slandniss und von grdsserer Beslimmtheit der Formen, die
Hinde sind frei bewegt und dfters gut gezeichnet. Die Képtfe
haben meist noch jene ideelle Bildung, sind aber in jenem zarten
Vortrage mehr abgerundet, und dasselbe gilt von den stylge-
massen und weichen Falten. Endlich sind die Farben ungleich
weniger gebrochen und minder hell, als bei der Mehrzahl der
friheren Denkmale, sondern Azur, Purpur, Mennigroth, Griin,
Violett ist hier in ihrer ganzen Kraft und Tiefe gebraucht. Im
Allgemeinen, besonders aber in dem letzten Stick haben diese
Bilder ungleich mehr Verwandtschaft zu den gleichzeitigen Ge-
milden der Nirnbergschen, als der Célnischen Schule. Im Einzel-
nen kann ich nur das Wichtigste bertihren. BI. 11. a. ein sehr
schiénes A in goldnem Felde von quadratischer Form, in des-
sen Fillung der segnende Christus im Mosaikentypus, die Welt-
kugel auf der Linken, edel im Motiv und von vortrefflichen
Falten des azurnen Gewandes. Die Windungen und Blumen
des Randes, welche sich mit feinem, architektonischem Stylge-
Га um das schdnblaue Gestinge schlingen, sind meisterlich
gemacht. Es findet sich dort auch ein grtiner Papagei und ein
anderer Vogel, und an der Aussenseite das Wappen des Be-
stellers mit einem blauen Cardinalshut und dem erzbischéflichen
Stabe dartiber. Besonders reich und schén ist die Seite Bl. 26. b.
verziert. In einem C ist die Anbetung der Kénige, in den
Windungen des Randes oben Gott Vater, als Greis mit einem
Spruchzeltel, worauf die bekannten Worte: ,Hic est filius meus
etc.* befindlich; darunter die Taufe Christi, und noch mehr
unten die Hochzeit zu Cana. Die Koépfchen, хита der des
Gott Vater, sind hier von seltener Feinheit. Einige Windungen
des Randes mit schwarzer Fiillung, worin wieder feine goldne
Ziige, sind eben so eigenthiimlich als elegant. Bei dem Palm-
sonntag in einem D, Bl. 77. a., habe ich zum ersten Mal den
Esel, worauf Christus reitet, im Galopp vorgestellt gesehen.
Auch die Auffassung der Dreicinigkeit (BI. 121. b.) so’, dass Gott
Vater nicht Christus am Kreuz, sondern als ecce Homo im
Purpurmantel vor sich hat, ist der béhmischen Schule cigen-
thiimlich. Das Hauptbild aber ist die Kreuzigung, welche die
ganze Seite, Bl. 149. b., einnimmt. Der lange Christus stimmt
ganz mit dem auf den Bildern tiberein, welche dem Meister
Wilhelm beigemessen werden. Die Art, wie die Schacher an
die Kreuze geflochten sind, hat elwas Kiihnes in der Erfindung.
Ein Engel und ein Teufel holen in der bekamten Weise ihre
als Kinder gestalteten Scelen zum Munde heraus. Der Aus-
druck des Schmerzes in den Angehdrigen, von denen die Ma-
ria von den anderen Frauen unterstitzt wird, die Magdalena
das Kreuz umfasst, ist sehr edel. Die Pferde des Longin und
von drei andern Reitern sind dagegen sehr schwach. Der
Grund ist blau mit goldenen Verzierungen. In dem wie oben
verzierten Rande in den Ecken in vier Runden die Evangelisten
von grosser Feinheit. Matthius mit blondem, Marcus mit brau-
nem, Lucas mit grauem Bart, Johannes jung. Unten in einem
Rande Christus, als halbe Figur im Sarge stchend. Besonders
gelungen ist niachstdem die Geburt des Johannes in cinem D,
Bl. 227. a., der hier nicht wie meist von den Warlerinnen ge-
waschen, sondern, ungleich schéner gedacht, als ein zierliches
Kind von volligen Formen und graciésem Motiv, von етег
schlanken Jungfrau der erfreuten Mutter dargereicht wird. Auch
der Zacharias in dem Rande daneben, welchcer den Namen Jo-
hannes aufschreibt, ist cine ausgezeichnete Figur. Bei dem
Abschied der Apostcl Petrus und Paulus, Bl. 129.b., sind die
Kopfchen beider ganz in dem bekannten, kirchlichen Charakter
gehalten, und die Gewander im Gefalt, wie in der Ausfihrung
musterhall. Noch mehr Lob yerdient aber der Tod Maria,
Bi. 247. a., woselbst sie in sehr edlem Motiv, als am Betpult
knieend und von Johannes unterstiitzt, aufgefasst ist. Petrus
	erscheint hier als der erste Pabst. Oben im Azurfelde yon
weisslichen, regelmassigen Wolken umgeben, Christus mit dex
in Goldstoff gekleideten Kindersecle der Maria, welche ihn lieb-
kost, auf dem Arm. Auch die Geburt der Maria in einem gros-
sen Rund des Randes, BI. 252., enthalt die mir neuen Molive,
dass die auf einem goldnen Lager ruhende h. Anna nach der
Maria in der Wiege blickt, welche vom h. Joachim gewiegt
wird. Das Bl. 307. a. zeigt endlich in einem G den knieenden
Sbinko im blauen, mit goldnen Végeln verziertem Mantel. Das
K6pfchen ist von einer bestimmten Individualitat. In den Fiissen
Tiara und Scepter, am Rande sein Wappen. Dieses schoénste
mir, bekannte Denkmal bohmischer Miniaturmalerei gehért offen-
bar derselben Schule dieses Zweiges der Malerei an, als deren
alteste, mir bekannte Denkmale ich oben das eine Gebetbuch des
Erzbischofs Ernst von Prag und das Reisebuch des Bischofs
von Leutomischel besprochen habe. Es zcigt, wie jene eine
entschiedene Verwandtschaft zu den gleichzeitigen niederlandi-
schen und franzdésischen Miniaturen haben, und braucht den
schénsten Denkmilern dieser Art, welche der Herzog Johann
von Berry hat ausfiihren lassen, keineswegs nachzustehen.

