Der Meister des Kartenspiels. (bei Bartsch X. S. 8&0.)
	Die Stiche dieses Schilers des Meisters © & 1466 sind
bis jetzt meistens dem Letzteren zugeschrieben worden, ob-
gleich er in einigen wesenilichen-Theilen der Behandlung sehr
verschieden von ihm ist. Zuvérderst hat er seine jugendlichen
und Frauenkdépfe voller und rundlicher gehalten, die Nasen sind
nicht rundlich, herabhangend gehildet, sondern bei einem klei-
nen Bug, unten beinahe gerade abgeschnitten. Sodann ist der
Faltenwurf nicht so verstanden und ausgebildet, hat wenige
eckige Briiche, sondern die Falten wenden sich entweder rund-
lich oder verlaufen sich auf’s Unbestimmte gerade aus. End-
lich sind seine Schraffirumgen durchweg mehr senkrecht oder
folgen dem Zug des Gewandes. Folgendes sind die mir von
diesem Meister bekannten Blatter.

1. Die Anbetung der Kénige. gr. 8. Im Dresdener Cab.

2. Der Calvarienberg. Die beiden Schacher sind sehr ge-
waltsam bewegt. Unten steht in vier Zeilen: O crux gloriosa.
O crux adorata ete. gr. 8. im Dresdener Cabinet.

3. Die Grablegung. Der etwas unbeholfene Stich scheint
ein erster Versuch des Meisters zu sein. B. X. S. 8. N. 14.

4. Die unbefleckte Jungfrau. Ein runder Heiligenschein
umgiebt ihren Kopf, ein Strahlenschein ihre ganze Gestalt. Ne-
ben dem Mond stehen einige Pflanzen. Dieses 8. Blatt befindet
sich im Pariser Cabinet unter denen des Meisters von 1466.

5. St. Georg. Er kniet auf dem Drachen, den er ersticht.
Rechts steht das Pferd nach dem Ungeheuer blickend. 8. Im
Dresdener Cabinet beim Meister von 1466.

6. Das Kartenspiel von 52 Blattern, S. B. X. 8.80. Hiebei
ist zu erwahnen, dass bei den Originalen im Cabinet des Erz-
herzogs Karl in Wien die kleinen Figuren oder Farben einer
jeden Karte auch jedesmal auf eine besondere Platte gestochen
und von dieser abgedruckt sind; bei spaitern Abdriicken oder
Copien hat man dagegen ein anderes Verfahren angewendet,
indem man entweder, wie im Wiener Bibliotheks-Cabinet einen
Theil der kleinen Farbfiguren beim Abdrucken zulegte, um eine
kleinere Zahl, als auf der Platte sich befindet, hervorzubringen ;
oder dass man, wie die im Dresdener Cab., die Farbfiguren
auf einzelne Stickchen Kupfer gestochen und beim Abdrucken
nach Belieben zusammengefiigt hat.

7. Das durch Figuren gebildete Alphabet, bei Bartsch VI.
S. 37 N. 94—109. Es besteht aus 23 Blattern, da das 1 fehlt.
Bartsch schreibt es dem Meister von 1466 zu, kannte es aber
nur zum Theil. Nach sorgfaltiger Prifung fand ich, dass we-
nigstens ein grosser Theil jener Buchstaben von dem Meister
der Karten gestochen worden ist.

Es giebt auch noch einige andere Blatter, z. B. das Schweiss-
tuch von Petrus und Paulus gehalten, mit dem Zeichen © &
und 1467 (S. Bartsch VI. N. 86.), aber in Bezug auf die senk-
rechte Schraffirung ganz in der Art des Meisters der Karten
behandelt, woraus zu schliessen, dass das Blatt nach einer
Zeichnung des Meisters € & von seinem Schiiler ist in Kupfer
gestochen worden.
	Der Meister A.
	Lassen diese Inschriften, und insbesondere die ftir Maria-
Einsieden, schon schliessen, dass unser Meister in Schwaben
oder Bayern gelebt, so scheinen dieses folgende Umstande zur
Gewissheit zu erheben. Namlich erstlich, dass er ein Paar
Schildhalterinnen gestochen, deren eine das bayerische Wappen

halt, die andere das ésterreichische, einen Schild mit Queer-

balken, auf dem ein Helm mit Krone und Pfauenfedern. Er-
steres Blatt besitzt billiger Weise das Miinchener Cabinet, das
andere hefindet sich in dem zu Paris. Zweitens ist es auffal-
lend, dass die meisten seiner Kupferstiche im stidlichen
Deutschland aufgefunden worden sind, so selbst, dass sein so
seltenes Alphabet in einzelnen Blatiern aus jenen Gegenden fiir
Miinchen vollstandig konnte zusammengebracht werden.

