Kunstweise. Ich fihre hier nur das die ganze Seite einneh-
mende Bild, BI. 18, an, welches die Erhebung der Hostie durch
den Priester mit drei Ministranten und dem knieenden Erzher-
zog vorstellt, mit der Beischrift: ,Ich chum zu der himmli-
schen Speiss“. Fiir die Schénheit der Randverzierungen in
Erfindung und Ausfiihrung ist indess diese Handschrift héchst
	ausgezeichnet. (Fortsetzung folgt.)
	Diisseldorf im Herbst 1850.
	Уоп №. Weiss.
	Die Kunstausstellung.
	Kine Uebersicht in Zahlen ist bei dieser Gelegenheit immer
interessant. Der Katalog der Ausstellung enthalt im Ganzen
191 Nummern, diese sind vertheilt auf 129 Kistler. — Von
diesen 191 Nummern kommen auf Oelgemialde 176, auf Aqua-
relle 1, auf Zeichnungen 6, auf Kupferstiche 5, auf Skulptu-
ren 3. —- Die Oelgemalde scheiden sich in Darstellungen. aus
der Geschichte, in Genrebilder, Bildnisse, Landschaft, Thier-
stiicke und Stillleben.

Darstellungen aus der Geschichte finden sich im Ganzen
15; dazu rechne ich: aus der profanen Geschichte 4, aus der
hiblischen Geschichte 9, aus der Mythologie 2.

An Genrebildern zahlt der Katalog im Ganzen 57; davon
fallen auf das sogenannte historische Genre 3, Darstellungen

aus dem gewéhnlichen Leben u. s. w. 54.

Die Zahl der Bildnisse beschrankt sich auf 5.

Die Landschaft nennt die iberwiegende Zahl von 75 Num-
mern, wozu sich noch 6 Architektur- und 5 Seestiicke gesellen,
mithin sich hierfiir eine Gesammtzahl von 86 Nummern ergiebt.
Die Zah! der Thierstiicke ist 7, die der Stillleben 5, — Ausser-
dem eine Nummer, die Studien enthalt. In Aquarell eine Land-
schaft. In Zeichnungen biblisch-historischen Inhalts 5. Genre 1.
Kupferstiche biblisch-historischen Inhalts 5. In der Skulptur: ге-
liglése Darstellungen 2, Portraitstatuette 1. Zu dem allen kommen
noch etwa 10 nicht im Katalog verzeichnete Gegenstinde, die
theils der Skulptur, theils der Oelmalerei u. s. w. angehoren.

Da, mit sehr wenigen Ausnahmen, die sammtlichen hier
ausgestellten Kunstwerke als Arbeiten der Diisseldorfer Schule
zu betrachten sind, so haben wir in obiger Zahlenzusammen-
stellung ein ungefahres Verhaltniss wie die Produktionen in den
verschiedenen Darstellungskreisen sich hier zu einander verhal-
ten. Wir sehen die Landschaft mit 86 Nummern am starksten
vertreten, ihr folgt das sogenannte Genre mit 57 Nummern
(worunter dem Tiedemann allein 10 Nummern zukommen), hier-
auf folgt die Geschichtsmalerei (15 Nummern), dann das Por-
trait (6 Nummern), das Stillleben (5 Nummern) und die Thier-
malerei.

