Lukas Kranach eigen war. Mit ausgezeichneter Sorgfalt ist be-
sonders das Antlitz und der Bart Gott-Vaters, mit Vorliebe und
Zartheit sind die Frauengesichter, minder gut die Manner be-
handelt. Im Gesicht des Sterbenden bemerkt man die Strenge
der Umrisse, welche zu des Kiinstlers Maéngeln gehérte. Die
aufschwebende Seele ist sehr materiell dargestellt, doch dies
kann minder geladelt werden, weil sic nicht atherischer als die
himmlischen Gestalten erscheinen durfte. Der Maler hat ihr
mit Recht einen Jinglingskérper unter Beibehaltung des indi~
viduellen Charakters verlichen. Ein neuerer Kiinstler wiirde
vielleicht die Himmelsscene im verklaérenden Dufte, ein grie~
chischer lauter Idealgestalien gemacht, ein alter Philosoph den
Gedanken darzustellen versucht haben, dass das Erdenleben
nur ein Traum der himmelentsprossenen Seele, und ein neuerer,
dass materielle und geistige Welt identisch, jene nur Maass
	und Grenze dieser, nichts Selbstandiges sei. Bei Lukas Кга-.
	nach hingegen darf man ftir das gleichartig realistische Geprige
des Ganzen keinen andern Erklarungsgrund suchen, als dass
ihm die treue Darstellung des Wirklichen zur Gewohnheit ge-
worden war.

Kranach war nicht sehr stark in der Darstellung des Nack-
ten; es felite ihm wahrscheinlich an bessern Vorbildern. Gleich-
wohl ist die verkérperte Seele recht gut gezeichnet und schat-
tirt, wenn man zumal beriicksichtigt, dass hier keine ideale,
sondern die individuelle Gestalt eines Bejahrtern gegeben wer-
den sollte. In der Gruppirung besteht zwar noch eine alther-
kémmliche Symmetrie, doch ist die Anordnung schon ziemlich
“gzwanglos. Ungeachtet die Scene manniffaltigen Anlass bot zur
lebhaft bewegten Darstellung, so gewahrt man in Allem die
Massigung, zu welcher Lukas Kranach geneigt war, und sehr
schon ist von ihm die Himmelsruhe geschildert, welche den
Gegensatz zu den Aengsten und Leidenschaften des Erdenle-
bens bildet. Im Ausdruck gemiithvoller Frémmigkeit, in der
individuellen Lebenswahrheit und in der saubern ausserordent-
lich fleissigen Ausfiihrung aller Einzelnheiten zeigt sich, wic
schon angedeulet, vorzugsweise das Talent des Meisters. Die
Gewinder sind einfach behandelt und sanft gebrochen, doch
haben die fliegenden Schleppen einiger Engel etwas Manicrirtes,
Licht und Schatten sind blos nach Falten und Rundungen ver-
theilt, ohne dass der Lichteffekt aus dem Ganzen berechnet ist.
Neben dem zarten Gew6élk, welches den Hintergrund der Him-
melsscene bildet, ist die mangelhafte Behandlung des Erdbo-
dens auffallend, auf welchem unpassender Weise Steine liegen,
da doch der Fussboden eines Gemaches darzustellen war. Die
Farbung ist kraftig, frisch und nattirlich in den Képfen und
Fleischtheilen, bunt und lebendig in den Bekleidungen und En-
gelsfliigeln, duftig in den Wolken, aber misslungen in mehreren
Nebengegenstanden, wie in dem Kopfkissen des Sterbenden und
dem Fussboden. Die Farben sind meistens nur durch die ge-
wohnliche Abwechselung von blau, roth, braun, gelb und griin
vertheilt, ohne Ueberginge und Zwischentinten, jedoch macht
	(аз Ganze einen heitern und angenehmen Eindruck. Па$ бе-.
	milde ist, wie die erwahnte Jahrzahl nachweist, zu einer Zeit
gefertigt, wo Lukas Kranach bereits grissere Werke hervorge-
bracht und (im 46sten Lebensjahre) das héchste Stadium seiner
Kunstleistung ziemlich erreicht hatte.

