poldvorstadt hat eine hier ansissige Brtidergemeinde unter Lei-
tung des Baumeisters Suys cine Kirche erbaven lassen. Sie
ist von massiger Grésse im spiteren Renaissancestil ausgefthrt.
Die Vorderseite mit den drei Eingangsthiiren ist mit ionischen,
die Thiirme und eine zwischen ihnen befindliche Bildsaulen-
nische sind mit korinthischen Saulen geschmiickt. Die Thurm-
spitzen haben keinen bestimmten Charakter. Das Ganze, im
Verhaltniss zur Héhe von grosser Breite, macht einen schweren,
massenhaften Eindruck, wozu wohl die einférmige graue Farbe
der sog. Blausteine, aus denen dieser Theil der Kirche gefertigt,
wesentlich beitragen mag. Dagegen finden sich unter den Ein-
zelheiten liéchst anmuthige, zierliche Dinge. So theilen na-
mentlich die korinthischen Séulen durchaus nicht die Schwere
des Ganzen. Mehrere dieser sind mit ciner héchst grazidsen
Verzierung geschmiickt. Es ist dies ein, ungefahr 2 Finftel von
der Héhe angebrachter Gurt mit cinem von 2 Fligeln einge-
fassten Engelsképfchen. Diese Képfchen finden sich auch im
Innern in verschiedenen Veranderungen an den Siulenkapitilen
wieder. Das Innere der Kirche, 3 gleich hohe und gleich breite
Schiffe, von denen das mittlere um die Altartribiine linger als
die andern, ist gleichfalls von grosser Schwere, und nur die
geschmackvollen korinthischen Saulenkapitéle gewahren dem er-
miideten Auge einen willkommnen Ruhepunkt. Auch die in
einem dem Charakter des Ganzen entsprechenden Stile aus
Holz geschnilzten Chorstithle verdienen woh) die Erwahnung.

Doch, was ohne Zweifel dieser Kirche fiir die Nachzeit
einen Namen erhalten wird, ist das wundervolle Altarbild von
Briissels genialem Wiertz. Die Flucht nach Egypten ist der
Gegenstand.

In der Mitte schreitet die Hauptgruppe, Joseph, der Patron
der Kirche, und Maria mit dem Kinde zu seiner Rechten, von
einem Engel geleitet. Von allen Seiten von frohlockenden und
Blumen streuenden Engelchen umschwebt zieht die heilige Fa-
milie vertrauend den ihr vorgeschriebenen Weg. Sehr schén
hat der Maler auf dem Antlitze Joseph’s und Maria’s den Un-
terschied ihrer Empfindungen ausgedrickt, Joseph schaut mit
freudestrahlendem Gesichte dem munteren Spiele der Engel zu,
und in seinen Ztigen lies’t man das Glick, welches er empfin-
det, dem gdlilichen Kinde zum menschlichen Schiitzer erwahlt
zu sein; Maria dagegen, sanft die Wange an dic Stirn des
schlummernden Kindes driickend, sieht nur mit halbem Blicke
auf das wunderbare Geleit; denn der Mutter Liebe zu dem Kinde
tiberwiegt noch den Stolz tiber des Sohnes hohen Beruf. Zu
Haupten der heiligen Familie schweben zwei Engel mit jung-
friulichen Gesichtern. Der cine von ihnen halt in seiner Linken
das flammende Racheschwerdt, wahrend der Andere mit der
einen Hand rtickwarts weis’t, und mit der andern seinen Be-
gleiter zurickhalten will, zur Ziichtigung der Verfolger des
himmlischen Kindes ihn auffordernd. Doch dieser, halb den
Blick nach der gewiesencn Gegend gerichtet, wehrt mit der
Rechten sanft die ihn zuriickhaltende Hand ab, und in seinen
Ziigen liest man: ,Nur vorwarts! noch hat der Rache Stunde
nicht geschlagen.* Dies die Hauptgestalten des Gemildes. Doch
betrachtel man nun auch die vielen mannigfaligen Engelgrup-
pen naher, so scliiesst sich einem noch ein ungriindlicher Schalz
warmen und liefen Gefiihles auf Dort stiirmt cin derber Knabe
in scliger Lust dem himmlischen Kinde voraus, und eincm sei-
ner kleinen Gefaéhrten um den Hals fallend, reisst er ihn fort
in seiner freudigen Hast. Doch dieser will nicht weichen und
seinem sliirmischen Begleiter aus allen Krafien sein Kleines
Handchen in dic Seite slammend, scheint er ihm zuaurufen:
»Nur sachte! sacht! beschau doch auch noch ein wenig das
gottliche Kind!* Andere machen sich hinter der heiligen Fa-
milie mit dem Esel zu schaffen, der gar verdutzt zum Gc-
	wihlten Gemaldesammlung des Herrn Geh. Raths Dr. Harnier
zu erfreuen. Unter den Meisterwerken, welche in ihr verei-
nigt sind, befindet sich ein Rubens, den Meister selbst mit
seinem zu ihm aufblickenden Sohne darstellend, welches Ge-
malde als die Perle jener Sammlung betrachtet werden kann.
Es wird demnach nicht Wenigen willkommen sein zu verneh-
men, dass der erprobte Kistler Herr C. Koch diese Darstel-
lung von Rubens durch eine vorziigliche Lithographie in Gross-
Folio zu vervielfiltigen im Begriff ist, welches schéne Blatt
	seiner Vollendung nahe ist.
	Gotha, im Juli. Der Stich der fo Blatter von Hermann
zur deutschen Geschichte (im Verlage von Justus Perthes in
Gotha) wird nunmehr beginnen. Simmlliche Zeichnungen sind
verschicdenen Kupferstechern tibergeben, die unter der Leitung
von L. Thater und Merz in etwa drei Jahren das Werk voll-
	enden werden.
	W. Amfterdam, im Juli. In der neuen Moses~ und Аагоп’5-
Kirche, einem fritheren Franciscanerkloster, befindet sich ein
yortreffliches Gemalde von A. Caracci, eine Vision des heil.
Franciscus vorstellend. Das tiberaus herrliche und vollendete
Gemalde dient als Altarbild fiir cinen der Seitenaltére; jetzt hat
der Maler van Beveren fiir den andern Seitenaltar ein Ge-
genstiick gemallt, welches den Tod des heil. Antonius von Padua
zum Gegenstande hat. Der Heilige liegt auf einem Ruhebett
und wird von einem alten Ménche unterstitzt, wihrend ein an-
derer Ménch mit einer brennenden Wachskerze niederkniet und
ihm ein Krucifix vorhalt. Der Sterbende wendet aber, die Arme
ausbreitend, sein bleiches Gesicht einer Maria mit dem Kinde
zu, die in einer Glorie herniederschwebt, und scheint zu spre-
chen: ,Jch bin bereit, in Deine Hinde emplehle ich meinen
Geist!“