Beim ersten, fltichtigen Besuch der Ausstellung wird der
Mangel historischer Darstellungen fihlbar, wogegen der Ueber-
reichthum landschaftlicher Composition die Vorstellung zu er-
wecken scheint, als sei Dusseldorf ausschliesslich die Schule
der Landschaft geworden und liefe die Historien- und Genre-
malerei nur so nebenher. Indess ein Gang durch die Privat-
ateliers und ein Rickblick auf kiirzlich beendete Leistungen
dieser Gattung belehrte uns eines Besseren. Dagegen verdan-
ken die historischen Compositionen der Ausstellung, besonders
die aus der profanen Geschichte, es nur ihren Vorwirfen, wenn
man sie als historische Gemilde bezeichnen muss. Fast konnte
es scheinen, dass mit dem Huss des Lessing, an welchem Bilde
sich bereits amerikanischer Kunstsinn erfreut, aller Sinn und
alle Begeisterung fiir die Geschichtsmalerei von hier mit aus-
gewandert sei; denn nehmen wir ein Bild von Pliddemann
(No. 87. der Acker der Edlen) ) und ein zweites von von
Oer (Tasso’s Tod), beides Kinstler, die seit langerer Zeit
in Dresden leben, aus der Reihe der hier aufgestellten Histo-
rienbilder, sq bleibt fiir die diesjahrige Ausstellung nur das
Bild von Volkhart (Knox vor Maria Stuart) als Reprasentant
dieser Gattung zu nennen. Dieses Bild erhebt sich, nach mei-
ner Ansicht, weder im Gedanken, noch in der Ausfihrung, wozu
	1) Ludwig der Eiserne, Markgraf von Thiringen, lasst mehrere semer
yon ihm besiegten Edlen, die sich harter Bedriickung gegen ihre Untertha-
nen schuldig gemacht haben, ins Joch spannen und einen Acker bei Frei-
burg von ihnen umpfligen, der noch heute der Acker der Edlen genannt wird.
	Wohl keine Schule hat wahrend der Zeit ihres Wirkens so
	sich einander widersprechende und verschiedene Meinungen und
Urtheile iiber ihre Leistungen hervorgerufen wie dic Diisseldorfer.
	Bei ihrem ersten, aussergewohbnlichen Auftreten erhob man sie
bis zu den Sternen, um sie (wie es leider nach ahnlichen Tri-
umphen haufig geschieht) spiter desto tiefer herabzuziehen, in-
dem man jedes ihrer Werke mit dem scharfen Messer der Kri-
tik bis in’s Einzelne zerlegte und den innern Zusammenhang
der Schule aus dem Auge verlierend ihre Leistungen sehr
oft einseitig und isolirt betrachtete. Sie selber dagegen ver-
fuhr wahrend aller dieser Schwankungen von Seiten ihrer Lo-
ber und Tadler in sich weniger extrem und indem man aus-
serhalb dariber stritt, ob ihre Leistungen Fort- oder Riick-
schritte zeigten, tberliess sie sich ruhig, als ein fiir sich be-
stehender Kérper, dem natirlichen Gange der Entwickelung.
Alle Phasen, welche die Schule durchgemacht, von der einst
so gefeierten Romantik bis zur Sentimentalitét und Empfin-
delei — von den Edelknaben und Rittern mit ihren Liebchen
bis zur Tendenzmalerei, mit allen dazwischen liegenden aus-
sergewoéhnlichen und gewodhnlichen Erscheinungen — alle
diese Phasen stehen in einem inneren nothwendigen Znsammen-
hange und sind hier als eine natirliche Folge einer ruhigen
Entwickelung zu betrachten. — Der von der Schule einge-
schlagene Weg war ihr von der Zeit, der sie angehdrte, vor-
gezeichnet und nur dadurch, dass sie auf demselben consequent
mit der Zeit vorschritt, konnte sie auf den Punkt gelangen,
auf dem sie sich jetzt befindet. Das seit ihrem ersten Auf-
treten anerkannte naturalistische Streben hat die schénsten Bli-
then auf dem Gebiete der modernen deutschen Kunst erzeugt
und ihr stetes Zuriickgehen auf die Wirklichkeit, das dadurch
bedingte Studium der Natur, ihr eine eigenthiimliche Selbstain-
digkeit verliehen. Die meisten Werke dieser Schule tragen
hierdurch den Stempel innerer Gediegenheit und den Ernst
eines wahrhaft kiinstlerischen Strebens. Ueberraschende Fort-
schritte in der Technik, die ein Vergleich jetziger Werke mit
alteren, einst hochgefeierten Leistungen in ein klares
Licht stellt, trugen wesentlich dazu bei, den Naturalismus der
Schule zu beférdern und selbst diejenigen, deren innerem Stre-
ben es weniger um den Verfolg dieser Richtung zu thun war,
wurden unwillkirlich mit hineingezogen und — wie ich glaube
— zu ihrem eigenen Vortheil. Am deutlichsten und bestimm-
testen tritt dieses Streben in der Landschaftsmalerei zu Tage,
die, weniger abhangig von Ausseren Einwirkungen der Zeit,
rein auf das Studium der landschaftlichen Natur angewiesen,
dieselbe als die einzige Quelle zu betrachten hatle, um daraus
Geist und Korper fir ihre Darstellungen zu schépfen. Je ru-
higer und ungestorter sich damals dieses Genre hier entwickeln
konnte, um so bedeutender mussten auch die Erfolge sein, und
wahrlich nicht méchte man eine gréssere Anzahl Werke dieser
Gattung in solcher Vollendung beisammen finden, wie hier in
Diisseldorf auf den Ausstellungen der Akademie. Betrachten
wir also die diesjthrige.