warts sich stitzend, einen Angriff abzuwehren und den neben
ihm hingestreckten Kameraden zu vertheidigen scheint. Eine
abnliche Stellung nimmt neben dem Kampfer der Leopard ein;
er lehrt uns, dass wir hier die Englische Nation reprasentirt
sehen. Im edelsten Style ist in dieser, wie auch in der ersten
Gruppe, die Formbildung; besonders der Kérper des Gefallenen
zeigt hohe, untadelige Schdnheit. Es ist etwas Naturalistisches
in dieser Kunstrichtung, aber jener edle Naturalismus, der aus
den Schépfungen des Griechenthums hervorleuchtet. Ueberhaupt
hat der Kiinstler wohl daran gethan, auch fiir die Bekleidung
anlike Motive zu wahlen. Ware seine Aufgabe gewesen, be-
stimmte geschichtliche Persénlichkeiten darzustellen, so wirden
wir aus dieser verallgemeinernden Behandlungsweise ihm einen
Vorwurf machen missen. Das ware ein Riicklenken zu jener
Manier, welcher unter Anderem mehrere der Statuen des Wil-
helmsplatzes angehéren; von ihnen aus war schon Schadow’s
Ziethen in der Husarenuniform und dem Zopf ein grosser Fort-
schritt. Dass die Kostiime der modernen Zeiten fiir die Skulp-
tur ungemeine Schwierigkeiten darbieten, kann nicht geleugnet
werden. Ja, unsre jelzige Tracht, wenigstens die mannliche,
ist selbst fiir die Malerei durchaus ungiinstig. Malerisch da-
gegen in hohem Grade erscheint jene reiche, prichtige Kleidung
des vorigen Jahrhunderts, wihrend dieselbe wiederum der
Skulptur schwierige Probleme zu lésen giebt. Der Zopf, dem
gqwiss Niemand die Plastik absprechen wird, ist doch fir pla-
stische Darstellungen noch ungeeigneter, als weiland die gewal-
tigen Fliigelpaare, die unvermeidlichen Attribute der Cherubim
und der anderen Engel. Beides sind unnatiirliche Zuthaten, die
die Harmonie und das rhythmische Gleichgewicht des mensch-
lichen K6rpers beeintrachtigen. Gemalt lassen sie sich noch
erlragen; treten sie aber in Bildwerken mit handgrciflichster
Plastik in die Erscheinung, so wirken sie nicht wenig stiérend.
Doch geniale Kiinstler verkriechen sich nicht vor derarligen
Schwierigkeiten hinter die allerdings bequemen, aber trivialen
Allgemeinheiten eines sogenannten idealen Kostiims. In ent-
schlossenem Ringen gehn sie kithn der Wirklichkeit zu Leibe
und zwingen auch die sprédesten Formen zum Tribut fiir die
Kunst. Das zeigt in glinzendster Meisterschaft Rauch an den
meisten Arbeiten fiir das kolossale Standbild Friedrichs des
Grossen. Doch auch dieser nicht durchweg; in jenen Reliefs,
welche Vorgange aus der Jugendgeschichte Friedrichs zum Ge-
genstand haben, wirkt der herbe Kontrast der Wirklichk eit
— in den mit historischer Treue wiedergegebenen Kostiimen
der Menschengestalten — mit der Phantasie — in den alle-
gorischen Gétter- und Genienfiguren — héchst peinlich. Die
Griechen durften ungestraft sich solche Vermischungen erlauben,
weil sie die Gebilde ihrer Gétter sich selber assimilirten. Hier
aber ist der Gegensatz ein zu schroffer, — und zu ciner Trans-
formirung der Gétterwelt in Gestalten der Zopf- und Haarbeu-
telzeit diirfte wohl Niemand rathen. Mogen die Kiinstler also
lieber solch unheilbar klaffenden Dualismus vermeiden! —
Doch zuriick zu Professor Fischer’s Gruppen! Hier, wie
gesagt, galt es nicht, eine historische Persdnlichkeit in ihrem
individuellen Wesen zur Anschauung zu bringen; hier war die
Aufgabe gestelll, ein Bild der Befreiungskriege zu geben, die
Volkerstamme darzustellen, welche an jenen Kampfen thitigen
Antheil genommen. In diesen bestimmten Gritnzen musste sich
der Kistler bewegen; er war also auf die Allegorie ange-
wiesen. Damit war dic streng geschichtliche Behandlungs-—
weise ausgeschlossen. Der Allegoric aber hat sich die Kinsicht
des Bildhauers mit besonnener Massigung bedient. Die gege-
benen Andcutungen reichen tiberall zum Verstindniss hin, ohne
sich irgendwo dem Auge unangenchm aufzudringen. Gab die
Antikisirung dem Ganzen einen Hauch veralleemeinernder Indi-~
	_ Professor Fischer s Gruppen fir den Belle- Alliance-Platz
in Berlin.
	Der aufmerksame Beobachter, der die Sale der ktrzlich
geschlossenen Kunstausstellung durchwanderte, konnte wohl
einen lebendigen Eindruck von dem regen, rihrigen Schaffen
gewinnen, welches in den zahlreichen Ateliers der berliner
Maler Bilder tber Bilder hervorbringt: gering aber, ja fast un-
scheinbar musste ihm die Thatigkeit bediinken, die in den Werk-
stiitten unserer berithmten Bildhauer walte. Vergebens forschte
er nach gefeierten Namen, wie Drake, Kiss u.A.; die Anzcige
einiger kolossalen Arbeiten von Tiek aber liess vermuthen, dass
nichtsdestoweniger die monumentale Thatigkeit draussen eine
lebhafte sci, und wie zum Zeugniss dessen erblickte man drei
Reliefs in Gyps, Bruchstiicke des Piedestals zu dem kolossalen
Reiterstandbilde Friedrichs des Grossen vom unerschépflichen
Nestor Rauch. In der That ist auch das Schaffen auf diesem
Gebiete der bildenden Kunst in doppelter Hinsicht ein kolossales.
Vielen 6ffentlichen Bauwerken und grossen Platzen, obwohl sie
im engeren Sinne architektonisch vollendet waren, mangeltc
noch immer der entsprechende Schmuck von Bildwerken. Die-
sen nun hervorzurufen und aufzustellen herrscht die ‘regste Tha-
tigkeit unter den Bildhauern. Dazu gehdren die vom Professor
Tiek zu erwartenden kolossalen Skulpturen eines Léwen und
eines Panthers, die fiir dic Treppenwangen des Schauspielhauses
bestimmt sind, und die der Katalog der Ausstellung mit auf-
fithrte; dahin die Marmorbildwerke, welche die Pfeiler der
prachtvollen, breiten Schlossbriicke schmticken werden; dahin
ferner die Gruppe, auf welche die eine leere Treppenwange des
Museums, der Kiss’schen Amazone gegentiber, langst schon harrt.
Endlich und vor Allem das grossartige Monument des grossen
Friedrich, das wir im Rauch’schen Atelier seiner Vollendung
rasch entgegenwachsen sehen, und das eine Zierde der Linden,
eine Perle der Stadt werden wird. Nur andeuten wollen wir
noch, dass ja auch die nahere Umgebung der Stadt, der Thier-
garlen, kiizlich erst durch die Skulptur eine seiner schénsten
Auszeichnungen erhalten hat in der Statue Friedrich Wilhelms
des Dritten, dem trefflichen Werke Drake’s.