Quandt spricht sich tber den kiinstlerischen Werth dieses
Gemaldes dahin aus: .Die Farben sind von der lebhaftesten
Frische , das Colorit ist warm, natirlich und zart; jedes Lob
dieses Bildes gleitet doch nur an der Oberflache hin, ohne des-
sen Verdienste alle zu ergriinden, und eben so unerschdpflich
ist dies Gemalde an héchst humoristischen Beziehungen.* Was
die Bedeutung des Bildes betrifft, so sieht er in dem Sterben-
den einen reichen Stinder, welchem im Leben Alles zu Gebote
	stand, tnd der es nun versucht, ob auch der Trost der Kirche
ihm zu Befehl stehe; die fromme Gattin kniee betend am Lager
und scheine mit vielem Anstand betribt, indess die vorsichtigen
Verwandten die Geldkasten ausriumen und die Theilung vor
dem Testamente abschliessen. — Ferner erwahnt Quandt ), dass
dies Bild vormals in einem Kasten verwahrt gewesen sei, auf
dessen Deckel eine Kreuzigung (nicht von Kranach) abgebildet war.
Goethe *) beschreibt nur in der Kiirze den Gegenstand und
fiigt hinzu: Dieses Bild diente zur Zierde des Grabmals eines
Herrn Schmidtburg. Nicht zu beschreiben ist die Zartheit, wo-
mit es ausgefihrt ist, Vorziiglich haben die Képfe eine mu-
sterhafte Vollendung; auch findet sich hier selten etwas Ver-
schobenes, das in Kranach’s Képfen so oft vorkommt.*
		“Heitume.
	Perltn, im Juli. Im Adolf Menzel’s Werkstalt sahen
wir cine Aquarell-Composition als Einfassung zu einer Ghick-
wunsch- Adresse, welche der Magistrat und die Stadtverordneten
von Berlin dem Prinzen Wilhelm, dem Sohn des Prinzen von
Preussen, zu seiner Miindigkeitserklarung nachtraglich tber-
reichen wollen. Aus den pflanzenartigen Gebilden scheiden sich
oben drei Felder ab, welche von einander durch die vier Sta-
tuen der hauptsichlichen Monarchen aus der Preussischen Ge-
schichte getrennt erscheinen. Im Hauptfelde der Mitte ist der Prinz
dargestellt, wie ihm die Sporen angeschnallt werden, der Mantel
umgehingt und das Schwerdt dargereicht wird, wahrend er vou
den bisherigen Genossen Abschied nimmt. Mit diesen vereint
dem Unterricht hingegeben, erblickt man ihn auf dem ersten
Felde, wahrend das dritte eine symbolische Andeutung auf zu
hoffende kiinflige Thaten des jungen Ritlers enthilt. Die Fluss-
gétter der vier Hauplstréme Preussens, der Weichsel, Oder,
Elbe und des Rheins, in breitem Blatterwuchs, silbernen Netzen
und dergl. ruhend und von Wappenfiguren und Thieren und
mancherlei Attributen umgeben, schliessen die eben genannten
Darstellungen nach unten hin ab, wahrend zu beiden Seiten sich
die saftig feuchten Stengelverzweigungen hinaufranken, aus
welchen schlanke Reiher und Flussgestalten hervorlauschen und
an welche sich das Gewicht buntstreifiger Muschelbildungen
hingt. Von der Krone des Gipfelpunktes schlangelt sich eine
Draperie durch die Bltithenzweige der Arabesken, zwischen
denen zugleich zahlreiche Engelgestalten umherschweben. Die
Richtung des Kiinstlers zur realen Darstellungsweise der Hand-
lung hat dieses Element mehr tiberwiegen lassen, als es ge-
wohnlich bei Schépfungen dieser Art der Fall zu sein pflegt.
Doch wie lassen sich da Gesetze denken? Wir kénnen nur
sagen, dass wir auch auf diesem, ihm sonst nicht eigenthiimli-
chen Gebiete, dem genialen Kiinstlergeiste begegneten.

— Wie wir héren, geht der Maler Karl Steffeck in diesen
Tagen nach Schleswig-Holstein, um im dortigen Feldzuge Ste
und Studien zu neuen Darstellungen zu sammeln.
	Жии ей, пи ЛИ.  Уе4ег ВаёЁ einmal der Tod cinem
Malecr den Pinsel aus der Hand gewunden, der erst die Halfte
der gewoéhnlichen Lebenszeit um wenige Jahre tberschritten
hatte. Wie ein fleissiger Arbeiter ward Karl Rottmann un-
mittelbar nach Voliendung seines letzten Werkes abgerufen, als
ob es keinen Aufschub crleide, dass derjenige in seine héhere
Bestimmung eingefiihrt werde, der seine irdische: die Glanz-
stitten der Erde, den Schauplatz einer versunkenen grossartigen
	1) Zeitung far die eleg. Welt 1815. 27. Jani.
2) Band 39, S. 275 der Ausgabe von 1829,