fassen. Der Kunstler hat hier eine Christbescheerung aar- gestellt und es dem Beschauer vollstandig tiberlassen, die Dar- stellung allegorisch, mythisch oder realistisch aufzufassen. Das Christkindlein, unschuldsvoll, in kindlicher Naivetét, begleitet von Engellein, die beschaftigt sind, aus dem mitgebrachten Kérbchen kleine Geschenke herauszunehmen, ist in die Hite friedlich und gemiithlich lebender Bauersteute getreten , um die um es versammelten, halb erstaunten, durch das Ausseror- dentliche der Erscheinung tiber das Gewohnliche sich erheben- den Kindergemitither mit allerlei Nasch- und Spielwerk zu er- freuen. Es ist Abend und das heimliche Licht der Lampe er- hellt mit einem magischen Schimmer das drmliche, aber rein- lich gehaltene und ordenilich ausgestattete Gemach. Vater, Mutter und Grossmama, alles ist freudig bewegt und selbst das Kleinste, das dic Mutter auf dem Schoosse tragt, nimmt schiich- tern Theil an der frommen Freude, die in der Hiilte herrscht. Hier ist Alles Leben, Gemiith und Seele und selbst dem Christ- kindlein, wie den Engeln, fehlt es nicht an Fleisch und Blut; ja man kémnite hiernach versucht werden, die géltlichen Bot~ schafter selbst fiir irdische Wesen zu halten, wenn nicht die in der Darstellung herrschende feierliche Slimmung auch uns so feierlich stimmte, eine Stimmung, in die uns nur eine solche Erscheinung zu versetzen im Stande ist. Das Bild ist ein in sich abgeschlossenes Ganzes. Durchaus dem Geiste desselben entsprechend ist die liebevolle Durchfiihrung aller Einzelheiten, und wir kénnen den jetzigen Besitzer, dem es durch das Loos zugefallen, nur begliickwtinschen. So erfreulich es ist, ein fortschreitendes Talent auf seinem Wege im Geiste zu verfolgen, so tribe stimmt es andererseits, wenn man Talenten begegnet, die nicht nur stehen geblieben sind, vielmehr Rickschritte in der Kunst gethan haben. Diese Stimmung bemachtigte sich meiner zuweilen bei Betrachtung einzelner Werke des Genre, das indess sonst manches Vortreff- liche und Ausgezeichnete darbietet. Zu den Bildern grésserer Dimension, die mehr oder weniger die Aufmerksamkeit des Publikums in Anspruch nehmen, gehdren Arbeiten von Hasen~ clever (ein asthetischer Thee; ein figurenreiches Bild, in Lam- penbeleuchtung. — Der Birgerwehrmann, ein Bild in kleinem Maassstabe), von Kar] Hibner (der Abschied des Freiwilligen, 1813— 1814), Lor. Clasen (italienische Fischer und Fische- rinen), Nevels (die Braut, zwei lebensgrosse weibliche Fi- guren in reichen seidenen Gewandern), Franke (Fischhandel, ein im Streben nach belgischem Colorit gemaltes Bild) u. s. w. Zu den kleinern Bildern dieses Kreises gehéren Arbeiten von Adolph Richter (Rheinisches Dorfleben), Joseph Fay (ita- lienischer Brunnen, Italienische Madchen u.s.w.). Als eine ausserordeniliche und ungewohnliche Erscheinung wird mit Recht das mit grosser Virtuositat gemalte figurenreiche Bild eines hie- sigen jiingeren Kinstlers, L. Kraus, betrachtet. Es stellt einen Bauerntanz dar. Um die grosse und machtige (fast den ganzen obern Raum des Bildes einnehmende) Linde des Dorfes haben sich die Bewohner desselben zu einem fréhlichen Feste verei- nigt. Von dem durch die Tanzer und Tanzerinnen aufgewir- belten, gelblichen Staub setzen sich die Figuren des Vorder- grundes in bestimmten Gruppen ab. Diese sind zu beiden Seiten des Bildes mit grossem Geschicke vertheilt. Theils sitzen sie und trinken oder machen ein Spiel, theils stehen sie umber, sprechen mit einander oder schauen dem im Mittelgrunde herr- schenden Treiben zu. Im Hintergrunde links, iiber reife Korn- felder hinweg, erblickt man die Hiitten der hier jubilirenden Dorfbewohner. Sowohl Farbe wie Zeichnung im Bilde sind mit iiberraschendem Talente, man mdchte sagen, mit technischer Vollendung behandelt und wiisste man nicht, dass es das zweite Bild des so