nen, es kame aus der Werkstatt eines tiichtigen durchgebildeten Meisters. Hierin scheint mir indess eine gefahrliche Klippe fir den jungen Kiinstler zu liegen, die nur durch ein angestreng- tes eifriges Studium der Natur und ihres organischen Zusam- menhanges vermieden werden kann. Bei dem grossen Talent fir lebendige und charakteristische Auffassung, bei dieser gros- sen Leichtigkeit der Technik und dem aussergewohnlichen Sinn fir Farbe, gefallt man leicht sich und Anderen, und was bisher als charakteristisch erfreute, artet leicht zur Karrikatur und Uebertreibung aus. Dieses Bild berithrt, bei allen seinen an- erkannten Vortrefflichkeiten, schon die Grenze. — Mége der Kunst dieses Talent erhalten bleiben und Selbsterkenntniss, Fleiss und Ausdauer das Ausserordentliche fortbilden helfen. — Zu den fleissigen und tiichtigen Genremalern, die Disseldorf auf- zuweisen hat und die sich vornehmlich mit gemiithlichen Dar- stellungen aus dem Leben der Landleute beschaftigen, gchdren Kinstler wie L. E. B6ttcher (Sonntag-Morgen), Alfred Brei- tenstein (Spaiziergang durch die Saat am Sonntag - Nachmit- tag u. s. w.), ferner F. Wieschebring (die kleinen Reiter, ~ der Abschied), Jos. Hong u.s.w. Ausserdem ist zu erwih- nen ein zierlich gemaltes Genrebild von Boser (Blumenver- kauferin) und ein hiibsch componirtes und solid durchgefiihrtes Bild von Ph. Lindo (die Ueberlistung). — Zehn Bilder von A. Tidemann, ausgefihrt im Auftrage des Koénigs Oskar von Norwegen und Schweden, Darstellungen aus dem norwegischen Bauernleben enthaltend und zur Dekoration eines Frieses im Speisesaal der kéniglichen Villa ,Oskars—Hal“ bestimmt und im Katalog verzeichnet, hatte ich nicht Gelegenheit zu sehn. — Ein mit grosser Achtung vor der Natur und mit Liebe fiir die Sache durchgefiihrtes Bild (ruhende Kinder, lebensgrosses Knie- stiick) war die erste gréssere Arbeit eines hier studirenden jingeren Kinstlers, Wraske, und verdient der alle Achtung gebietende Fleiss des Malers gerechte Anerkennung. — Unter den Damen, welche die diesmalige Ausstellung bereicherten, zeichnete sich vor Allen Frau Wiegmann in einer nach dem Riickert’schen Gedichte: ,Nal und Damajanti* componirten Figur der Damajanti, sowohl durch Composition und Farbe, wie durch grazidse Zeichnung aus. Fraw Wiegmann ist glicklich in der Wahl ihrer Stoffe, sie kennt zu genau die Grenzen, innerhalb welcher sich eine ,weibliche Kunst* zu bewegen habe, als dass sie sich durch ein Streben nach dem, was dariiber hinaus liegt, verleiten liesse, ihre kimstlerische Kraft auti’s Spiel zu setzen. Wir haben Beispiele, wo mit aussergewohnlichem Ta- lent begabte Damen an dieser eben angedeuteten Klippe schei- terten, indem sie, unvorsichtig genug, sich aus dem, ihnen eigenthiimlichen Kreis hinausbewegten. (Fortsetzung folgt.) MRadirung’. glicklich aber auch die, welche den vollen Farbenzusammen- klang und die schwungvolle Melodie der Formen, die auf und in demselben ruht, in ihre Werkstatt tragen und auf’s Neue produziren kénnen. Von diesen ist der Maler vorwiegend Har- moniker, die Melodie beschaftigt mehr den Zeichner. Nur in der Begleitung der Grundténe des Akkords giebt dieser haupt~ sichlich die rythmische Bewegung der Linien, das Ancinander~ reihen lieblicher Formen wieder. Bei jenem herrscht die Farbe vor, bei diesem die Form. Es ist interessant, sich zu erinnern, wie bei Kolbe in seiner erst spater hervorgetretenen Beschif- tigung mit der Kunst und mit der landschaftlichen Darstellung in derselben, die Hinneigung zum Reproduziren der Formen- bildungen der Natur, die ihn niemals zum Ergreifen des Pin~ sels fiihrte, im engen Zusammenhange zu stehen