Baustile zu erkliren, und dass auch ein Cursus der Ornamentik mit diesen Erklarungen verbunden werden konne, dafitr wird ja wohl auch Plaiz in diesem Gebaude sein. Zuweilen empért sich ein Rest von Gewissen, von wahr- haftem Kunstgefitthl gegen die Einsicht dieser praktischen Vor- theile. Aber wie hilft man sich? Mit Marmor und Gold, mit Mosaikfussbéden und verschwenderischer Malerei, gerade wie gewisse Opern ihren Mangel an Musik durch die scenische Pracht verstecken wollen. Aber die Sinne sind viel zu ge- scheut, um sich lange hinters Licht fihren zu lassen, viel zu gesund, um nicht die verfiihrerischeste Kost za verschmahen, sobald sie erfahren, dass sie kraftlos und ungesund ist. Und so werden sie durch allen Flitter dieser byzanlinischen Kunst nicht tiber ihre Armuth getéuscht. Zur Kunde der altesten Kupferstecher und ibrer Werke. Von J. D. Passavant. (Fortsetzung aus No. 29.) Italienische Kupferstecher. Florentiner. Die altesten italienischen Kupferstecher treffen wir in Fio- renz, wo, wie schon oben berichtet, durch Maso Finiguerra veranlasst Baccio Baldini (geb. 1436) um 1460 die ersten Metallstiche Behufs der Vervielfaltigung gefertigt hat. Die fri- heste Jahrszahl auf einem solchen Metallstich ist die von 1465, womit ein Kalender mit bildlichen Darstellungen bezeichnet ist und der bis aufs Jahr 1517 die Tage, auf welche Ostern fallen, angiebt. Strutt und Jansen haben in ihren Werken Nachbil- dungen desselhben gegeben, wo dann das Nahere hieriiber ein- zusehen ist. Dieser und ahnliche Stiche diirften ohne Hilfe des Sandro Botticelli (geb. 1447) ausgefiihrt sein, der, wie Vasari berichtet, ihm in seinen Unternehmungen, besonders durch Zeichnungen um so mehr hehilflich war, als er sich sehr schwach in diesem Punkte fiihlte. Es scheint mir aber auch sicher, dass Botticelli sich nicht nur begniigte, dem Baldini Zeichnungen zu liefern, sondern dass er auch selbst bei dem Stich mit Hand anlegte. Dieses wird mir besonders ersichtlich in den drei Blattern fiir den im Jahr 1471 zu Florenz erschie- nenen Monte Santo di Dio, und bei den Originalblattern der Propheten und Sibyllen (Bartsch XIII. No. 1-36. und №. 57 —59.), die in der ganzen Haltung und den meisterlichen Um- rissen die Hand des Botticelli augenfallig erkennen lassen. We- niger auffallend ist dieses in den 20 Vignetten zu der Floren- tiner Ausgabe des Dante von 1481, wozu zwar Botticelli die Zeichnungen gefertigt, aber wohl keinen Antheil an den wenig gefiihlten Umrissen, noch an den unbestimmten Schraffirungen des Stiches genommen hat. Auch einige Blatter aus der Samm~ lung Olto, jetzt im Besitz des General—Consuls Clauss in Leip- zig, lassen deutlich den Sandro Botticelli, wenigstens als Ur- heber erkennen; es sind namentlich die bei Bartsch XUIL 8S. 142 No. 1. 5. 14. und 21. beschriebenen. Ein Blatt aber, welches in jeder Beziehung, sowohl in den energischen Umrissen , als der meisterlich breiten Schraffirung in der Art des Mantegna und der genialen Darstellung des Gegenstandes der Art und Weise des Botticelli véllig entspricht und von ihm eigenhandig durchaus gearbeitel erscheint, ist das 30 hohe Blatt der Him- melfahrt Maria, von Bartsch XIII. S. 36. No. 4. beschrieben. Als eins der Hauptwerke altflorentinischer Kupferstichkunst sind die sieben Planeten mit der bildlichen Darstellung ihrer Finfliisse zu betrachten, welche schon Ottley in seiner Inquiry с. 3171 ff. besprochen und auch von dem Wagen der Luna eine Q7% Тоепзсваае] dem Sterbenden