rechten Schenkel des Ritters, doch durch den kraftig zuriick-
gehaltenen Ziigel am Davonstiirmen gehindert, sind seine Hin-
terfiisse zum Sprunge bereit, wahrend der rechte Vorderfuss,
etwas vorgestreckt, fest auf dem Boden steht, der Linke aber
gekrimmt und etwas in die Hohe gehoben ist. Der trotzige
Kopf wird durch die Gewalt des Ziigels etwas nach der linken
Seite gewendet. Die ganze Auffassung des Pferdes, das die
Grésse und Gestalt der flamischen Race hat, ist so naturwahr,
dass man es, nach Art muthiger Streitrosse, vor sich im Sande
scharren zu sehen glaubt.

Auf diesem muthigen, kampfbereiten Pferde zeigt sich der
Ritter in fester und — wie gute Reiter pflegen — etwas nach
hinten gebeugter Haltung. In der ausgestreckten Rechten halt
er das Banner frei in der Luft, das durch seine natiirliche
Faltung die Lebendigkeit des Ganzen nicht unbedeutend erhdht.
Ein stahlernes Schuppenkleid bedeckt, das Haupt ausgenommen,
den ganzen Korper. Ueber demselben ein leichtes kurzes
Wamms, in Form einer Blouse ohne Acrmel, das durch einen
Gurt, an welchem das Schwert hangt, zusammengehalten wird.
Der linke Arm, mit dem der Ritter den Zigel nahe an den
Korper gezogen halt, ist fast ganz bedeckt durch einen ovalen,
elwas gewolbten, nicht sehr grossen Schild, an einem breiten
Bande befestigt, das lose iber die rechte Schulter geht. Das
Haupt ziert ein Helm, dem die Phantasie des Kinstlers die
Gestalt einer Herzogskrone gegeben, an deren Hinterseite eine
gebogene Stahlplatte befestigt ist, als ein Schirm gegen die
Streiche, welche Haupt und Nacken treffen kénnten.

Das Piedestal ist ungemein einfach, aus einem Kalkstein,
den man hier pierre bleue nennt, oder auch pierre d’Ecaussine,
da er in den Ecaussiner Steinbriichen gewonnen wird, und zwar
in so grosser Masse, dass man ihn fast ausschliesslich zu allen
Steinarbeiten benulzt. Um ein Weniges héher, als die Statue,
mag es eine Héhe von 15—18 Fuss haben. Ein schmuckloses
Hisengitter mit vier Laternen an den Ecken umgiebt das Denkmal.  

Die Wahl des Platzes ist ausserordentlich gliicklich. Die
vordere Seite der Montagne de la cour zuwendend, gewahrt
das Ganze einen imposanten Anblick vom Parke aus, dem die
Statue die rechte Seite zuwendet. Ganz vorziiglich schén aber
ist der Blick, den man bei hellem Wetter von dem Rondel des
Parkes aus hat, das sich ganz nahe dem Eingange von der
Rue de la loi her, dem Palais de la nation gegeniiber befindet.
Von dort aus sieht man eine der wunderbar schénen Ulmen-
Alleen des Parkes hinunter, wihrend im Hintergrunde die
schéne Place royale mit ihren palastartigen, hellfarbigen Hau~
sern und dem herrlichen Denkmale in der Milte, ein Gemalde
von ungemeiner Anmuth und Mannigfaltigkeit giebt.

Der Kistler hat aus Besorgniss, man werde ihm die Arbeit
verderben, nicht in Belgien, sondern in Paris den Guss machen
lassen. Dort ist der vollendete Guss zweimal in Gefahr gewe-
sen, seiner Bestimmung entrissen zu werden. Einmal hatien,
als der Unternehmer dieser Arbeit plétzlich Bankerutt gemacht,
die Glaubiger die fir das Kunstwerk beslimmte Bronze mit Be-
schlag belegt. Spater wollte man es, bei Ausbruch der Fe-
bruarrevolution, zu Kanonen umgiessen, und nur die Bemer-
kung: , Gottfried sei ein guler Patriot und ja ein Kind Frank-
reich’s gewesen,“ soll ihn vom Feuertode gerettet haben. Mit
der Bestimmung seiner Nationalitaét hat es freilich seine eigene
Bewandniss. Belgier und Franzosen nehmen ihn als ihren Lands-
mann in Anspruch, und beide, wie mir scheint, mit Recht.
Gottfried war ja, als Sohn des Eustachus von Boulogne, Fran-
zose, durch die Adoption von Seiten seines miitterlichen Oheims,
Gottfried des Buckligen, Herzogs von Unter -Lothringen, wurde
er Belgier. Und dass der Kaiser Heinrich IV. ihn zum Herzog
von Lothringen gemacht, und dass er selbst auf seine franzj-

