Mitten, im August. Die Durchbrechung einer Mauer
im siidlichen Fligel des hiesigen alten Hofes (der ehemaligen
Ludwigsburg oder sogenannten alten Veste) zur Erzielung eines
Einganges unmiltelbar vom Corridor aus in das Geschifiszimmer
des k. Oberaufschlagsbeamten Frhrn. v. Stengel fihrte zu einem
interessanten Funde alter Wandmalerei. Es zeigte sich namlich,
dass neben der durchbrochenen ausseren Mauer, unter Belas-
sung eines leeren Zwischenraumes von ungefar 15 Fuss Breile,
eine altere Mauer herlauft, an welcher, von Wappenschilden
und geschichtlichen Reimsprtichen begleitet und auf farbigem,
tapetenartigen Grunde gemalt, die Abbildungen von neun baye-
rischen Regenten, leider nur in sehr fragmentarischem Zustande,
sich vorfinden. Yon den Bildnissen, die in ganzer Figur c. 33
Fuss Hohe dargestellt waren, sind theils nur die untern Kérper-
halfien, theils nur mehr dic Képfe und Kopfbedeckungen (Kro-
nen) erhalten. Die Wappenschilde, deren je zwei einem Bild-
nisse zukamen, sind im Allgemeinen noch ganz erkennbar.
Von den Unterschrifireimen sind fiinf vdllig unversehrt, zwei
nur mehr in einzelnen Worten vorhanden, und zwei, nebst den
dazu gehdrigen Wappen, vollig verschwunden (durch eingesetzte
Schornsteine vermauert). Aus dem Inhalte der noch erhaltenen
Reimspriiche geht hervor: dass der erste derselhen dem angeb-
lichen burgundisch- agilolfing’schen Herzog Otkar (dem Stifter
Tegernsee’s), der zweite dem Herzoge Tassilo IL, die zwei zu-
nachst folgenden den karolingischen Kénigen Ludwig dem From-
men, Karlmann und Arnulf, die vorletzte dem Herzoge Otto lil.
von Niederbayern, Konig von Ungarn, und die letzte Stelle end-
lich einem bayerischen Herzoge eingerdumt gewesen, der zu-
gleich ,, Kaiser“ war. Der Name dieses letzteren ist nicht mehr
erhalten. Der Zeitfolge nach sollte man vermuthen, dass das
Bildniss Ludwig des Bayern, des Wiedererbauers der alten
Hofburg, deren Hintritis-Halle die vorliegenden Gemalde
schmiickten, an der fraglichen Schlussstelle angebracht war.
Allein dem ist nicht so. Es liegen vielmehr Griinde vor, die
uns zu der Annahme ermachtigten, dass trotz des Anachronis-
mus, das Bild Kaiser Otto’s I. an dieser Stelle stand. Die k.
Hof- und Staatsbibliothek dahier besitzt nimlich eine Hand-~
schrift, welche die illuminirten Abbildungen von 70 Mitgliedern
des bayerischen Fiirstenhauses, und unter diesen als No. 15—23
die Copieen der simmtlichen bei obiger Gelegenheit zu Tage
gekommenen Wandgemalde in derselben Darstellung und Auf-
einanderfolge der Bildnisse und mit denselben, nur sprachlich
elwas modificirten Reimspriichen enthalt, und worin auf Herzog
Otto von Niederbayern unmittelbar Kaiser Otto der Grosse folgt.
Die fragliche Handschrift wurde im Jahre {629 durch Hans
Caspar Schrenkh veranstaltet, Гав die Bildnisse bis zu Wil-
helm V. fort, und ist ihrerseits selbst nur eine Copie ,,von ei-
nem rechten alten vnnd wahrhafften originali;* es unterliegt
aber wohl keinem Zweifel, dass die ersle und eigentliche Quelle
dieser Nachbildungen, wie auch die im Jahre 1617 von Johann
Georgi in Kupfer gestochenen ,Icones Imperatorum Вот. Ве-
gum et Ducum quorundam ex antiquissima et illustrissima fa-
milia Boiarica oriundorum. Ad typum antiquae picturae fideliter
expressae“ elc., in jenen Wandgemalden der alten Hofburg zu
suchen ist, wovon uns hier der Zufall ein Bruchstiick vor Au-
gen stellte, und welche zuverlassig cinen in sich abgeschlos-
senen Cyclus bildend, auch die tibrigen Wande der erwéhnten
Eintrittshalle bedeckten. Ohne dem Urtheile von Sachkundigen
iiber den kiinslerischen Werth, so wic uber die Kunstperiode
und Technik, welcher die Gemilde angehéren, vorzugreifen,
bemerken wir hier vorliufig nur, dass die Anfertigung dieser
letzteren nach den Sprachformen der Reimspriche und unter
Erwigung der tiber die Erbauung und Benutzung der , alten
Veste* vorliegenden Nachrichten kaum spater als bis in die
	auf Stein gezeichnet. — ,,Guido Reni? uber den ist ja unsre
Aesthetik langst weg!“ — Vielleicht, um zu ihm, wie zu man-
chem Andern, zuriickzukehren. Er steht freilich etwas mehr
auf der Abend~, als auf der Morgenseite der Kunst. Er ge-
hért nicht mehr zu denen, die da ringen und drangen und mtih-
sam Stein zum Stein schleppen; er ist einer von denen, welche
die Mittel zu ihrer Kunst beisammen haben und tiber sie mit
kdniglicher Sicherheit schalten. Es ist etwas in dieser Sicher-
heit, das uns wohl thut; es erfrischt uns doch, zumal wenn
wir von manchen ohnmachtigen Versuchen miide sind, der Ge-
danke, dass der Mensch zu solcher Herrschaft gelangen mag.
	Lasst uns das Unsre dazu thun!
Die Gestalt des Erlésers, nackt, nur einen leichten Schurz
	um die Lenden, die Hande auf den Riicken gebunden, steht
etwas vorniiber geneigt vor dem Marterpfahl. Es ist eine Auf-
gabe, die tausendfach vorgekommen ist, die befriedigend aber
nur durch die volle kiinstlerische Klassicitit gelést werden kann.
Hat die Form nicht dies gelauterte Ebenmass, diese Wirde und
Zartheit zugleich , dies schwellende, tiberall pulsirende Leben,
was soll dann die Aufgabe? Sie kann eben nur kinstle-
risch, im reinsten Sinne des Wortes, gelist werden. Hier
aber haben wir in der That cin héchst vollendetes Bild kor-
perlicher Natur, schwer gedriickt, und doch nicht erliegend
unter dem geistigen Leiden, das in den edeln Ziigen des Ant-
litzes sich ergreifend ausspricht. Die Schénheit im Dienste des