den Hals zudriickt. — Endlich BI. 157.b. die Kroénung der Maria, das grésste, ein Drittel der Seite einnchmende Bild. Das Képfchen der Maria, welche vor dem Christus knieet, ist besonders schén. Die musicirenden Engel zur Linken sind bei dieser Gelegenheit gewéhnlich,. die musicirenden mannlichen und weiblichen Heiligen aber sind wie- der eine lokalbéhmische Vorstellung, welche mit dem seltenen Talent und der grossen Freude dieses Yolkes an der Musik zusammenhanet. (Fortsetzung folgt.) Ein Gang durch das neue Museum zu Berlin. Von Vineenz, (Schluss.) _ Lassen Sie’ uns nur einen flichtigen Blick in die Raume des QObergeschosses thun. Auf dem linken Fliigel die Sale fiir das Kupferstich-Cabinet, das dort etwas weillaufig, aber mit einfacher Eleganz geordnet ist; auf der andern Seite drei Sale und ein kleiner Eckraum fiir die Kunstkammer. Man hat auch hier bunte Farben, vergoldete Saulchen, wilzige Einfalle nicht gespart. Die ehrwirdige authentische Garderobe des alten Fritz nebst seiner Fléte und Perricke wird in einer eig- nen Kammer den Ehrenplatz erhalten, der ihr gebihrt, etwas magisch von oben beleuchtet, wie es sich fir einen heiligen Rock schickt, und durch die Pietét der Nachwelt von dem pro- faneren Trddel abgesondert. In der That, der Rock hat Platz genug, er kénnte hier den Garderoben sémmilicher Helden des siebenjahrigen Krieges ein Fest geben; und gewiss wird von — allen Raritaten, die hier aufgestellt werden sollen, diese Kam- mer die grésste sein. — Beildufig gesagt, wir méchten vor- schlagen, die Saulchen in den Salen nicht zu vergolden, wie man angefangen hat. Man sollte die guten alten Scharteken so bescheiden als méglich einrichten, nicht aber sie durch den Glanz ihrer Wohnung beschamend an ihre Dirftigkeit erin- nern. Und die herrlichen Elfenbeinschnitzereien, die Krone dieser Sammlung, werden an schlichtgefarbten Saulen einen bessern Hintergrund erhalten, als an blitzend vergoldeten. Wir gehn wieder hinunter, die Augen thun uns weh, die Gedanken schwindeln uns, erst im Freien 1lés’t sich wieder die Ueberspannung aller Sinne. Bleiben wir noch ein wenig beisammen, um dic Summe der empfangnen Eindritcke zu ziehn. Die Summe ist Abspannung und wunde Augen und die Ueber- zeugung, dass es eine Anstrengung sei, ein modernes Ge- baude zu betrachten. Gliickliche Zeiten, wo man vor Allem sich hemiihte, einen grossen Gesammteindruck zu geben, die Verhaltnisse der Raume so wohlthuend rythmisch zu gestalten, dass die Sinne darin ausruhen, sich heben und erquicken méch-— ten. Da ist freilich manches ungeschickte Ornament, manche nichterne oder gar geschmacklose Decoration mituntergelaufen. Aber sie werden iibersehen, wenigstens erst spat gesehn, nach- dem das Grosse und Ganze sich die Herzen schon fest genug erobert hat, um nicht mehr verdrangt zu werden. Man erin- nere sich nur an so viele Gebiude der Zopfzeit, die selbst jetzt, wo sie lange aus der Mode sind, dem Beschauer Ehr- furcht abnéthigen. Aber freilich, wir sind viel weiter gekom- men, wir stchen viel mehr auf der Héhe der Kunstgeschichte und kennen den Baustil der entlegensten Volker und Zeiten aus dem Grunde. Warum soll diese Kenntniss ungenutzt lie- gen bleiben? Haben wir nicht auch Treibhauser, wo Pflanzen der verschicdensten Zonen dicht neben einander blihn? Und was verwehrt uns, dergleichen auch in der Kunst zu versu- chen? Nichts kann niitzlicher sein, als den Eleven der Bau- akademie an dem Model eines einzigen Gebaudes mehrere