scheint mit seiner Richtung in seiner friheren Beschaftigung, der Sprach- forschung. So wie er auch hier mit Eifer nach den natir- lichen Entwickelungsformen und Verzweigungen suchte und zwar in der Muttersprache, so verfolgte seine Radirnadel die Auspragung der natiirlichen Formen der landschaftlichen Ele- mente, die er zu einem Bau zusammenkomponirte, der, ahnlich wie der Bau einer Sprache, im Stande war, den kiinstlerischen Gedanken wiederzugeben, den seine harmonisch gestimmte Seele aus der Jandschaftlichen Natur da draussen geschépft hatte. Und wieder sind es die Baume des Mutterlandes, sind es unsere deutschen Eichen, die er mit Vorliebe und mit dem klarsten Verstindniss ihrer innersten Eigenthiimlichkeit zum Gegenstand seiner Arbeiten gemacht hat. Kolbe, obschon Berliner von Geburt, lebte in Dessau. Die saflig~frische. Pflanzennatur in der dortigen Gegend, der schéne Laubwuchs scheint alle Materialien und Bedingungen zu einer Poussin’schen Landschaftsmalerei angehauft darzubicten. Durch das Ganze zieht sich, hier mehr, dort weniger hervortretend, der bildnerische Einfluss einer friheren, stellenweise nicht un- malerischen Geschmacksrichtung, die sich in den Parkanlagen zu Worlitz und Dessau zu bestimmten Schépfungen ausgeprigt findet, und die sich ailmahlig in weitere Umkreise unter die tiberquellenden Naturgedanken der freien landschaftlichen Ent- wickelung verliert, welche tiberhaupt im Laufe der Zeit friihere Anordnung und Regel verwischt hat. Dies war das Buch, aus welchem Kolbe seinen kinstlerischen Empfindungen Ausdruck zu geben lernte. Das vorliegende (dritte) Heft ist die Fortsetzung eines Unternehmens, welehes beabsichtigt, eine Sammlung von den vorziiglichsten Arbeiten Kolbe’s in neuen Abdriicken zu geben. Ihre Rechtfertigung findet eine solche erneuerte Herausgabe eines Theiles der Radirungen des Kiinstlers einmal in dem an- erkannten und mustergiiltigen Werth, den diese Studienresultate — schon als Studien fiir Andere — haben, andererseits in der Vereinigung des Ausgewahlten zu einem Ganzen. Die 8 Blatter dieses Heftes bieten gegen 20 Eichen-Por- trats dar. Wir nennen diese herrlichen Baumzeichnungen so, weil sie, ausserdem dass sie in jedem Strich die Gattung cha- rakterisiren, einen unendlichen Reichthum individueller Mannig- faltigkeit aufdecken. Und dennoch hat Kolben niemals der ein- zelne Baum zum Portratiren gestanden, oder vielmehr Kolbe hat den Baumen nie gesessen. Er begnigte sich, immer auf seinen Wanderungen und Spaziergingen die Natur scharf in’s Auge zu fassen und sich ihre Erscheinungen fest in’s Gedacht- niss zu prigen. Daher sind denn auch seine Schépfungen nicht kalte und minutidse Nachahmungen, sondern, was er zeichnete, war warm geworden in seiner Seele und was in ihr haften ge- blieben war auf den Waldgangen, das waren eben die Formen, welche die Trager des poetischen Reizes sind. Es gehérte jene weise Selbstbeschrankung dazu, der Kolbe sich hefliss, dass er Auswahl landschaftlicher Radirungen von C. W. Kolbe. Drittes Heft (8 Blétter). Berlin 1850. Verlag von Dietrich Reimer. Gr. Queer-Fol. Pr.: § Thir. 10 Sgr. Ich glaube, es giebt wenige Menschen, die, unter dem Eindruck landschaftlicher Scenerien nicht ein Gefiihl von musi- kalischer Harmonie empfinden und durch deren Seele dann nicht eine machtige oder liebliche Melodie zige, wie ein Ausdruck der halb getréumten, halb gedachten Gedanken oder Empfin- dungen, welche draussen im steten Wechsel das Innere aus- fiillen und beschaftigen. Gliicklich die, welche , beseligt von dem Wundervollen in sich des Liedes Segen heimtragen* — wie Uhbland sagt — oder es in TOnen aussprechen kénnen;