alte Rheinische Schule — ein Zeichen, wie sehr diese ein na- turwiichsiges Kind des Landes war, da hier, nur unter dem- selben Himmel, sonst unabhingig von jener Schule etwas den Werken derselben ganz Aehnliches vor Augen liegt. Dennoch kommen auch Zartheiten in unserm Bilde vor, wie sie sich nur in den Italiinischen Schulen wieder finden — ein Zeichen wohl der unmittelbaren und sich iberall gleichen Gdttlichkeit des Genies. — Freilich, wie es sich aus den Umstinden schlie- sen lasst, enthalt die Ausfiihrung auch Mangel; aber unrichtig gezeichnet ist cigentlich nur der zuletzt besprochene Engel im Vordergrunde, wo der Raum den jungen Kiinstler in die Enge gebracht hat. Uebrigens, auch abgesehen von den sonstigen begleitenden (Лаз тает, die das Bild interessant machen, ware es zu wun- schen, dass einmal ein tichtiger Zeichner in jene Gegend ge- langte und demselben durch Copirung eine langere Dauer und weitere Verbreitung verschaffte, sowohl weil das Original in Gefahr steht, der Ungunst der Witterung und der Robheit der Unwissenheit endlich zu unterliegen, als auch weil wohl kaum an irgend einem andern Werke der Kunst das Talent so in sei- ner Unmittelbarkeit und Selbsteigenheit angeschaut wird. A. von Eye. ПА чиюбет < еп. ‘gebracht, Der Schulmeister erzahlte auch, wie einst der Junge Kistler von alten Feilen, abgebrochenen Messern u. dgl. sich selbst die Werkzeuge gefertigt habe, womit er dieses Bild aus- arbeitete; wie er, da er frither nur in Holz schnitzte, sich un- endlich gliicklich geschitzt habe, als er in den Besitz dieses Steines gekommen; wie er denselben tiberall unter den Armen mit sich getragen, ja mit ins Bett genommen und, wie er das Bild grésstentheils ,hinter den Kihen“, d.h. wahrend er die Каме hiitete, ausgemeisselt habe. Man hatte damals tber ihn gelacht, ja bedenkliche Gesichter gemacht, bis endlich der Geistliche sich ins Mittel legte. Die Mitte des Bildes enthalt die Mutter Maria, auf ihrem Schoosse den vom Kreuze abgenommenen Christus; hinter die- sen stehen, in zwei Gruppen vertheilt und die Seiten fallend, sechs Engel, die Symbole tragen und durch schmerzliche Ge- berden der Theilnahme mit der mittleren Gruppe in Verbindung treten. Rechis im Vordergrunde kniet ein siebenter Engel, der mit dusserst zarter Bewegung den einen herabhéngenden Arm des todten Christus halb zu seinem Herzen hinanzieht. Sonst nehmen den Vordergrund Becken und Tuch, Dornenkrone, Schwamm u. dgl. ein; tiber dem Ganzen schwebt mit abwech- selnd geraden und geschwungenen Strahlen eine Sonnenglorie. Maria ist sitzend dargestellt, mit weitem, faltigem Gewande, das schmerzvoll geneigte Haupt mit einem langen Schleier tiber- deckt; die Figur Christi, die halb auf dem Schoosse, halb im Arme der Mutter ruht, ist, ein leichter Schurz ausgenommen, nackt und trégt oanz das Geprage eines Todten; nur der rechte, leider verstimmelte Arm hat, wie es scheint, eine Bewegung gemacht, als wolle er sich an das Herz der theuren Mutter anschmiegen. Als das Merkwiirdigste der ganzen Arbeit aber erscheinen unstreitig die Engel, gefliigelte weibliche Wesen, im reichsten Lockenschmucke prangend, die iippig volle, fast брег menschliches Mass hinausgehende und doch innerhalb der schénsten Form sich haltende Fille weiblicher Reife mit einem einfachen Faltenwurfe bedeckt. Ohne Riickhalt, ja bis eben an die Granze des Naiven gehend, tberlasst der vordere Engel, an der rechten Seite des Bildes, sich seinem Schmerze; die Hande legt er — so echt natiirlich, weiblich und darum -so schin! — auf die vom Gewande keusch verhillten Briiste, und giesst, in etwas geneigter Stellung, die ganze Fluth seiner