Kapelle auf dem Kirchhofe zu Straubing befindet. Die einfache, in schénen gothischen Lettern gehaltene Umschrift: — ,A.D. M.CCCC. XXX. VI. in. die. octobris . obiit. agnes. Bernauerin. requiescat.in. pace .“ — giebt keine Hindeutung auf den sché- nen Lebensfriihling und das tragische Ende, wodurch die Ge- schichte dieser Frau im Munde der deutschen Poesie lebendig geblieben ist. Sie ist auf dem Grabsteine in ganzer Figur dar- gestellt, in einen weiten ftirsllichen Mantel gehillt, das Haupt mit einem reichen Schleier umgeben, in der rechten Hand den Rosenkranz, zu ihren Fiissen zwei Hiindchen. Vielleicht ware es ein dankenswerthes Unternehmen, wenn man den Kopf be- hufs des Gypsabgusses abformen liesse; zahlreiche Freunde deutscher Kunst und deutscher Sage wiirden den Abguss ohne Zweifel sehr willkommen heissen. — Tafel 14 giebt das Grab- denkmal des Herzogs Boleslaus Altus von Schlesien, aus der Klosterkirche zu Leubus an der Oder. Die Umschrift bezeich- net den Herzog als im Jahre 1201 gestorben; die Arbeit des Denkmals ist aber unstreitig ctwa hundert Jahre jiinger. Die Bildnissgestalt des Herzogs, in reicher kriegerischer Tracht, das geschmackvolle gothische Tabernakel, unter dem er steht, und eine Anzahl kleiner Wappenschildchen bestehen, jedes Stick fir sich, aus gravirlten Bronzeplatten, die in die Platte des Grabsteins eingesenkt sind. Es ist also ganz die Weise der in England sehr haufigen Dekoration der Grabplatten, die ich in No. 17. §.133 des deulschen Kunstblaties besprdchen ‘hatte und fiir die ich damals in Deutschland ein namhafles Beispiel nicht anzugeben wusste. — Mehrere Grabsteine enthalten nur die Dar- stellung von Wappenschilden und dekorativen Zierden, die aber zum Theil, wie auf dem Denkmal des Georg Grabner aus der Dominikanerkirche zu Rétz, Taf. 8, und besonders auf dem des Sebald Rothan aus der Miinsterkirche zu Kloster Heilsbronn in Franken, Taf. 24, ungemein geschmackvoll durchgefiihrt ist. Das Heft No. 2, mit 6 Blattern bildlicher Darstellung und 8 Seiten Text, ebenfalls in Quartformat, bringt zum grésseren Theil landschaftlich architektonische Skizzen, хате zwei auf einem Blatt, auch sie leicht und sicher mit der Feder auf Stein gezeichnet und gleichfalls mit zwei Ténen, ganz in der Weise leichter Tuschzeichnungen, tiberdruckt. Die Auswahl der Gegensténde gehért wiederum den verschiedensten Gegenden Deutschlands an; jedes einzelne Bildchen ist durch cin beson- deres geschichtliches oder archaologisches Interesse bedeutend, wie sich z. B, in der Darstellung des Schlosses Poering am Lech die dazu gehdrige Wallfahrtskapelle mit ihren wundersam ge- stalteten Fenstern als ein eigenthtimliches Beispiel des Ueber- gangsstyles aus dem Romanischen in das Gothische bemerklich macht, — wie die Kirche zu Radoschau bei Gnadenfeld in Ober- Schlesien, ein aus Lerchenbaumstémmen zusammengeschrotener Bau mit pyramidal aufsteigendem Thurme, fiir das urthimliche Bauwesen unserer nordischen Gegenden bezeichnend sein diirfte, — wie das alte Schloss zu Nieder-Weigsdorf in der Ober-Lau- sitz ein charakteristisches Beispiel des alterthitimlichen Fach- werkbaues gicbt, u.s.w. Das Hauptverdienst dieser kleinen Bilder aber scheint mir darin zu beruhen, dass das naive Zu- sammenwachsen der dargestellten Gebdulichkeiten in sich und mit dem Terrain umher tberall gliicklich aufgefasst und, ob auch mit den leichtesten Mitten, zur charakteristisch maleri-~ schen Wirkung gebracht ist. Es ist hierin dasjenige Element sehr gliicklich getroffen, dessen vor Allem die Dekorationsmale- rei unsrer Schaubiihne, will sie anders auf kiinstlerische und culturgeschichtlich bezeichnende Bedeutung Anspruch machen, bedarf. Das hiibsche Unternehmen