Folge davon — die weltliche Vollstreckung des geistlichen Verdam- mungsspruches, welche, nachdem der Kaiser schmdahlich sein Wort gebrochen, an dem zugesagten freien Geleite ein Hinder- niss nicht mehr fand — jedes Menschenherz empéren. Vor dem schwarzen Hintergrunde dieser blutdiirstigen Barbarei verschwin- det unserm Auge -der Ketzer, und nur der todesmuthige Be- kenner der Wahrheit, der seiner Ueberzeugung treu bleibt trotz der in Aussicht gestellten Milde, falls er widerrufc, trotz