sagte und dabei aus eigner Erinnerung noch viele denkwirdige Ziige des Verherrlichten in seine rihrende Rede flocht. Die Feier war beendet, und wir haben nun Zeit mit der versammelten Menge uns das Denkmal von allen Seiten zu be- trachten. Gleich der erste Eindruck ist wohlthuend durch die grosse, mit Wirde und Bedeutsamkeit verbundene Natiirlichkeit. Wie ein Lebender steht Herder vor uns, wie Er selbst, unge- zwungen und unbefangen, und doch hat die Erscheinung nichts Momentanes, Zufalliges, sondern der ganze Charakter liegt in der Haltung, in der Bewegung eine ganz bestimmte Empfindung. Freiheit und Selbstindigkeit mit Feinheit und Milde зрге- chen aus der Gestalt, Scharfblick, Klarheit des Denkens und Begeisterung aus dem Anitlitz, Innigkeit und Wahrhaftigkeit aus der Hand, die an das Herz als die Quelle scines Handelns sich anlegt. Mit der Bildnissihnlichkeit war man allgemein sehr zu- frieden. Eine der ungeldsten Streitfragen bei allen modernen Bildnissstatuen Dildet das Costtim. Eigen! Bei antiken oder mittelalterlichen Gestalten steigt nie der mindeste Zweifel auf; es fallt Niemandem ein, bei ihnen von der Wahrheit abzuwei- chen; nur cinen Menschen aus unserer Zeit umgeben wir — wie einen Bergschotten in guter Gesellschaft — mit idealen Feigenblattern. Das grésste ist ein grosser Mantel, das unpas- sendste die antike Toga mit angehangten Sandalen und sonsliger Garderobe fiir die Maskerade. Man michte fragen, erschrickt der Kiinstler nicht, der einen grossen einer bestimmten Zeit uhd Nation angehérigen Mann seiner Zeit und seiner Nation entrickt und uns zwingt, ihn als den Birger einer fernen, ganz fremden zu betrachten? Erkaltet doch schon die Staats- uniform, geschweige cin Redoutenanzug des Vaters die Liebe und das Zutrauen des Kindes! Das hat man von Seiten der Kiinstler vielfach erkannt; um aber doch tiber die Kluft des Periicken-, Zopf-, Haarbeutel- und Frack~Costiimes hinitber za kommen, hat man die Mantelfiguren erfunden und mit gros- sen Draperien alles Missliebige verhingt. Erst seit Rietschel mit seinem Lessing gezeigt hat, dass das moderne Costiim kein Hinderniss sei, dass wenn der Charakter erfasst, die Dar- stellung -lebendig und wahr, dazu jede gerechle Anforderung an Maass, Form und Zusammenhang befriedigt ist, das Costiim und sein Auffallendes ganzlich verschwinde, oder sogar die Gestalt ausdrucksvoller mache, kann man annehmen, dass alle affectirte Scheu bei unsern Kiinstlern tberwunden sein und bei Bildnissstatuen nicht mehr Schonheit auf Kosten der Wahrheit vergeblich gesucht werden wird. Ich komme auf diese Bemerkung nicht darum, weil unsre Statue mit einem Mantel bekleidet ist, sondern weil mehrfaltige Aeusserungen gegen denselben laut wurden, wie ich glaube — mit Unrecht. Schaller hat sich bei der Statue Herder’s durch- aus an die ihm tibliche Tracht gehalten, vom Haarzopf und den gerollten Seitenlocken bis zu den kurzen Beinkleidern und Schu- hen mit Schnallen. Den Mantel (auch nach dem Zeitschnitt ge- formt) wahlte er aber, weil durch die Feierlichkeit, welche die langen Linien und grossen Flachen desselben der Gestalt geben, Herder’s Charakter als Geisllichen wenigstens andeutungsweise entsprochen wurde; wihrend der Priesterrock, den Einige ge- wiinscht haben, ihn offenbar nur als Geistlichen bezeichnet hatte. Es musste aber dem Bildhauer ganz besonders daran liegen, schon durch das Aussenwerk seinen Mann in seiner universalen Bedeutung, als Gelehrten und Dichter, als Prediger und Er- zieher zu kennzeichnen. Und das ist ihm gelungen. Aber noch mehr: auch das Schéne zum Charakteristischen. In der Bewegung der Gestalt und ihrer Glieder, in dem Zug der Linien, in dem Verhaltniss der Flachen und Briiche herrseht die wohlthuendste Uebereinstim- mung, und zwar nicht nur von einer Seite (obwohl dic