Diesmal aber berichten wir von einem anderen Denkmale,
welches das Siidende der Stadt, den Belle- Alliance ~ Platz
schmticken und in vier Gruppen die bis jetzt einsame Viktoria~
siule umgeben wird. Zeigt der Wilhelmsplatz uns in seinen
Standbildern die Helden des siebenjahrigen Krieges, so wird
dieser Platz, wie schon sein Name andeutet, uns Darstellungen
aus den Befreiungskriegen der Jahre 1813—15 bringen. Dic
Gruppen waren in den Tagen des 16. bis 19. Juni, in dem Ate-
lier des Herrn Professors Fischer, zu wohlthatigen Zwecken
aufgesiellt. Zwei derselben sind im Modell vollendet.

Die erste stellt zwei Krieger dar, einen béartigen Mann
und neben ihm einen dem Knabenalter kaum entwachsenen
Jingling, der mit gespanntem Bogen dem Aelteren beisteht.
Dieser bezeichnct die Niederlande, wahrend der Knabe-
Jiingling Nassau vorstellt. Als beiden Stimmen gemeinsames
Wappenthier liegt der L6we ihnen zu Fiissen; er scheint chen
sich zum gewalligen Angriffssprunge gegen den gemeinschalt-
lichen Feind anzuschicken. Auf solche Weise ist in dicser
Gruppe sowohl, wie in den folgenden durch einen gliicklichen
Griff das Wappenthier mit hineingezogen in das kriegerische
Thun des Menschen, als treuer Gefahrte der Kampfe und Siege.
Hierdurch tritt die Harmonie der ganzen Gruppe in schénster
Vollendung hervor und die dramatische Bewegung der Darstel-
lung erhalt ein neues, reicheres Moliv.

Die zweite Gruppe zeigt einen jungen Krieger, der, riick-