Alle die von Bartsch nicht gekannten Blatter unsers Mei-
sters auch nur aufzuzdhlen, wiirde der hier gestattete Raum
nicht zulassen, da ich deren bereits 78 angetroffen habe; ich
schliesse daher mit einer kurzen Charakteristik seiner Werke.
Im Allgemeinen ist in seiner Darstellungsweise der Einfluss der
Eyckischen Schule nicht zu verkennen, jedoch hat er bestimmte
Eigenthimlichkeiten und ist seine Technik von der der Nieder-
lander sehr verschieden. Seine jugendlichen Képfe, von feiner
Bildung, haben stets Nasen von ganz besonderem Schnitt, nam-
lich dass sie fein, rundlich, etwas herabhingend endigen. Die
Schraffirungen in den Fleischtheilen, von feinen, sich wenig
kreuzenden Strichen, ahneln denen, welche wir bei den, wie
wir glauben dltesten, oberderdeutschen Stichen wahrgenommien
haben, bei den Gewandern sind sie meist einfach schrég, wie
bei der Federzeichnung. Viele seiner Blatter sind mit ausge-
zeichneter Zartheit behandelt, andere, und selbst von ihm be~
zeichnete, jedoch so rauh, dass angenommen werden muss, sie
seien nach seinen Angaben von einem seiner Gesellen ausge-
fiihrt. Zu dieser Annahme berechtigt auch die grosse Menge
seiner Stiche und die grosse Zahl seiner Schiiler, welche in
seiner Weise gearbeitet haben. Diese unter sich zu unter-
	scheiden, da sie sich nie eines Zeichens bedient und alle eime
	fast gleiche Verfahrungsart befolgten, ist jetzt eine sehr schwie-
	rige, wenn nicht unmégliche Aufgabe. Jedoch haben zwei der-.
	зе еп so viel Originelles, das sie mit Bestimmtneit erkannt wer-
den kénnen. Es sind namlich folgende:
	Der Meister der Sibylie.
	Ich nenne denselben deshalb so, weil sein bekanntestes
Blatt in Folio die Sibylle Tiburtina darstellt, wie sie dem Kaiser
Augustus die Geburt Christi verkiindet. §S. Bartsch X. S. 37
№. 70. Denselben Gegenstand von der Gegenseite und weit
kleiner scheint er nochmals gestochen zu haben, oder er ist
von einem Andern mit Geschick copirt worden. B. No. 71, —
Ein drittes Blatt stellt die h. Katharina vor, auf einem tber-
wundenen Kénig stehend. Dieses Octavblatt befindet sich unter
denen des Franz von Bocholt in dem Dresdener Cabinet. Noch
sind von unserm Meister die Darstellungen eines Liebhabers,
der ein sich straubendes Madchen umarmt. B. X. 8. 53 No. 29,
und das Schachspiel, B. X. S.55 No. 31. Dieser Schiler des
Meisters von 1466 ahmte dessen Rigenthiimlichkeiten in der
Zeichnung moglichst nach, namentlich и шап bei ihm auch
jene rundlichen, etwas herabhangenden Nasen bei jugendlichen
und weiblichen Képfen. Sonst ist er schwacher in der Zeich-
nung und 6éfters sehr mager. Die Art, die Gewander zu schat-
tiren, ist sehr eigenthimlich und besteht in vielen ganz kleinen,
sich éfters, aber unregelmissig kreuzenden Schraffirungen; in
den Fleischparthien wendete er auch hiufig Punkte an, so dass
diese Theile das Ansehn erhallen, als seien sie mit der Punse
gearbeitet.
	Von den viclen Blattern aus der Schule, oder vielmehr von
einem Nachahmer gestochen, erwihne ich hier noch schliesslich
die des Meisters mit obigem Zeichen, von dem Bartsch VI. 5.53
sechs Nummern auffiihrt. N.1., 3. und 4. sind Copien nach
dem Meister von 1466, die andern ganz in dessen Behandlungs-
weise ausgefiihrt; auch hat er eine Platte desselben, N. 113.,
aufgestochen und sein Zeichen beigefiigt. Es ist wohl ein
Druckerversehen, wenn in dem Werk von Ottley dieser Meister
	mit dem des Monogramms W 4 verwechselt worden Ist.
(Fortsetzung folgt.)