 

 
	sische Besitzung Verzicht geleistet und belgische Ritter nach
Palastina gefiihrt hat, das rechtfertigt doch hinreichend die Bel+
gier, wenn sie ihn unter die grossen Manner ihres Volkes
zihlen. Bei alle dem war aber die Veranlassung zu der Ег-
richtung dieses Denkmals wohl mehr die Absicht, die Stadt zu
verschénern, als Gottfried ein Denkmal zu errichten. Doch,
wie man hier in Belgien keine Gelegenheit voriiberlasst, um
das Nationalgefiihl zu heben, so hat man diesen fir den
Ruhm Belgiens so. bedeutenden Mann zum Gegenstande, die
Septemberfeste des Jahres 1848 zur Errichtung dieses Denk-
mals gewahlt, E. Baeyer.
	T. Riemenschneider.
	Seit der Herausgabe meines Werks iiber den Bildhauer
Tilmann Riemenschneider 1) habe ich noch Folgendes aufge-
funden, was zur Erganzung der bereits mitgetheilten Nachrichten
tiber diesen Kiinstler dient.

Ein im Stadtarchiv zu Wiirzburg befindliches Manuscript
enthalt eine Verschreibung des Meisters nnd seiner S. 2 er-
wahnten Hausfrau Margaretha, tiber 4 Fl. Zins zum h. Kreuz-
altar im Spital, vom Sonntag nach Bonifacii 1524, woraus her-
vorgeht, dass diese zweite Frau in gedachtem Jahre noch ge-
lebt hat.

Das S. 8, unter No. 5. erwahnte, im Jahre 1494 gefertigte
Sacramentshiuschen, wurde bei der Renovation des Doms in
den Jahren 1701 — 1703 zerstért. Eine Anzahl von Bruchstiicken
dieses héchst bedeutenden Kunstwerks, habe ich unlangst in
dem obern Raume eines der grésseren Domthiirme wieder auf-
gefunden. Leider waren die dazu gehérigen heiligen Figuren
nicht mehr vorhanden.

In der Kirche zu Griinsfeld, einem badischen, friiher
zur Grafschaft Rieneck gehérig gewesenem Stadtchen, unweit
Bischofsheim an der Tauber, befindet sich ein von Riemen-
schneider gefertigtes, treffliches Grabmal der Grafin Dorothea
von Rieneck, welche in erster Ehe mit dem Landgrafen Frie-
drich von Leuchtenberg und spater mit dem Grafen As-
mus von Wertheim, + 1509, vermahlt war.

Die Verstorbene ist, beinahe Rundwerk, in betender Stel-
lung, auf einem Lowen knieend, dargestellt. Der ausdrucksvolle
Kopf, die zart behandelten, vorziiglich modellirten Hinde und
der grossartige Faltenwurf der weiten Gewander, sind mit
grosser Naturwahrheit meisterhaft ausgefithrt. Das Grabmal ist
mit sechs Wappen: Rieneck, Hessen, Sponheim, Castell,
Hanau und einem unbekannten verziert und tragt die Inschrift:

Anno dni MDIII uff Freytag nach dem Sontag oculi starb die
wolgeborne Frau Dorothea grefin zu Werthei gebor vo

Rineck der got genad amen

Dieses Bildwerk hat zwar, vor einigen Jahren, eine Ueber-
tiinchung mit grauer Oelfarbe erleiden miissen; indessen ist es
sonst noch gut erhalten. Mége dasselbe vor einem ahnlichen
Vandalismus bewahrt werden, wie er Riemenschneiders Apostel-
figuren und Adam und Eva, an der Mariencapelle zu Wiirzburg
getroffen hat, welche neuerdings ungeschickt restaurirt und
unter den Augen der Baubehérde, sogar mit dem Meissel iiber-
arbeitet wurden. С. Becher.
	1) Leben und Werke des Bildhauers Tilmann Riemenschneider,
eines fast unbekannten aber vortrefflichen Kinstlers, am Ende des 15. und
	Anfang des 16, Jahrhunderts. Beschr. u. herausg. v. C. Becker. Mit 7
Kupfertafeln u. 2 Vignetten. Leipzig. R. Weigel. 1849. gr. 4.*)
	*) Man verglelche: Deutsches Kunstolatt No.4. D. R,