25° demie wenig gekiimmert. — Unter diesen Umstinden war es natiirlich, dass die Denkschrift die Akademie in ihrer Stellung als Kunstbehorde und Kunstgesellschaft fallen liess und auf jene Vorschlige keine Ricksicht nahm, welche bei den Versamm- lungen der Kistler in den Jahren 1848 und 49 zum Behufe der Reorganisation der Akademie daselbst gemacht wurden. Dass fiir den Abgang einer stabilen Behérde fiir Kunst die Zu- sammenseitzung einer Commission von Kimstlern von Ruf und Verdienst nothwendig wird, hat die Denkschrift anerkannt. Die Erfahrung muss es lehren, ob cine solche schwankende Com- mission, von dem Minister gewahlt, von ihm abhangig, Kraft zum selbstindigen Auftreten genug haben wird, das in manchen Fallen um so néthiger sein diirfte, wo die moralische Verant- wortlichkeit von dem Minister auf die Commission tibergeht. “ Diesen schon vor einiger Zeit gegebenen Bericht erganzen wir durch folgende neueste Nachricht itber den Stand der An- gelegenheit: ,Die Reform der Akademie der bildenden Kinste scheint einen Schritt weiter zu gehen. Minister Thun beruft seinen Bruder Franz, dessen Wirksamkeit in Prag vor- zugsweise und mit Glick der Kunst zugewendet war, zu einer hoheren Stellung nach Wien. In seine Hinde wird die Reform der Akademie gelegt werden. Wer die Zustinde unserer Aka- demie kennt, der wird das, man méchie sagen, herkulische Unternehmen einer Reform zu wiirdigen wissen. Die Reform der Akademien ist eine Lebensfrage fir die Kunst, ein ern- ster Wille und ruhiger Verstand gehéren dazu, diese Aufgabe zu lésen, ohne ihr Object zu zerstéren. Der neue Kunstver- ein wird wohl seinerseits dazu beitragen, in den Kreisen aus- serhalb der Akademie jene Hemmnisse zu beseitigen, die von dort her der Reform entgegenstehen. Dass der Kunstverein bis jetzt noch nicht ins Leben getreten, ist niemand anders zuzuschreiben, als dem schleppenden Geschaftsgange der Be- hirden. Eine so einfache Geschichte musste durch das Feuer dreier Ministerien; das Handelsministerium, das der Finanzen und das des Unterrichis wurden darum gefragt, und nun prift man hodheren Ortes die Statuten., “ Abermals Todtentanze und was daran hingt. Hofrath Bechstein, der unermiidliche (hat er doch jtingst erst den Leihbibliotheken Aussicht auf vier Theile einer го- mantischen Geschichte der Burschenschaft eréffnet), riickte be- reits in Nr. 8. 9. 10 dieses neuen Kunstblattes mit Beurtheilung einer ganzen Legion von Todtentinzen und Todtentanzschriften ilterer und neuester Fabrik ins Lager. Dennoch ist seiner fleis- sigen Umschau iiber Alles, was, wie gesagt, seit-einer Reihe von Jahren Neueres und Aelteres in der Todtentanzliteratur erschienen war, Einiges entgangen, was grade als nahe im Zu- sammenhange mit mehreren der von ihm aufgeftihrten und he- sprochenen Erscheinungen auf diesem sonderbaren Kunstgebiete stehend nicht ganz unbeachtet hatte bleiben sollen. So hatte 2. В. der Unterzeichnete erwartet, dass neben und nach den so viel Glick gemacht habenden Holzschnitten von Rethel nicht minder auch die ,Bilder des Todes oder Todtentanz fir alle Stinde,“ erfunden und gezeichnet von C. Merkel, in Holz geschnitten von J. G. Flegel, herausgegeben von Wilh. En- gelmann und Rudolph Weigel in Leipzig 1850 br. u. gr. 8. besprochen werden wiirden und stand von der Nachholung die- ser Pflicht wie yon mancherlei anderartigen Nachtragen zu Bechsteins Zusammenstellung bisher nur durch die natiirliche Scheu vor dem Todtengeruche ab, der allen, vom Alterthume deshalb mit Recht vermiedenen, Darstellungen des Todtengerippes immer beiwohnt und аеп КапзШерепдеп [езеги, тейг noch Leserinnen eines Kunstblattes nicht gerade toilettengerecht erscheinen diirfte. Indess christliche Kunstbeurtheilung ist schon etwas tapfrer und scheut von Zeit zu Zeit die Anschauung auch des alten Reigenfiihrers nicht. ,,Ernste Zeiten (beginnt Bech- stein seine Todtenschau ) rufen ernste Gebilde der Kunst hervor.