Zu Letzteren gehért ausser denen, welche ich in meinem
Buche ,Kunstwerke und Kiinstler in Paris“ angefiihrt habe  ),
ein Gebetbuch dieses Herzogs von 206 Seiten in klein Folio in
der Bibliothek der alten Herzége von Burgund zu Briissel, wor-
auf ich an dieser Stelle alle Kunstfreunde aufmerksam machen
will. Dasselbe stimmt in der Verzierung der Rander, wie in
den Wappen so villig mit dem grossen Gebetbuch des Johann
von Berry, welches ich in dem obigen Buch 5. 338 beschrie-
ben, tiberein, dass ich es bereits im Jahre 1835, als ich es
zuerst in Briissel sah, fir ein Denkmal erklirte, welches fiir
jenen Viirsten ausgefiihrt worden sci, obgleich der Bibliothekar,
Hr. Marchal, es, einer friiheren Annahme gemass, mit Bestimmt-
heit als fiir den Herzog Wenzeslaw von Brabant geschrieben
hielt. Neuerdings ist aber dieser verdiente Gelehrte ebenfalls
zu der Ueberzeugung gelangt, dass Johann von Berry der Ver-
anlasser dieses Manuscripts ist, und hat dieselbe in einem sehr
schatzbaren, in den Biiletins der Akademie von Belgien fir
das Jahr 1844 abgedruckten Notiz ausgesprochen*), Die er~
sten beiden Seiten enthalten auf der links den knieenden Her-
zog, dessen sehr individuelle Ztige ein Alter von mindestens
60 Jahren zeigen, wonach mithin diese Handschrift, da er 1340
geboren worden, um 1400 zu setzen sein wirde. Er ist im
Gebet begriffen, dessen Inhalt durch die Worte des Psalms:
»Domine, labia mea aperies* im Texte angegeben ist. Hinter
ihm slehend sein Schutzpatron Johannes der Taufer und der
Apostel Andreas). Auf der Seite gegentber die thronende
Maria, welche dem Kinde die Brust giebt. Der rothe Grund
ist hier ganz yon feinen Engeln angefiilit, welche mit Instru-
menten und Gesang die Gottheit feiern. Diese, mit Ausnahme
der Fleischtheile, welche von schr zartem Localton, in lichtem
Grau in grau auf das Weichste und Feinste ausgefiihrten Bilder
zeigen nun offenbar die Hand des André Beauneveu, wel-
	1} $. 4азе фз 5. 335 —540.

2) Aus derselben geht Вегуог, dass meine Angabe, wie jener Herzog
mit einer Prinzessin Ursini vermahit gewesen, worauf ich die Barin in den
Randern bezogen, irrig ist. Diese Birin bildet mit dem éfter ebenda vor-
kommenden Schwan ein Rebus (ours-cygne) fiir den Beinamen Oursine,
welchen der Herzog seiner zweiten Gemahlin, der Jeanne de Boulogne
und Auvergne gegeben hatte. So bezichen sich auch die in beiden Gcbet~
расвего so hiufig yorkommenden V und E, welche man fraher in Brissel
fiir die Anfangsbuchstaben von Wenzeslaus genommen, sicher nach der 4l-
teren Schreibart, Ursine, als Anfangs- und Endbuchstabe, auf jene Prinzessin.

3) Die Grande, nach welchen Hr. Marchal Letzteren fiir Johannes den
Evangelisten halt, sind fir mich nicht iberzeugend.