kénnte so, abgeschen von den sonstigen Beziehungen, welche sich daran kniipfen, ein beson- deres Interesse auch fir die werkthatige Kunst gewinnen. Ich glaube also den lebhaften Wunsch seiner Fortsetzung wieder- nisten, hinzufiigen wollen, so missen wir bekennen, dass der Eindruck des klar Gedachten, des tief Empfundenen und ver- stindig Geordneten durch keinerlei Fehler, weder in der Zeich- nung, noch in der Farbengebung verkiimmert wird. Wir leug- nen es nicht, dass das Hauptverdienst dieses Werkes nicht in Zeichnung und in der Malerei, sondern in der Composition, in der der Idee, nicht in der Darstellungsweise, sondern in dem Dar- gestellten, nicht in dem Wie, sondern in.dem Was liegt. Wenn wir oben von den Werken des Danicl da Volterra und des Ru- bens in Beziehung auf das vorliegende Gemilde redeten und lelzteres neben jenen Meisternwerken bestehen liessen, so ha- ben wir selbstverstandlich immer nur die Composition und An- ordnung im Sinne gehabt. Weder die grossartige Kraft, die grindliche Kenntniss der Anatomie des Einen, noch die klare Farbung und vollendete Beleuchiung des Andern ist in dem Lenthe’schen Bilde zu finden; allein ein fleissiges Studium in der Drappirung, eine (bis auf eitiige unwesentliche Dinge) rich- tige Zeichnung, ein ernstes, jedoch keinesweges finsteres und trockenes Colorit, und besonders eine wohlihuende Harmonie in der Beleuchtung tragen auch hier wesentlich dazu bei, dass die darzustellende Idee angemessen zum Ausdruck gelangt, und dass der Beschauer in gleicher Weise angeregt und von dem- selben Sinne gehoben wird, von dem der Kistler unverkenn- bar erfullt war. Е, №. Denkmater. 1. Grabdenkméler. Kin Beitrag zur Kunsigeschichte des Mittelalters. .dn Ort und Stelle gesammelt und ge- zeichnet von Leonard Dorst. Erter und zweiter Band (vichtiger: Heft). Gérlitz, 1846 und 1847, 2, Reiseskizzen. An Ort und Stelle gexeichnet und nebst einer kurzen Beschreibung in Tondruck herausgegeben von Leonard Dorst Erstes Heft. Goérlitz, 1847. Ich fasse hier eine Anzeige dieser beiden Unternehmungen zusammen, wozu der Umstand, dass beide von demselben Ver- fasser herriihren, beide aus derselben Sinnesrichtung hervor- gegangen sind und dieselbe dussere Behandlung zeigen, Anlass giebt. Der Sturm des Jahres 1848 scheint die Fortsetzung bei- der unterbrochen zu haben; vielleicht ist jetzt zur Wiederauf- nahme der Arbeit eine giinstigere Zeit gekommen, — vielleicht auch ist es diesen flichtigen Worten gegeben, dazu in vermit- telnder Weise beizutragen, Die zwei Hefte von No. 1. enthalten, ausser dem Titel und der an den Freiherrn von Stillfried -Rattonitz gerichteten Wid- mung, die in sauberem Buntdruck ausgefihrt ist, im Ganzen 24 Blatter mit bildlicher Darstellung in Quarlformat, nebst 14 Seiten erlauternden Textes in deutscher und franzésischer Sprache. Es sind Abbildungen mittelalterlicher Grabsteine, aus verschie- denen Gegenden Deutschlands, — Sachsen, Schlesien, Franken, auch Wirttemberg, Bayern, der Schweiz u.s. w., leicht und einfach, aber mit sicherer kiinstlerischer Hand und mit volligem Verstandniss der stylistischen Eigenthtimlichkeiten, mit der Feder auf Stein gezeichnet und mit zwiefachen Schattenténen iberdruckt. Die sorgliche Beriicksichtigung jenes stylistischen Elements macht die Mittheilungen zu charakteristischen Beispielen der kunsige- schichtlichen Entwickelung, worauf der Titel der Hefte hin- deutet; noch wichtiger vielleicht sind sie fir die Personalge- schichte, fiir die Heraldik, fiir das Kostiimwesen u. s.w. — Ich bezeichne ein Paar einzelne Darstelluungen naher. Tafel 7 enthalt den Grabstein der Agnes Bernauer, der Gemahlin Herzog Albrechts von Bayern, der sich im Chor der Bernauer