Glie- der dem Haupte Christi entgegen, in dessen Leidensziigen er eine unversiegliche Quelle des ihn selbst durchdringenden Ge- fiihles findet. In ernsterer, mehr matronenhafter Stellung steht der vordere Engel der linken Seite, der mit der erhobenen Linken — an den rechten Arm lehnt das Symbol des Kreuzes~ stammes — der Maria Trost zuzuwinken scheint. Echt jung~ frdulich sind zu jeder Seite die beiden folgenden Engel gehal- ten, davon der eine mit gekreuzten Armen, der andere mit zu- sammengelegten Hinden zum Himmel blickt und durch dessen Glanz den irdischen Schmerz verkléren und zur Siegesfreude umstimmen lasst. Diese Verklirung hat vollkommen ihren Sitz genommen auf dem Antlitze der beiden letzten Engel, die — nur noch im leisesten Basrelief sichtbar — die vollzogene Ver- mahlung zwischen Erde und Himmel, die im ganzen darge- stellten Ereignisse verborgen liegt, vortrefflich ausdricken. Diese beiden letzten Engel stehen in besonders schénem Ge- gensalze ZU dem siebenten im Vordergrunde rechts, der, in fast ganz abgerundeter Figur vorhanden, knieend, die Brust vor, das Haupt zurtickgencigt, voll Liebe zugleich und Schmerz sich dem todten Heilande zuwendet, dessen zu ihm herabge- sunkenes Haupt das seinige gleich sehr anzuzichen und in ehr- furchisvoller Ferne zu halten scheint. Im Ganzen erinnert das Bild seinem Charakter und seiner vollen, fast derben Zeichnung nach, wie schon gesagt, an die Zeichnungen von Asmus Jacob Carstens in der Gross- hersoglichen Kunstsammlung xu Weimar, in Umrissen gestochen und herausgegeben von W. Miller, mit Er- lituterungen von Chr. Schuchardt, Weimar, bei dem Herausgeber. Leipzig, bei Rud. Weigel. 1. Heft. Fol. Wir kénnen den Unternehmern dieses Werkes nur Glick zu ihrem Gedanken wiinschen. Carstens gehdrt nicht zu den Kiinstlern, denen mit einer Reihe von Umrissen nach ihren Schépfungen nur ein zweifelhafter Dienst geleistet wird. Seine Umrisse sind seine Bilder. In einer Zeit lebend, wo man nur zwischen der marklosen Coquetterie der Franzosen, die aber freilich noch im Besitz der Technik waren, und zwischen der neuerweckten Nachfolgerschaft der Antike schwanken. konnte, der es bei allem Ernst des Strebens noch an der Kraft gebrach, ihren Idealismus vollendet kiinstlerisch durchzubilden, schloss sich Carstens dieser letzteren Richtung -in verhaltnissmassig spatem Lebensalter an und sollte ihr nur zu kurze Jahre seine Kraft widmen. Und doch hat er in dieser kurzen Zeit so be~ deutend gewirkt, dass der Einfluss seiner Thatigkeit bis in die neueste Zeit noch nicht erloschen ist. Die Einleitung des Herrn Schuchardt nennt Wachter, Koch, Schick, Genelli und Thorwaldsen als die Manner, die von ihm ihre Richtung er- hielten. Wir glauben nicht zu viel zu sagen, wenn wir Cor- nelius hinzufiigen, den Jiingsten und Gewaltigsten in dieser Schule der , Zeichner“. Und so ist Carstens fiir die deutsche Kunst das geworden, was Adam fiir die franzésische ist, nur dass sein Geist, in seiner edeln Einfachheit der Antike ver- wandter, ihn und seine Nachfolger vor dem hohlen Pathos und der malerischen Phrasenmacherei bewahrle,. in die Adam’s Schiiler nur zu bald verfielen. Die vier Blatter dieses ersten Heftes, die nach den Wei-~ mar’schen Originalzeichnungen mit dem Storchschnabel verklei- nert und vor dem Stich von Professor G. Jager im Umriss vollendet worden sind, werden von Herrn Schuchardt mit kur- zen Notizen begleitet. Das erste Blatt „ die Lapithen oder das Gastmahl“, nach ciner Stelle des Lucian, ist eine geistvolle Skizze, leider in sehr kleinen Dimensionen. — Von dem zweiten Blatt .die Abgeordneten des griechischen Heeres im Zelte des