Ansicht Kanzel, von welcher Herder so vicle Jahre lang Worte des Le- bens verkiindiget, wurde nun sein Gedachtniss gefeiert, und von dem Diaconus Fiege auf seine Verdienste als Schrifisteller und Dichter, als Prediger und Seelsorger, auf seinen Werth als. Mensch in schlichter aber ergreifender Rede hingewiesen. Nach dem Gottesdienste ordnete sich der Festaug vor dem Rathhaus unter Vorantritt der Birgerwehr. Den Zug erdffneten die An- gehérigen Herder’s, naimlich der Staatsrath Stichling und meh- rere andere Enkel des Gefeierten (die greise Tochter Herder’s und die andern Frauen halten sich nach der fiir sie bestimmten Tribiine auf dem Platz des Denkmals begeben). Ihnen folgte Schaller mit den tibrigen Arbeitern des Monumentes, der Stadt- rath, der Herderverein und Festausschuss; sodann Deputirte des Ministeriums und aller Hof- und Staatsbehérden, desglei- chen der kirchlichen und Unterrichts - Anstalten, der Loge, der wissenschaftlichen und Kunst- Institute, auch der Buchdrucker- schaft; Zunftmeister mit Fahnen waren durch den ganzen Zug yertheilt. Die Hauser am Kirchplatz und in den angrenzenden Strassen waren mit Blumen und Laub bekranzt, der Platz selbst von Biirgerwehr hesetzt. Auf cinem eigens dafiir erbauten Balcon halien die héchsten Herrschaften Platz genommen, ihnen zur Seite unterhalb, die Angehdrigen Herder’s. Nachdem der Zug auf dem Platze angekommen, ward die Feier durch eine yon Liszt componirte musikalische Introduction erdffnet. In kraftiger Rede, mit lauter, klangvoller Stimme sprach nun Hof- rath Sch6ll von der Tribiine zu dem versammelten Volk, das weithin den Platz und die Strassen bedeckte, aus allen Fen- stern schaute und selbst durch die gedffneten Dacher hervor- зав. Schéll sprach von Herder’s Wirkung auf seine Zeilge- nossen, von der nach seinem Tode in andere Geleise tberglei- tenden Bewegung und endlich von der neuerwachien Theilnahme des Enkelgeschlechtes an den grossen, wenn auch selbst nicht in ihrem ganzen Umfange gekannten Leistungen und an den allgemein fasslichen, edlen Bestrebungen Herder’s ftir Vollen- dung reiner Menschlichkeit; einer Theilnahme, der man unmit- telbar das heutige Fest verdanke. Er gab sodann eine kurze Geschichte der Entstehung und Herstellung des Denkmals und rihmte die warmen Bemiihungen des verstorbenen Geh. Rath Miiller um dasselbe, so wie die bedeutenden Gaben Einzeiner, und machte darauf aufmerksam, als auf die Zeichen der in der deutschen Nation iiberall wirksamen Sinnesgemeinschaft, einer tief inneren Einheit des Wollens. Wahrend des nun folgenden Chorgesanges (von Scholl und Liszt), welchem Herder’s Wahlspruch: ,Licht! Liebe! Leben!* zu Grunde gelegt ist, wurde die Statue enthillt. Ich habe diesen Moment schon 6fters erlebt — er ist immer er- greifend. Hier wurde er besonders riihrend, nicht allein durch _ die Anwesenheii so vieler nichsten Anverwandten des Verherr- lichten, sondern durch die Zeichen lebendiger Theilnahme von Seiten der Festversammlung. In dem Augenblick als der Mantel fiel, traten von allen Seiten die Kinder aus dem Zuge hervor, bewarfen die Statue mit Blumenstraussen und legten ihre Kranze zu ihren Fiissen nieder, so dass sie im Nu wie in einem Dli- henden Garten stand. Schéner und zugleich dramatischer konnte das allgemeine Gefihl beim Anbliek der Statue nicht ausge- sprochen werden. Nach beendigtem Chorgesang wurde die Schenkungs-Ur- kunde vom. Hofrath Schéll laut verlesen und von dem Stadtdi- rector Hase in Empfang genommen und die Statue der Achtung und: dem Schutz der Stadt Weimar empfohlen. Nachdem dic Urkunde noch von den anwesenden Mitgliedern des grossher- zoglichen Hauses unterschrieben worden, wurde die Feier ge- schlossen, indem der Geh. Kirchenrath Horn, der hochbejahrte, ehrwiirdige Schiiler Herder’s, den Weihespruch iiber die Statue