Schmerzes, — und Beides hier, Schénheit und Schmerz, in
der Fille mannlicher Kraft. Das ist Kunst. Das giebt sich,
sich ganz, — nicht geistreiche (oder geistlose) Nebenbeziige

und Nebenabsichten, rechts und links, unter denen der Kiinstler
gelegentlich wohl das vergisst, wovon er den Namen hat, nem-
lich die Kunst.

Das Original von Guido Reni scheint seiner besten Zeit an-
zugehéren; mit der starken Kraft seiner friiheren Werke ver~-
bindet sich hier schon der anmuthsvolle Fluss und Ton seiner
spateren; es scheint im Uebergange zwischen beiden Richtungen
zu stehen. Die lithographische Ausfithrung ist nur geeignet,
dem Namen Schertle’s neue Ehre zu bringen. Mit der glick-
lichen malerischen Breite des Tons, mit der er schon so manche
treflliche Nachbildung klassischer Malerwerke durchgefihrt hat,
verbindet sich hier eine so zarte wie kérnig markige Vortrag-
	weise.
Die Lithographie ist fast 18 Zoll hoch und tber 10 Zoll
	breit, Das Original hat nach der Unterschrift eine Hone von
7 Fuss bei 4 Fuss 2 Zoll Breite und befindet sich im Besitaz des
Herrn Trackert in Frankfurt a. M. Eine Titel-Unterschrift hat
die Lithographie nicht; der Raum derselben wird durch eine
Widmung des Blattes an §. M. den Konig Friedrich Wilhelm IV.
von Preussen eingenommen. Das Blatt ist Eigenthum und Ver-
	lag des Lithographen (Frankfurt a. M., Seilerstrasse No. 27.).
Е. Kugler.
	Aeckttunsg.
	Gerlin, im August. Der Prof. Begas hat den Aullrag
erhalten, fiir die k. Sammlung von Bildnissen hier lebender, in
Kunst und Wissenschaften hervorragender Manner das Bild des
Nestors in den Naturwissenschaften, des Prof. Link, zu malen.
	Das fir dieselbe Sammlung bestimmte Bild Leopold v. Buch s
	hat der Kiinstler vor Kurzem vollendet. In seinem Atelier sina
gegenwartig zwei Gemalde, das lebensgrosse Bildniss des Gross-
herzogs von Mecklenburg- Schwerin und eine italienische Win-
zerfamilie, zur Ansicht des Publikums ausgestellt, auf die wir
hierdurch aufmerksam machen. (В. М,)