Rroofilolatt. Organ der deutschen Kunstvereine. A4eitung fiir bildende Kunst und Baukunst, Unter Mitwirkung vom uglier in Berlin — Passavant in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegmann in Diisseldorf — Schnaase in Berlin — Schulz in Dresden — Férster in Miinchen — Eiitelberger v. Edelberg in Wien redigirt von Dr. Г. Hegers in Berlin. Montag, den 2. September. Fin Gang durch das neue Museum zu Berlin. Von Vineenz. Die Zahl von Fremden und Stadtkindern, die in den Mit- tagsstunden das neue, von Stiiler erbaute Museum durchwan- deln, wachs’t wie die Vollendung des Gebaudes. Verschiedene Cicerones, jeder an “der Spitze einer staunenden Schaar, be- leben die noch ungefillten Raume, und nicht selten hért man zwei dieser Rhapsoden ihr einténiges Lied hart neben einander absingen. Das Kunstblatt, das bei so manchen Ausstellungen den ge- neigten Lesern Cicerone-Dienste that, und dem seine Rhapsodien um so mehr ,vom Herzen“ kamen, weil es sie nicht wie jene seine Collegen ,,par coeur“ -wusste — das Kunstblatt bittet seine Leser, ihm auch einmal durch das neue Museum zu fol- gen. Hine lebhafte Phantaste, die sich diesen Zug recht ple-. stich vorstellt, moge micht den Meister Albrecht Diirer, den Protector in der Vignette, sich an der Spitze des Zuges den- ken. Der alte Heros ware zwar als Cicerone trefflich geschickt, tberall den Kopf zu schiittela, wo das Gebaude von deutscher Art und Kunst“ abwiche. Aber wir glauben, er wiirde sich in die viel verwickelten Absichten des Baumeisters so wenig zu finden wissen, dass er von einem Cicerone Alles cher hatte, als die Beredtsamkeit. Lasse man also die Gestalt des Fithrers nebelhaft. Seine Stimme wird hoffentlich verstandlich sein. Wir gehn durch allerlei Ruinenwerk der friihern Gesund- heitsgeschirr -Niederlage, die, nebst einem Privathause, noch immer verwehrt, die Fagade des Gebaudes frei zu tiberschauen. Hine kleine Pforte neben dem kiinftigen Haupteingang fiihrt in den Saal, der fiir die vaterlindischen Alterthiimer bestimmt ist. Auch hier noch Chaos, obwohl der Raum selbst und die Saulen darin vollendet sind. Schéne Marmorsaulen! Sie werden die grauen, ehrwiirdigen Reste aus den Himengrabern noch un- scheinbarer machen. Aber wir eilen durch, wir haben einen weiten Weg vor uns. Gegentiber auf dem andern Fltigel sind die Raume fiir die agyptischen Allerthiimer. Eine Thir rechts neben der Haupt- treppe fiihrt uns durch eine schmale Kammer, in der eine alte schwerfallige Sdule ausser Dienst steht, in einen seltsamen Hofraum. Sehen Sie um sich! Wir sind im Hof cines agyp- tischen Tempels. So sah es aus zur Zeit der Pharaonen, das Modell ist colossal. Ist es auch sch6n? — Ich sehe viel 1§-~ chelnde Gesichter auf diese Frage stumm antworten. Das La-~ cheln wird vergehn, Sie werden sich hineingewohnen, diese Backsteinsdulen, die man mit grossen Kosten schwerfillig hin- gepflanzt und im Costiim ihrer echten Vorfahren bemalt hat, diese Widder, der eine erginzt, der andere als Pendant neu- gefertigt, diese colossalen Gétzen mit der grossartigen Bruta- litat ihrer Gesichter, ebenfalls nur zur Halfte echt — das Alles wird Ihnen vertrauter werden. Aber Sie sehen in die Hohe, wo die Ringmauern des Hofes in griechischen Formen mit Schinkel’schen Fenstern fortgesetzt sind, Sie sehen die Thiiren an und priifen, ob der Sturz kirzer ist als die Unterschwelle, Sie betrachten die schénen Landschaften an den Wanden, Tem- pel-Interieurs, machtige Pylonen vor den weiten Palasten und riesenhafte Bildsiulen, und vergleichen damit das dirftige Mo- dell, und es will Ihnen trotz allem nicht so recht agyptisch zu Muth werden. O kommen Sie weiter! Wir treten in den eigent- lichen Tempel, wir stehen vor dem géttlichen Ungethiim in der Nische. Ich sage Ihnen im Vertrauen ins Ohr, nur der Kopf ist echt. Dafiir ist auch nur Kopf und ein Stiick Brust be- leuchtet. Aber Sie lacheln noch immer? Sie fragen, was mit all diesen Ergaénzungen fiir die Kunst gewonnen sei, da fiir die Wissenschaft nichts daraus zu lernen, was nicht mit geringerem Aufwand jede Bibliothek lehre? Sie finden, dass die Wissenschaft sogar Schaden leide, wenn man ungetreue Modelle giebt? Sie nehmen es den beiden Bildern am Eingang des Tempels tibel, dass sie vor Saulen sitzen, da in agypti- scher Kunst niemals Menschenbilder vor Saulen, sondern immer nur vor die viereckigen Pfeilermassen gesetzt worden seien, und was Ihrer gelehrten Bemerkungen mehr sind? Ich bitte Sie, setzen Sie ihren Cicerone nicht in Verlegenheit, der Bau- meister muss daftir einstehn, car tel était son bon plaisir. Nun in die beiden Sale, die neben dem Tempel- und Hof- raum liegen. Bemerken Sie im Voriibergehn die prachtigen Thiren, bis auf die reizenden Thirklinken von der trefflichsten Arbeit, wie durchgehends im ganzen Gebaude. Wir gehn zu- naichst durch die Thiir links von dem Gétzen. In einem viel- winkligen Raum vor dem langen Saal finden wir Fragmente agyptischer Graber, statilich zurechtgeflickt, und dafiir, dass sie so einfach und ungefiige sind, in therfliissig grosser An- zahl. Das eine Grab ist aussen mit kleinen griinen Kacheln bekleidet, und der amtliche Fihrer, dem ich nur ins Handwerk pfusche, zeigt Ihnen die drei authentischen; ich kann sie mit illen n Dr dem в > u bd sten W nicht herausiinde iben ist die У and