schmiickt, gill nicht von den Frauen allein, sondern mit noch grésserer Bestimmtheit von der Kunst, vor allem aber von jedem Kunstwerk, das an die Antike erinnert, deren Grundgesetz nach Winkelmann ,,edle Einfalt und stille Grosse “ war. (Forts. folgt.) Kunstbemerkungen auf einem Ausfluge in den Canton Tessin und nach Mailand. so abscneulichen Cultusfigur auf Sitlen und Anschauungen einer ganzen Proving berechnen zu kénnen. Einzelne dieser Fresken, die deshalb in die zweite Halfte des XY. Jahrhunderts zu verweisen sein méchten, zeigen einen Anflug realistischen, paduanischen Wesens, ohne deshalb die germanische Haltung des Ganzen zu verlieren. Von einem und demselben, ganz tichtigen Maler findet sich an einem Wirths- hause in Taverne-Sopra eine Madonna, und an einem Land- hause bei Locarno (unweit der Kirche M. delle grazie) eine Madonna mit vier Heiligen, Stifter und Stifterin, im Styl etwa mit Bartol. Vivarini parallel. Im erstern Bilde ist das auf dem Schooss der Mutter erwachende, mit Handen und Fiissen nach ihr zappelnde Kind sehr artig und lebendig. Aeltere Malernamen als Bernardino Luini, «der fir Man- cherlei herhalten muss, sind hier zu Lande nicht ging und gabe. Vielleicht aber liesse sich ein Nachfolger Gioltto’s, we- nigstens in Betreff seiner Herkunft, in diese Gegenden verpflan- zen; ich meine Giov. da Melano, yon welchem jenes ausdrucks- volle Frescobild in Ognissanti zu Florenz herriihrt. Wie viele Melano es in Italien giebt, mag dahingestellt bleiben; einstweilen aber lasst sich in Tessin, zwischen Lugano und Capodilago, eines namhaft machen, welches zudem an alten Kunstwerken eine hitbsche Madonnenstatuette tber dem Eingang der Altern Kirche und ein Frescobild des XIV. Jahrhunderts an einem Hause besitzt — letzteres freilich nicht von Giovanni’s Hand. Die beiden wichtigsten Kirchen des Cantons ftir die Ma- lerei des XIV. und XV. Jahrhunderts sind meines Wissens die schon genannten zu S. Biagio bei Bellinzona und M. delle gra- zie bei Locarno, beide architektonisch ganz unbedeutend und nur durch ihre Vernachlissigung vor dem Umbau gerettet. Thre Malereien sind meist planlos und allmahlig entstanden, je nach- dem die Gemeinde und die Donateren Geld aufwenden konnten um einzelne Theile der Winde oder einzelne Graber und Al- tare zu schmticken. Ап в. Biagio bewundert man zunachst den wohl erhaltenen Urtypus jener vielen St. Christophsbilder, we- niger wegen seines milden, rosenfarbigen Riesenanilitzes und des fiir die Zeit um 1200 ganz gut durchgefiihrten Nackten, als wegen des ringsum gemalten Rahmens. Dieses enthillt nimlich krafliges und schénes Blumwerk, gelb auf rothbrau- nem Grunde, eingefasst von schmalern, als Steinmosaik be- malten Bandern, unterbrochen von einzelnen kleinen Brustbil- dern von Heiligen und Engeln, welche in ihrem lebendigen Ausdruck der Andacht und Hingebung offenbar auf giotteske Schule; etwa in der Art des Spinello, hinweisen und somit nebst einigen geringern Malereien rings um die Thiirlunette (am Steinbalken Maria, Eccehomo und Johannes, oben eine Verktindigung und ein segnender Christus) eine Ausnalime von den tbrigen Malereien dieser Gegend bilden. Das Lunettenbild selbst, sehr verwaschen und durch Glas geschiitzt, kénnte von Werth sein; es enthalt die Madonna zwischen S. Petrus und S§. Blasius. — Im Innern findet sich ausser dem schon erwihnten Barlholomaus eine séugende Madonna (datirt 1377) an einen Pfeiler gemalt, eine friihgermanische 8. Catharina mit S. An- tonius dem Abt an der Frontwand, ein oberdeutscher geringer Schnitzaltar ), und ein Hochaltarbild, welches die Madonna auf Wolken mit S. Blasius und S. Hieronymus darstellt (in der Lu- 1) Geschnitzte Altére scheinen noch im AVI. Jahrhundert aus Deutsch- land nach Oberitalien gegangen zu sein, obschon Italien in dieser Gattung nicht minder Prachtiges leistete, wie ein Altar im Dom zu Como beweis t. Einen Altar im Sty! des Evergisilaltares in S. Peter zu Koln findet man in S. Nazaro zu Mailand. Wenige Gegenden Italiens méchten an den Wanden ihrer Bauernhauser und Dorfkirchen cine solche Menge von Fresken des XIV. und XV. Jahrhunderts aufzuweisen haben, wie der Can- ton Tessin, wo man auf einem Raum von wenigen Quadrat- meilen gegen hundert Gebaude mit Fragmenten dieser Art auf- zAhlen kinnte. Nicht nur dem Umbau, sondern auch der Ueber- malung ist verhaltnissmassig sehr Vieles entgangen. Das Meiste ist bei der Milde des Himmelsstriches (welche das Clima der lombardischen Ebene tbertrifft) leidlich und sogar gut erhalten. Weit entfernt, diese grossentheils unbedeutenden, obwohl nicht gerade ungeschickten Malereien mit Inhalts- und Ortsbestim- mung in die Kunstgeschichte einfiihren zu wollen, glaube ich doch, dass dieselben ein merkwiirdiges Factum beweisen helfen. Die mailandische Malerei von 1300 bis etwa 1450 erscheint namlich hier als fast ginzlich unberihrt vom Einfluss Giotto’s, als eine besondere Aeusserung des idealistischen, germanischen Styles, wobei man stellenweise auf sienische, oberdeutsche u. a. Anklinge zu treffen glanbt. In dem sehr regelmassigen Oval der Kople, in der tiberaus einfachen Gewandung, in der bloss andeutungsweisen Behandlung manches Einzelnen, welche iber die illuminirte Umrisszeichnung nicht weit hinausgeht, lebt hier ein friher, wenig ausgebildeter Typus lange fast unverandert fort; einzelne rituell gewordene Bestandtheile, wie z. B. das starre, teppichartige Gewand des an keiner alten Dorfkirche fehlenden St. Christoph, sind sogar noch byzantinisch, wahrend glicklicher Weise der Madonnentypus zur vollen germanischen Lieblichkeit durchgedrungen ist. Die ganze primitive Einfach- heit dieses Styles zeigt sich selbst noch in einer Madonna mit Donator an der Kirche San Bartolommeo bei Giubiasco, welche nach den Schriftziigen des Spruchbandes kaum lange vor 1500 gemalt sein méchte. Freilich handelt es sich hier um einen zuriickgebliebenen Provincialmaler, der indess doch hinter sei- nen mailandischen Zeitgenossen Foppa, Zenale, Borgognone kaum so weit zuriickstand, als diese hinter den gleichzeitigen Florentinern. Die meisten dieser Malereien stellen die zwischen zwei Heiligen (namentlich St. Rochus und St. Sebastian) thronende Ма- donna vor, auf Teppichgrund oder mit einem Teppichornament eingefasst. Ausserdem prangt, wie gesagt, neben jeder alten Kirchthiir ein riesenhafter St. Christoph, dessen Cultus wie der der beiden eben genannten Heiligen in dieser Gegend, etwa bei Anlass einer Pest, einen ganz besonderen Aufsechwung genom- men haben muss. Im Innern der Kirchen kommen dann aus localen Griinden noch manche andere Heilige hinzu, von wel- chen der geschundenc St. Bartholomaus in S. Biagio bei Bel- linzona (XIV. Jahrh.) cin besonderes Interesse erweckt. Diese fiirchterliche Gestalt, ohne Lippen und Augenlieder, die Hand mit dem idealistisch durchgefiihrten Angesicht iber den Arm gelegt, findet sich in den Kirchen dieser Gegend noch mehr- mals, bis sic mit aller Pritension michelangelesker Darstellung in der allzuberithmten Statue des Marco Agrato im Dom von Ма]апа wiederkehrt. Es ware von Werth, den Einfluss einer