Bildchen zeichnen sich sehr vortheilhaft durch eine glickiche
Auffassung aus. Die Verhiltnisse der Figirchen sind etwas
kurz. Unter acht Wappen an den Seiten des Randes befindet
sich auch das hohenzollersche, indem die Gemahlin des Erz-
herzogs dieser Familie angehérte. In der Milte beider Colum-
nen sechs Brustbilder, wie es scheint, von Aposteln. Auf den
unteren Randern der beiden folgenden Seiten in acht Runden
Christus, welcher dem Petrus die Schliissel giebt, und die sie-
ben Sacramente, unter denen sich besonders die Firmelung durch
einige sehr hibsche Kinder auszeichnet. Diese ungemein ge-
lungenen Compositionen sind in den kraftigen Farben sehr har-
monisch abgewogen. Unter den dreizehn Bildern des Randes
an dem Anfange des zweiten Buchs erwahne ich hier nur der
Bildnisse des Erzherzogs und seiner hiibschen Gemahlin, welche
von dem in den bekannten Charakteren gehaltenen Petrus und
Paulus der Dreieinigkeil empfohlen werden, wegen des gltick-
lichen Besirebens nach individueller Bildung. Das Abendmahl,
Bl. 57. a., ist besonders wegen des edlen Ausdrucks von Schmerz
in dem Kopfe Christi, wie wegen der Andeutung von Theilnahme
in den Képfen der Apostel bemerkenswerth. Endlich hebe ich
noch die Darstellung des jingsten Gerichts auf den Réndern
von Bl. 163 heraus. Der Ausdruck der Strenge in dem Chri-
stus mit ausgebreiteten Armen in der purpurnen Mandorla ist
sehr wirdig, ebenso die Gebirde des Flehens in der Maria
und dem Johannes zu den Seiten. Nachstdem verdienen acht
in zarten, schleierartigen Todtenhemden aus ihren Sargen Er-
stehende in dem Streif zwischen den beiden Columnen, wegen
der guten und mannigfachen Motive, der vélligen und fiir die Zeit
wohl gezeichneten Formen genaue Beachtung. Zu den Seiten
in symbolischer Beziehung, ein Siemann, Wachsthum der Saat
beim Sonnenschein, Schneiden des Getreides und Einfahren
desselben. Unten Adam und Eva, Moses mit den Gesetztafeln,
die Geburt und die Himmelfahrt Christi, fast durchgaingig sehr
gelungene und eigenthiimliche Vorstellungen. Auf der an Bil-
dern reichen Seite, BI. 274. b., mit den Bildnissen des Erzher-
zogs Wilhelm und seiner Gemahlin, ist das Profil der letzteren
besonders individuell.

Wie lange aber in Oesterreich diese Kunstweise noch in
Austibung geblieben, beweist ein grosses, nach den darin ent-
haltenen Jahreszahlen 1447 und 1448 fir den Kaiser Friedrich III.
geschriebenes Missale, welches, friher in der ambraser Samm-
lung, jetzt in der kaiserlichen Bibliothek zu Wien (No. 1767)
aufbewahrt wird. Die realistische Kunstweise kiindigt sich hier
nur in der bestimmteren Individualisirung mancher Gesichter,
und in dem hie und da eintretenden schadrferen Briichen der
Gewandfalten an. Uebrigens sind hier drei Hinde von ver-
schiedenem Kunstwerthe zu unterseheiden. Die erste, von wel-
cher das Titelblatt, der thronende Kaiser mit seiner Gemahlin,
ist in den Képfen schwach, bleich und einformig, die zweite,
von der z. B. die Maria mit dem Kinde in einem D, BI. 10. a,
ist ungleich feiner und lebendiger, die driite endlich, von wel-
cher die Initialen auf Bl. 270. a. herrihren, zeigt die bestimm-
teste Individualitit und: einen réthlichen Fleischton in den Кб-
pfen und am meisten Scharfe der Briiche in den Gewandern.
Dieses Manuscript enthalt endlich hie und da sehr hiibsche Rand-
verzierungen und artige, meist aus Thieren bestehende scherz-
hafte Vorstellungen. Dass das vorige Manuscript nicht etwa
eine vereinzelte Erscheinung ist, beweist ein anderes nach den
darin befindlichen Wappen ebenfalls fir einen dsterreichischen
Fiirsten geschriebenes Gebetbuch, No. 2722 der kaiserl. Biblio-
thek zu Wien, welches nach Schrift, Verzicrangen, Ausbildung
der Raumlichkeit gewiss nicht vor 1450, vielleicht sagar noch
etwas spiler fallen méchle. Képfe wic Gewander der zahlrei~
chen, aber geistlosen Bilder zeigen wesentlich noch diesclbe
	proscriptore.“ Ob dieser Johann Freybechk aus dem unweit
Hagenau im Elsass gelegenen Cistersienserkloster Kénigsbriick
sich nur als Schreiber, oder auch als Maler auffthrt, ist nicht
mit Gewissheit zu entscheiden. Das Wort finita kann indess
fiiglich auf Beides bezogen werden. Unter Proscriptor ist hier
wohl ohne Zweifel der Dictator zu verstehen, welcher von dem
Schreiber nach einer Arbeit von so langem Athem zum Schwei-
gen aufgefordert wird. Dass letzterem die Arbeit sehr zur
Last geworden, beweist noch eine andere Inschrift zu Ende
des Indexes: ,0 wie hart akchumbt freunt meyn.“

