ist das ,schéne Weitter* nicht fast zu einer geheiligten Grussforme!
geworden, welche die Leute einander fréhlich zurufen? Also
die Stimmung, niaher die Beleuchtung, das ist es! das ist der
wechselnde Ausdruck des schénen Angesichts der Natur, der
seinen Widerhall in der Menschenseele findet. Einige wissen
das wiederzugeben auf der Leinwand und in Farben, und da ist
es denn, als wandelten ‘wir nicht allein, sondern mit uns geht
ein lieber Mensch, der zu sehen versteht, und wahrend du stumm
nach Worten ringst, hat er dir abgeschildert, nicht bloss was
er gesehen, sondern auch wie er gesehen. Aber was thut es
denn, wenn so ein Bild nun zufallig eine Vedute ist? hére ich
fragen. In diesem Falle thut es gar nichts. Wir wollen nur
nicht, dass die Vedute der letzte Zweck bleibe, wenn noch von
einem tiichtigen Kunstwerk die Rede sein soll.

Die Berliner und Disseldorfer Landschafter scheiden sich
bestimmt von ecinander ab durch die Wahl der Stoffe. Wah-
rend wir aus der grossen Anzahl der Ersteren kaum zwei oder
drei ausnehmen kénnen, die ihre Motive im Vaterlande und
nicht jenseits der Berge, und gar iiber dem Meere gesucht
haben, so behandeln die wenigen, aber klangvollen Diisseldorfer
Namen, die sich als Giste einfanden, die heimathliche Natur.
Wenn es ausgemacht ist, dass nicht blos die klimatische Be-
schaffenheit einer Gegend, sondern auch die Naturformen, das
Kleid, in welchem sie erscheint, einen Hinfluss auf die Bewoh-
ner auszuiiben im Stande ist, so muss das in weit héherem
Grade der Fall sein, wo, wie bei den Malern, so zu sagen eine
geistige, innere Bezichung zur Natur eintritt, wo ein scharferes
Auge fiir den Charakter einer Gegend vorhanden ist. Das
bringt fir die Diisseldorfer die Erscheinung zu Wege, dass
sie meist ernste, ja tribe und melancholische Landschaften
malen. Die Farbe tritt nicht mil besonderer Gluth und Pracht
hervor. In den Dammerungsmomenten daher, in den Momenten
der Bewegung am Himmel, bei heranzichendem Gewitter etc.,
da ist es, wo diese Gegenden Ausdruck, Stimmung bekommen.
Die atmospharischen Vorgange und Erscheinungen helfen vor-
ziiglich diesen Charakter bestimmen, und wer wiisste nicht,
dass gerade diese den Eindruck auf die Stimmung der Men-
schen hervorbringen. — In Berlin dagegen, wo ringsumher gar
keine oder, wie die Berliner sagen, nichts als Gegend ist, tref-
fen wir die Eklektiker, die Eroberer des ganzen Erdbodens
an, die Herumstreifer. Die Schweiz besteigen sie, Italien durch-
wandern, Griechenland durchschwaérmen sie, versenken sich in
die fabelhaften Gebilde maurischer und tirkischer Bauwerke,
durchpilgern den Wistensand Afrika’s und hausen in den schwer-
gebahnten Fusspfaden der Urwilder von Amerika. Was bleibt
noch tibrig? Ich glaube, nadchstens wird Einer Grénland und
Spitzbergen bereisen.