* Fehlt unsrer Zeit etwa der Ernst oder der Offentliche Jammer ? Oder, fragen wir weiter, hatte unsere Zeit nicht sittlichen Bo- den und kiinstlerische Befihigung genug, um auch auf diesem eigenthiimlichen Darstellungsgebiete mehr selbstschdpferisch her- vorbringend, als (wie es den Anschein hat) blos nachahmend, wiederbringend aufzutreten? oder ist nicht grade Holbeins, auch in neuesten Nachbildungen wegen seiner kiinstlerischen wie ethischen Unibertroffenheit vorzugsweise immer wieder her- vortretender Todtentanz in seiner Umwandlung des alttiber- lieferten Todes-Ernstes in den feinsten und tiefsten Lebenshu- mor der schlagendste Beweis, dass schon zu seiner Zeit in Betreff des urspriinglichen einférmigstrengen Grundtones in diesen Gffentlichen Wandgemalden eine andere Zeit geworden war? Wie viel mehr jetzt! Aber auch blos kiinstlerisch aufgefasst, erkennt man nicht in den vorher genannten Todten- tanzblattern von Merkel, auf die wir zurickkommen werden, offenbar die Verlegenheit des Kiinstlers, wie weit er den Rumpf des Gerippes anatomisch entfleischt oder holbeinisch fleischbe- kleidet darstellen solle? In dem bei Schott zu Strassburg 1540 von ,Magister Hans von Gersdorff genant Spilhans, burger vnd wundartzet zu Strassburg“ herausgegebenen ,¥Feldtbuch der wundartzney* (2te Aufl.) ist abgebildet ,,Hin contrafaiter - Todt mit seinen beynen fugen vnd glidern vnd gewer- ben, auss befelch loblicher gedachtnus hertzog Albrechts Bi- schoff zu Sfrassburg durch maister Niclaus Bildhawer zu Zabern warlich in stein abgehowen, vnnd nach anzeig echter Ana- tomey mit sein latinischen namen verificiert.“ Das ist fast gleichzeitig mit Holbeins Todtentanze, und bei den Erneuerun- gen des Grossbasler Todtentanzes im selben Jahrhundert trat in die alternsten Gebilde des Todes von Kleinbasel immer mehr die Kunst der , Anatomey“ oder die Anatomie der Kunst ein. Haben wir, in dem eben Gesagten, unserer Zeit oder, was eins ist, der Zeit seit Holbein die Todtentanznatur gewisser- maassen abgesprochen, so scheint das Fortdauern und Fort- seizen Offentlicher Todtentanzgemalde bis tief ins vorige Jahr- hundert (Liibeck, Erfurt, Constanz, Kuckucksbad, Luzern etc.), so seheinen die neuesten von Bechstein aufgefihrien Darstel- lungen im Leipziger Bildermann* 1841 (nach B. freilich ,,ziem- lich am ungehérigen Orte“), im ,,Gevatier Tod, ein Marlein“ 1844, im ,,Kalender fir Zeit und Ewigkeit“ 1845 (zu Freiburg im Breisgau), namentlich aber der schon genannte, auf dem Wihlfelde des Jahres 1848 aufgefiihrte ,,Todtentanz“ von Al- fred Rethel, mit erklarendem Texte von R. Reineck, so wie dessen rothgefarbte Nachahmung in dem Miinchener Todtentanze unsere Behauptungen Liigen zu strafen. Der Rethelsche Todten- tanz hat bekanntlich einen wahrhaft holbeinischen Absatz erlebt und ist in seiner Folioausgabe selbst in die Hiilten der Land- leute gedrungen. Hier hat zweifelsohne dic Bewegung der Zeit, die entschieden ausgesprochene Gesinnung, die in Bild und Reimspruch sich kundgiebt, ihren Einfluss geiibt; aber gewiss irren wir nicht, wenn wir auch der gesunden Vereinigung von jener Gesinnung mit der gelungenen Kunstleistung, die man dem Kiinstler und dem Holzschnitte zugestehen muss, wesentlichen Theil am Erfolge zuschreiben. — L. Bechstein hat seine Todtentanzschau in bunter Reihe vorgenommen oder vielmehr er hat neucre Leislung (oder Nach- ahmung) mit Besprechung geschichtlicher Forschungen tiber l- tere Erscheinungen durchwebt. So bespricht er unter I. das noch erhaltene Wandgemilde eines Todtentanzes zu Chaise-Dieu