Fir den Beweis, dass jene Kunstrichtung auch in Baiern
herrschend gewesen, habe ich bisher nur ein fir die Kunst
nicht grade bedeutendes Denkmal aufgefunden. Dieses ist ein
die Evangelien, die Schrift des Rhabanus Maurus de Sta Cruce,
die Armenbibel und ein allegorisches Werk enthaltender Band
in Folio vom Jahre 1414 aus dem zwischen Regensburg und
Straubing gelegenen Kloster Metten, jetzt in der Bibliothek zu
Miinchen, welches eine Reihe von Bildern, meist recht geschickt
gemachte Federzeichnungen enthalt, die den Charakter jener
idealen Kunstweise tragen. Hier und da kommen indess schon
sehr individuelle Gesichtsbildungen vor. Der schreibende Engel
des Matthéus an der Spitze von seinem Evangelium ist unter
anderen eine sehr schlanke Gestalt von gutem Motiv.

Desto bedeutender ist dagegen ein Manuscript mit Minia-
turen in der kaiserlichen Bibliothek zu Wien, als Beweis, dass
daselbst, mithin im Herzen von Oesterreich, dieselbe Kunst-
weise geherrscht hat. Dieses ist eine deutsche Uebersetzung
des Rationale divinorum officiorum, welches Diirand der Bischof
von Mandes in der zweiten Halfte des 13ten Jahrhunderts ver-
fasst hat. Der grosse, in zwei Columnen geschriebene Folio-
band, ist nach einer Notiz Bl. 2a. im Jahre 1384 fir den Erz-
herzog von Oesterreich, Albrecht mit dem Zopf, angefangen
worden, doch, wie aus dem Bildniss seines Neffen und Nach-
folgers, des Erzherzogs Wilhelm von Oesterreich BI, 274b. er-
hellt, erst nach dessen Tode und keinenfalls vor dem Jahre
1403 beendigt worden, da seine Gemahlin, Johanna yon Un-
garn, welche er in diesem Jahre heirathete, neben ihm yor-
handen ist. Vor den Abschnitten befinden sich nun in den
Initialen, wie auf den Randern figirliche Vorstellungen, welche
ganz in jener Richtung gehalten, sich aber von den Miniaturen
von Boéhmen und Schlesien durch eine gréssere Energie und
Kraft der Farben und mehr Bestimmtheit der Formen unter-
scheiden, auch sind die Farben der Gewander einfacher gehal-
ten. Es lassen sich deutlich mindestens zwei Hande unter-
scheiden. Die Bilder von der besten zeigen eine geschickte
und deutliche Anordnung, eine gute Zeichnung, feine Képfe,
einen warmen und bliihenden Fleischton, und éfter architekto—
nische Hintergriinde ven zarten gebrochenen Farben, als: braun
lich, griinlich, violettlich. Es kommt indess auch noch der
Schachbrettgrund vor. Die Behandlung ist frei und leicht. Bei
dem Fleisch sind die Lokalfarben auf eine griine Unterlage ge-
setzt, die Gewander meist im Lichtton gedeckt und Schatten
und Motive darauf gemalt. Initialen und Randverzierungen im
deutschen Geschmack zeichnen sich nur theilweise aus. Auf
dem Blatt 1. a. mit einem prachtigen A der thronende Albrecht
im rothen Kleide mit dem Schwert und der herzoglichen Mitze,
welchem die vier Facultaten, in Bezug auf seine Erneuerung
der Universitat zu Wien, vier Bitcher darreichen. Auf dem
unteren Rande in vier Runden Papst Urban VI., welcher zweien
Knieenden die Erlaubniss zur Stiftung einer theologischen Fa-
cultét an der Universitat zu Wien iibergiebt, der Erzherzog
Albrecht, weleher diese in Empfang nimmt, derselbe, neben
dem Gebaude seiner Universitat endlich, ein Professor der Theo-
logie, der diese Wissenschaft vor sechs Zuhérern lehrt. Diese