НИ
	Organ
der deutSchen Kunstvereine,
	Zeitung
	fiir Dildende Kunst und Bankunst.
	Unter Mitwirkung yon
	ugier in Berlin — Passavant in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegmann in Disseldorf — Schnaase
in Berlin — Sehulz in Dresden — FGrster in Miinchen — Eitelberger v. Edelbersg, in Wien
	.

ЭТ.
	redigirt von Ог. Е. Hegers in Berlin.
	Montag, den 16. September. 1550.
	nen Rock und violetten Purpurmantel, von einem blauen Nim-
bus umgeben, in der Rechten das Scepter, in der Linken den
Reichsapfel. Ueber und hinter ihm ein rother Traghimmel.
Christus am Kreuz, Bl. 21. b., ist zwar in aufrechter Stellung,
doch schon gestorben aufgefasst. Sein Ausdruck ist edel, treff-
lich aber die Geberde des Schmerzes in dem Johannes, wel-
cher mit der Maria unten zu den Seiten des Kreuzes steht.
Ebenso schén und innig ist der Ausdruck, womit die stehende
Maria, das bekleidete, ihr liebkosende Kind auf ihren Armen
anblickt, auf Bl. 41. b., mir neu aber der heilige Geist hier
offenbar als Vater des Kindes, auf der Spitze einer Blume in
der Rechten der Maria. Besonders merkwiirdig wegen dér fei-
nen und lebendigen Individualisirung und des einfachen und
edlen Motivs ist das Bildniss des Erzbischofs von Prag, Blatt
104. a., welcher knieend die auf einem Altar als drei Brustbil-
der dargestellte Dreieinigkeit verehrt. Gott Vater erscheint in
weissem, aber kurzem Bart, der heilige Geist im Mosaikenty-
pus Christi, Christus endlich unbartig. Unten am Altar ein hal-
bes Pferd in rothem Felde, das Familienwappen der Pardubic,
welchen der Erzbischof angehérte. Die Verzierungen der Ran-
der sind liibsch gemacht, indess nur in dem einfachen Ge-
schmack der Windungen mit Blattchen des 14, Jahrhunderts.
Das zweite auf der Bibliothek der vaterlindischen Samm-
lung hbefindliche Gebelbuch desselben Herrn ist ebenfalls in
klein Folio, tbertrifft aber noch jenes in dem Kunstwerth der
wenigen darin enthaltenen Miniaturen, von denen einige eine
ganze Seite einnehmen. Leider habe ich dieses und das fol-
gende Denkmal nicht mit der Musse untersuchen kénnen, um
eine genauere Beschreibung zu geben. Wohl aber habe ich
	daraus die volle Ueberzeugung gewonnen, dass der Kaiser Carl,
	welcher seinen geliebten Bolmen gern das Hdeiste der Bildung
zufiihren wollte, was die damalige Welt besass, entweder fran-
zésische Miniaturmaler aus Paris, wo er so lange lebte, nach
Prag hat kommen lassen, oder béhmische Miniaturmaler nach
Paris gezogen hat; denn die Uebereinstimmung mit ‘den schén-
sten Denkmalern der franzésisch-niederlandischen Miniaturma-
lerei jener Zeit ist zu gross, als dass es sich anders verhalten
konnte. Dieselbe Schénheit und Art der Harmonie in den Far-
ben, dieselbe zarte Verschmelzung. Durch die Aufschrift auf
dem Spruchzeltel des verkiindigenden Engels ,,hoc Sbinco de
Trotina p.* lernen wir den meisterlichen Urbeber dieser Minia-
turen kennen. Vortrefflich ist besonders die Darstellung im
	Tempel.

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	Nachtrage zur zweiten Ausgabe von Kuglers Handbuch
der Geschichte der Malerei, vornehmlich in Beziehung auf
Deutschland, und ganz besonders auf Béhmen.

Von G. F. Waagen.

(Forts. von No. 20.)
		Zur Malerei in Bohmen, Deutschland, Frankreich
und den Niederlanden von 1350—1450.
	Es gereicht mir zur Freude, den Thatbestand dieser in-
teressanten Epoche, in welcher sich in der Malerei obiger Lan-
der ein Streben nach Schénheit und Stylgemassheit in allen
Stiicken, zumal in den Gewandern mit einem malerischen Ge-
fihl fir Faérbung und Behandlung vereinigte, durch eine Reihe
von Denkmalern bereichern zu kénnen, welche theils die Ver-
breitung desselben fiir Gegenden nachweisen, von denen dieser
bisher nur vorausgesetzt wurde, theils neue Belige fir die
Hohe liefern, welche die Malerei darin erreicht, theils endlich
gewisse feinere ériliche Unterschiede innerhalb derselben wahr-
nehmen lassen. Auch hier treten wieder die Miniaturen in den
Vorgrund; namentlich lernen wir aus ihnen die eigenthiimliche
Bedeutung der bohmischen Malerschule fiir diese Epoche erst
recht kennen, welche durch die beschadigten Malereien im
Karlsstein und die wenigen Tafelgemalde, welche den Slirmen
der Hussitenkriege und des dreissigjahrigen Krieges entgangen,
bisher auf eine héchst ungentigende Weise vertreten worden ist.

Zwei Gebetbicher des im Jahre 1350 gestorbenen Erzbi-
schofs Ernst von Prag beweisen, dass diese Kunstweise in
allen Theilen, selbst mit dem weichen, modellirenden Vortrag
bereits vor jenem Jahr auch in der Miniaturmalerei zur Ausbil-
dung gelangt war. Das eine, in klein Folio in zwei Columnen
mil einer starken Minuskel geschriebene, in der Bibliothek des
Firsten Lobkowilz befindliche Gebetbuch, zeigt in den wenigen
darin vorhandenen Bildern eine grosse Verwandtschaft zu dem
in der Gallerie der Sténde zu Prag vorhandenen Staffeleige-
malde des Theodorich von Prag. Nur sind die Verhaltnisse
linger, die Hinde mager und schwach. Die Initialen mit der
gewohnlichen, quadratischen Einfassung sind von feinem Ge-
schmack in Farben und Verzierungen; so das O des Titels
(Blatt 11.a.). An der Spitze der anderen Columnen der thro-
nende Kaiser Carl IV. mit der Krone auf dem Haupte im grii-