begabten jungen Kinstlers sei, so sollte man mci- ich hauptsichlich die Composition rechne, tiber das Gebict des Genre und befriedigt um so weniger, als wir frithere, bei wei- tem bedeutendere und durchgefiihrtere Arbeiten des Kinstlers kennen. Von den zwei im Katalog verzeichneten Bildern von Becker war, so viel ich mich erinnere, nur das eine und zwar Amor und Psyche zur Ausstellung gelangt. Psyche, in der rechten Hand eine Lampe haltend, von der die Beleuchtung aus- geht, kniet vor dem auf einem Ruhebett schlafenden Amor, ihn liebevoll betrachtend. Ein mit grosser Licbe und Sorgfalt durch- gefiihrtes Bild, in dem ein feiner Sinn fiir schéne Form nicht gu verkennen ist und das, trotz der Schwierigkeit, den die Darstellung lebensgrosser nackter Korper dem Kistler darbot, mit zu seinen besten Arbeiten gehért. Unter den biblischen Darstellungen befanden sich die bereits in Berlin ausgestellt ge- wesenen Bilder von O. Rethel (Paulus und Siras in Griechen- land und Prof. A. Chauvin (Flucht nach Aegypten), ferner ein kleines, vortrefflich gezeichnetes, fein colorirtes und mit gros- ser Sauberkeit durchgefihrtes Bild von Ittenbach (eine von einer Glorie umgebene stehende Madonna mit dem Christkinde auf dem Arm). Denselben Gegenstand in Lebensgrésse hatte Carl Miller behandelt; dieses Bild, vom rheinischen Kunstver- ein bestimmt, die Kirche von Altena in Westphalen zu schmiicken, gehért unstreitig mit zu den gelungensten Werken, die diese Kunstrichtung hervorgebracht, ganz abgesehn von dem, dem Bilde nicht ohne Grund gemachten Vorwurf einer zu brillanten Farbung. Der Kunstler hat seine Aufgabe mit wahrer Innig- keit erfasst und aller der ihm zu Gebote stehenden kiinstleri- schen Kraft durchgearbeitet. Man sieht, dass es ihm Ernst um seinen Gegenstand war und so ruht denn auch in ihm eine eigen- thiimliche Giuth der Empfindung, wie wir ihr so haufig bei ahn- lichen Werken Alterer Meister begegnen. Eine Copie dieses Bildes, in gleicher Grésse mit dem Original, fertigte der Kinst- ler auf Bestellung des Consuls Boker und wird dasselbe Diis~ seldorf bald verlassen, um nach Amerika zu gehen. Kleinere Bilder des Prof. Mitcke (ein segnendes Christkind, und das Gastmahl des Herodes), so wie ein Bild von Fried. Becker (Esther auf dem Gange zum Kénige Ahasverus) und eine sitzende Madonna mit dem Christkinde auf dem Schoosse von G. Berg- mann, beschliessen die Reihe dieser Darstellungen. Um die Leistungen der Diisseldorfer Schule auf diesem Gebiete in ih- rem ganzen Umfange kennen und wirdigen zu lernen, miisste man einen Blick rheinaufwarts thun, wo in Remagen seit be- reits mehreren Jahren die bedeutendsten Reprasentanten kirch- licher Malerei beschaftigt sind, die in der Nahe gelegene, vom Grafen Firstenberg gegriindete und durch Zwirner erbaute Apo- linariskirche mit Fresken zu schmiicken. Ich schweife aber um so weniger ab, als dem Kunstblatte, wie ich hére, eine ausfiihrliche und gewiss gediegene Besprechung dieser herrli- chen Kunstschépfung von anderer Seite zugehen wird. ) Um vieles grésser, als in den bisher besprochenen Gat- tungen ist die Zahl der Genrebilder, und unter ihnen nur etwa drei, die man mit dem etwas zweifelhaften Namen eines , hi- storischen Genre“ bezeichnen kénnte. Diese letzteren sind von Des Coudres (Franzeska di Rimini, nach Dante, lebensgrosse Figuren, Kniestiick, in zierlichen und reich behandelten Stoffen), Clemens Bever (Correggio und seine Familie) und Geselschap (die Christbescheerung). Das letzte Bild nenn’ ich hier, weil ich es, offen gestanden, anderswo nicht unterzubringen weiss ; es geht aber gar oft so mit wahrhaft gediegenen Kunstwerken. Man sollte dergleichen, unbekiimmert um das, was es darstellt, eben nur unter der Rubrik wahrer Kunstwerke zusammen- 1) Dies ist bereits geschehen und wird dieselbe baldigst zum Abdruck kommen. D. R.