Gleichsam als ob die Mannigfaltigkeit in den Formen schon
erschopft, als ob alle Gegenden wirklich schon auf die Leine-
wand gebracht und jede Stimmung schon durchlaufen sei, Mor-
gen, Mittag, Abend, gewdhnlicher Sonnenschein und Regen
und Sturm u.s.w., so brachte Eduard Hildebrandt mit
siidlichen und transatlantischen Gegenden, auch ungewéhnliche
Affekte zum Vorschein. Als ob er die Natur im Rausche ge-
sehen und ihre launenhaften Einfille aufgezeichnet hatte. Im
Wein, sagt man, soll Wahrheit sein; ist sie hier, oder nicht?
Wir haben manchen Wissenden die Moglichkeit solcher Sonnen-
unlerginge, wie der auf Madeira, bezeugen héren; wir unserer
Seits mussten uns zu den Glaubigen stellen, weil wir weder
Madeira noch die Canarischen Inseln geschen haben. Wir sind
bald heimisch in Gegenden, die wir zwar nicht kennen, von denen
aber von Jugend auf Beschreibung und Abbildungen die Haupt-
ziige zu unserm geistigen Eigenthum gemacht haben, wenn aber
diese Gegenden nicht einmal die Normalphysiognomie zeigen,
	Kunstfacher (selbst nicht mit Ausschluss der bisher meist tiberall
in Fallen der Art unberticksichtigt gebliebenen Poesie), auf
die griindliche Einrichtung der ktinstlerischen Hochschulen (fiir
bildende Kunst, Musik, Theater), auf die Férderung der jungen
Kistler, auf die Bediirfnisse der werkthatigen Kunst, die Mu-
seen, die monumentalen Angelegenheiten und die der Conser-
vation der Denkmiéler, sowie auf die Ordnung der Theater-
Angelegenheiten vom kimstlerischen Standpunkte aus soll in
den Entwiirfen die den Verhaltnissen entsprechende Riicksicht
genommen sein. Hoffen wir, dass der hochherzige Sinn der
Nation es, zur Verwirklichung solcher Plane, zugleich nicht
an der Bewilligung der dazu néthigen laufenden Geldmittel
	fehlen Jasse. (Fortsetzung folgt.)
	Die diesjahrige Berliner Kunstaussteilung.
	(Fortsetzung. )
	Nachgerade ist wohl kein Fleck der Erde mehr, aul den
nicht irgend ein Maler in effigie seinen Namen gesetzt hatte, so
dass wenn diese Namen in die wirklichen Vordergrinde hin-
eingeschrieben waren, die Welt aussehen wirde wie ein Re-
gister beriihmter und unbertihmter Landschaftsmaler. Wenn die
Erde plétzlich ihren jiingsten Tag erlebte und es wiirden nur
alle Landschaftsbilder gerettet, ich glaube unser Herrgott konnte
sie nach diesen Mustern genau so wie sie gewesen, wieder-
herstellen. Und aus den Doubletten kénnt’ er noch ein Paar
neue Planeten machen. Ueberall Kiinstlervedetten, welche Ve-
duten malen. Immer noch geben die Schweizeralpen, immer
noch giebt die glihende Italia, so abgesucht beide sein mégen,
neuen Stoff und unermiidliche Wiederholung des alten. Aber
auch des Orients und der transatlantischen Natur hat sich die
lyrische Malerei als Stoff bemachtigt, indem sie ihre Jiinger
dorthin entsendete, gewissenhafter als die lyrische Poesie, wel-
cher Freiligrath von der Heimath aus den Orient und den Ur-
wald Amerika’s zutrug. Was den Besitz hetrifft, geht es mit
den Landschaften wie mit den Portraits. Zu den lieben und
geliebten Gesichtern hangt man gern noch das Anitlitz berithmter
und bedeutender Menschen. So, wenn man die Gegenden er-
worben hat, wo man selber war, oder wo die Herzverwandten
weilen, dann kommen die beriihmten, sonnengektissten Schnee-
gesichter der Alpen, die tiefblauen, selig briitenden Golfe, die
fabelbafte Lagunenstadt und Anderes an die Reihe. Neue Er-
oberungen werden gemacht und fillen als etwas Merkwiirdiges
und Neues den Markt. Zudem, heutzutage reiset man, man
wandert nicht mehr. Man eilt von hier tiber da nach dort,
sieht im Voriibergehn dies, berthrt das und kann doch zum
so und so vielten schon wieder zu Hause sein. Da ist denn
natiirlich keine Zeit dazu, dass sich die Stimmungen des Wal-
des und der Flur der Seele mittheile und eindriicke, keine Zeit,
dass das stille Schauspiel wechselnder Beleuchtung, der Morgen-
und Abendgruss der Sonne tiber derselben Landschaft sich vor
dem Auge abspiele. Man reiset um das Merkwiirdige, Unge-
wohnliche zu sehen, man wandert aber, um das ewig Schéne
zu geniessen; denn wo ware die Natur nicht schén? Wo ware
der, welcher sie nicht aus voller Seele liebte? wo ist Einer
den Wald und Feld, den die Berge und die Fluren nicht tré-
steten wenn er betribt ist, nicht stille machten, wenn er voll
Leidenschaft ist, nicht aufhében, wenn er gedriickt und nicht
reinigten, wenn er befleckt ist. Sie ist so rein und hold, diese
schéne Stumme, dass der Menschenwitz all’ seine Kraft auf-
gewendet hat, um ihr eine Sprache zu leihen.

Beweiset nicht die oft bespottete Wetterconversation, wie eng
der Mensch mit den Stimmungen der Natur verwachsen ist? Und