Der Maler vy. Beveren, ein geborner Belgier und gegen-
wartig in Rotterdam wohnhaft, geniesst hier in Holland eines
grossen Rufes, obgleich die Stoffe, welche er behandelt —
gewohnlich Darstellungen des Glaubens und der Ascese — nicht
eben allgemeinen Anklang finden. Er unterscheidet sich darin
sehr von den itibrigen hollandischen Historien- und Genremalern,
welche gewohnlich ihre Vorwiirfe der fiir ihre Nation glorrei-
chen Periode des 17. Jahrhunderts entlehnen, tibertrifft aber
fast alle in schéner Zeichnung und Frische des Kolorits. Er
ist unvergleichlich im Portrait und seine Cabinelstiickc, meist
Einzelfiguren — ich erinnere nur an den ,Trappisten* des frii-
heren Cabinets Roothaan und ,die Nonne in Betrachtung* des
Herrn Ancher — wetteifern an Vollendung und Tiefe mit den
besten Meistern der alten Schule. — Die Gesellschaft zur Be-
férderung der Baukunst (Maatschappy tot Bevordering der
Bouwkunst) hat im Juni hier in Amsterdam ihre achte allge-
meine Versammlung gehalien. Am 1. Januar 1849 betrug die
Anzahl der Mitglieder 628; am 1. Januar 1850 658, und seit-
her haben sich noch wieder 58 neue Mitglieder angemeldet. —
Auf dic 1848 ausgeschriebenen Preisfragen sind eingekommen:
Auf 1. ,Ein Theater“ (die grosse Preisfrage auch fiirs Aus-
land zur Milbewerbung) 8 Entwiirfe. Aul 2. ,Eine Barriere®,
5 Entwtirfe und auf 3. Ein Giebel eines Manufakturenladens*‘,
4 Entwiirfe. — Angehend dic Hauplpreisfrage Ein Theater“
hat man keinen Entwurf der vollen Bekrénung wiirdig crachtet,
jedoch aweien eine Pramie von 300 Fl. zuerkannt. Von den
„Вагмегеп“ ist gleichfalls keine bekront und nur dem Herrn
J. H. Lebiman zu Amsterdam ist fir scinen Manufakturen-
laden der dritte Preis zuerkannt.
	t Griuffel, im August. In der ganz neuerstandenen Leo-