der Kirche versetzt werden — eine Operation, welche Jeder
mit seinen besten Wiinschen begleiten wird, der den ohnedies
bedenklichen Zustand dieser Freske, mit dem Riss durch die
Stirn der Madonna, zu erkennen Gelegenheit hatte. Dagegen
ist zu fiirchten, dass der ganzen Kirche das Licht verbaut wer-
den méchte und dass Luini’s Abendmahl — die edelste freiere
Reproduction des Lionardischen — sammt dem Refectorium,
woselbst es sich befindet, nicht gerade den riicksichtsvollsten

Hainden anheimfalle.
	Bei Anlass von Luini’s grosser Passion, welche die um-
fangreiche Wand tiber dem Choreingang einnimmt, muss ich
eines andern, fast eben so grossen Freskogemialdes erwahnen,
welches in der Minoritenkirche delle grazie bei Bellinzona, un-
weit San Biagio, ganz dieselbe Stelle an der Hinterwand aus-
fillt. Es stellt ‘ebenfalls die Passion vor, aber nicht in Einer .
grossen Composition (wie in Luini’s Werk; wo die Nebensce-
nen vom Einzug in Jerusalem an in den Hintergrund der Kreu-
zigung vertheilt sind), sondern in funfzehn kleinern und einem
orossen mitilern Bilde, der Kreuzigung. Auch sind ausser dem
Leiden Christi noch einzelne friihere Momente, von der Ver-
kiindigung an, beigegeben. Als wohlerhaltenes Werk vom Ende
des XV. Jahrhunderts und als grosse, wie es scheint, sorgfal-
tige Arbeit verdient diese Malerei wenigstens genannt zu wer-
den, obgleich dieselbe in der Anordnung ziemlich ungeschickt
und in Betreff der Ausfihrung wegen Dunkelheit der Kirche
kaum zu untersuchen ist. Zwei grosse Schimmel, deren Képfe
beim Kreuz zusammentreffen, schneiden die Scene gar zu ge-
fiihllos auseinander. —- In einem Kreuzgang nachst der Kirche,
umgeben von dem Lebenslauf des h. Franciscus im Styl unse-
rer Tapetenmalereien, findet sich eine Lunette mit der Madonna
zwischen S. Anton v. Padua und S. Bernardin von Siena, fltichtig
hingemalt im Styl der Mitle des XVI. Jahrhunderts, nicht ohne

Energie und Charakter. (Fortsetzung folgt.)
	Abermals Todtentaénze und was daran hangt.
(Schluss.)
	Solzmann berthrt $. 14. Anmerk. auch die Frage um die
Urzeichnungen zu Holbein’s grésserem Todtentanze, nach
welchem Mechel 1780 gestochen haben will, und welche nach
Petersburg gekommen sein sollen, wo sie doch in keiner kai-
serlichen oder fiirsilichen Sammlung haben wieder zum Vor-
schein kommen wollen. Sie sollen zuerst in Crozat gewesen
und 1711 verkauft worden sein, zuerst an die Firstin Gali-
zin, alsdann an den Kaiser (vgl. Peignot 8. 24 und R. Weigel
in Rumohr’s Holbein §. 98). Unter 19/31. December 1848 aber
meldete die Petersburger Zeitung No. 286. von einer Original-
skizzensammlung zu Moskau, dem Nachlasse des wirklichen
Staatsrathes Firsten Alexius Iwanowitsch Dolgoruki, worunter
auch 36 Blatter Todtentanzskizzen von Holbein sich
befinden, welche friher der First Galizin besessen habe.
Mége diese Mittheilung weitere Nachforschungen
veranlassen! Ich habe in meinen Basler Todtentanzen 5. 17
und sonst angegeben, dass ich vom sel. Stadtrath und Buch-
druckereibesilzer Haas in Basel sAmmtliche Pausen zu jenen
Mechel’schen Kupferstichen des Holbein’schen Todtentan-
zes erhalten hatte und besisse, an denen die Uebertragung auf
das Kupfer durch den ritzenden Griffel durchweg zu crkennen
ist, nicht minder erweiternde oder verkleinernde Abinderungen
des urspriinglich durchgezeichnelen Hohen~ und Breitenmasses,
aus denen hervorgeht, dass Mecheln bei Entwerfung jener Pau-
	  sen ein andres Gréssenmass vorilag, als er im Kupferstiche ап-
	netle eine Auferstehang, die Predella unkenntlich) und ganz
wohl eine mittelgute Arbeit B. Luini’s sein kénnte, dem man
es hier zuschreibt.

Reicher und interessanter sind die Fresken der genannten
Kirche bei Locarno, welche Stylproben des ganzen XIV. und
XV. Jahrhunderts darbieten. Aber auch hier haben nicht blos
mailindische Hinde sich verewigt. An der Fagade wird man
durch eine sog. Messe des heil. Gregor tiberrascht, welche in
der zarten, edeln Innigkeit des Ausdrucks sowohl als in der
Behandlung einem friihen Fra Giovanni da Fiesole ahnlich sieht.
Im Innern ist die viereckige Chorkapelle hinter dem Altar ganz
ausgemalt, zum Theil von geringen und ungeschickten Kinst-
lern; zwei von den vier Gewdlbefeldern aber (Mariae Kronung
und eine Apostelgruppe) sind trotz ihrer Zerstérung von be-
deutenderem Werth; das leiztere erinnert an die Apostelgruppe
Fiesole’s in der Madonnenkapelle des Domes von Orvieto; die
Ausfiihrung ist mailandisch, doch wohl alter als Bramantino
und Borgognone. Ganz in der Art des letztern dagegen ist
eine thronende Madonna mit einem jungen Donator ausgefihrt.
(Mit andern Kirchen dieser Stadt, namentlich mil der etwas
entlegenen, durch ihr uraltes Aussehen vicl versprechenden
Collegiata, mache man sich keine Miihe; sie hat wie die Mino-
ritenkirche —- eine hithbsche Saulenbasilika vom Anfang des
XVI. Jahrhunderts — nicht viel mehr fiir sich, als ihre maleri-
sche Lage. Dagegen enthalt die Madonna del Sasso ther der
Stadt wenigstens ein schénes mailandisches Bild, eine Flucht
nach Aegypten, von einem der besten Schtiler Lionardo’s; es
versteht sich, dass man Luini nennt!).)
	In der Kirche des Seminariums zu Aseona findet sich em
grosses Altarblatt, bezeichnet: 10. ANTONIVS . De LAGATA .
DE. ASCONA. PINSIT. 1519. In sechs Abtheilungen enthalt
dasselbe oben die Krénung Marié und den englischen Gruss,
unten die Madonna als Schiitzerin mit den knieenden Donatoren
und die Heiligen Dominicus und Petrus Martyr. Der sonst mei-
nes Wissens ganz unbekannte Maler zeigt sich hier bei einiger
Unentschiedenheit der Formen doch in den Képfen als anmu-
thiger und liebenswiirdiger Nachfolger oder Mitstrebender B.
Luini’s; namentlich die Donatoren, in der lebensvollen, an Hol-
bein erinnernden Charakterdarstellung des Letztern, sind kést-
lich gelungen. Immer von Neuem Jernt man jenes goldene Zeit-
alter der Kunst beneiden, wo auch das Bedingte und Befangene
bei einigem Ernst des Strebens sich zu dauerndem Werth auf-
schwingen konnte, weil es nicht in der Pratension und dem
falschen Affekt — den Plagen der folgenden Kunstepochen —
zu Grunde ging.
	Das Mimoritenkloster Unsrer Frauen zu den Engeln in Lu-
gano, eine der geweiliten Statten oberitalischer Kunst, ist vor
zwei Jahren aufgehoben worden und wird nun feilgeboten. Ein
Gantaufruf, den 20. Juli d. J. abgehalten, ist, wenn ich recht
gehért habe, ohne Resultat geblieben. Der beliebteste Gedanke
in Lugano selbst wire der Umbau des gerdiumigen Klosters mit
seinem doppelten Kreuzganz zu einem Gasthofe, nur liesse sich
bei der Sparlichkeit des jetzigen Fremdenzuges vor der Hand
nicht viel dabei gewinnen. Die Kirche mit der grossen Passion
und mit dem todten Christus des B. Luini wird allerdings er-
halten bleiben; auch die unvergleichliche Madonna mit den bei-
den Kindern soll aus ihrer Thiirlunette im Kreuzgang nach
	1) Die Nomenclatur der verschiedenen Galerien in Betreff der mailan-
dischen Schule weicht so sehr unter sich ab, dass nur der specielle, ért~
liche Kenner gewisse Bilder mit Bestimmtheit einem Cesare da Sesto, Franc.
Melzi, A Salaino, A. Solario, Giov Pedrini wird zuweisen kénnen.