_geschlossenes Werk sind. Der Rahmen ist bei ihnen das Fen- ster, durch das man in die Natur hineinschaut. Norwegen mit seinen gigantischen Felsmassen und riesigen Tannenwaldern, seinen Wasserfallen und Gebirgsstrémen ist das Land, aus dem sich Leu den Stoff fir seine Darstellungen heriiberholt. Durch- aus eingeweiht in die Eigenthimlichkeit der dortigen Natur, wahlt er sie ausschliesslich zu seinen Compositionen. — Durch die, bis zur hohen Vollendung gesteigerte, rein naturalistische Auffassung und Darstellung sind seine Bilder Jedem auf den ersten Rlick verstandlich, und so hat der Kistler nicht nur bedeutende materielle Erfolge seines Strebens, als auch eine nicht unbedeutende Zahl von Kinstlern ihm sich anschliessen. Unter diesen gehen einige so weit, dass sie ihn bis zu Tau- schung copiren und fehlte diesen Letzteren nicht eben das, was die Werke von Leu so hochstellt, dies aussergewohnliche Stu- dium der Natur, welcher Mangel bei jenen Werken durch we- niger feine und detaillirte Zeichnung in Form und Farbe fihlbar wird, so kénnte man beim ersten Anblick versucht werden, sie mit Arbeiten von Leu zu verwechseln. Zu den Werken, die dieser Richtung entsprechen, gehéren Bilder von J. W. Lindlar und F. Hengsbach — ferner zeigt sie sich in einzelnen Wer- ken von Leonh. Rausch, Th. Nocken (Felsen an der Lahn), Kalkreuth u.s.w. u.s.w. — Dass sich nicht alle Arbeiten hiesiger Landschaftsmaler auf diese Art rubriciren lassen und dass es neben diesen niher bezeichneten Richtungen einzelne mehr oder weniger eigenthiimliche Kiinstler giebt, die ihren eig- nen Weg verfolgen, liegt in der Natur der Sache, und so weist denn die Ausstellung Bilder von G. Lange, L. Scheins, A. Schulten, W. Portmann, P. Happel u.s. w. auf, die ihren bereits friher eingeschlagenen Weg consequent verfolgen. Unter den Architekturstiicken, deren Zahl geringe, be- hauptet ein Bild (Michelswerf in Gent) von G. Pulian, beson- ders was genaue und korrekte Zeichnung (die hier freilich etwas an Harte streift) und sauberes Colorit anbetrifft, den er- sten Rang. Hin mit Talent gemaltes Bild von L. Tacke (das Innere des Domes zu Halberstadt) ist weicher, aber auch we- niger korrekt gezeichnet. Ein kleines sauberes Bildchen von v. Bayer und ein mit viglem Gefiihl fir Farbe gemalles Bild yon J. Minjon (Isenburg an der Sayn) beschliessen die kleine Reihe dieser Darstellungen. _ Seestiicke von A. Achenbach hat die Ausstellung nicht aufzuweisen und die ausgestellten lebendig behandelten und mit Fleiss durchgefiihrten Bilder der Art von H. Mevius miis— sen diesmal den Arbeiten von F. Hiinten in Bezug auf Wir- kung und Behandlung nachstehn. Seit dem Tode des Stilllebenmalers Lehnen sind es vor- nehmlich Wilms und J. W. Preyer, die diese Gattung der Malerei hier reprasentiren. Von Ersterem enthalt die Ausstel- lung nichts, von Preyer hingegen ein zierlich durchgefiihrtes, mit naturwahrer Frische gemalies Fruchtstiick. — Holthau- sen (nicht im Katalog verzeichnet), der in demselben Genre arbeitet, zeichnet sich durch grossen Fleiss in der Ausfihrung des Einzelnen aus, doch fehlt es, zum wenigsten dem hier aus- gestellten Bilde (gesotiene Krebse in einer schwarzen polirten Marmorschiissel u. s. w.), an einer Gesammtwirkung, wie wir sie an einem Stillleben von F. Bée aus Norwegen, gegenwir- tig in Paris lebend, gewahren. An Werken, die ausser dem Gebiete der Oelmalerei lie- gen, ist die hiesige Ausstellung arm. Unter den Zeichnungen gehéren vier Composilionen von Friedrich Overbeck in Rom, fiir den Kupferstich bestimmt, zu den geistreichsten von den ausgestellten Arbeilen dieser Gattung. Sie stellen dar: die Er~ weckung des Lazarus -— Barrabas dem Herrn vorgezogen — das Gleichniss der schlechten Saat und das Gleichniss der Jung- zufiihlen und mitzuleben, was er durch ihn beabsichtigte. Dass zwei Kiinstler wie diese ohne eigentliche Nachfolge geblieben sind, liegt in ihrer aussergewohnlichen Begabung, in dem ge- wissen ,Etwas“, was sich eben nicht lernen noch nachahmen 14355, — Denn selbst die Bilder von Oswald Achenbach, von Albert Flamm u. A., die manches, dem Andreas Achen- bach Aechnliche beabsichligen, stehen ihm sowohl in der Auffassung wie Darstellungsweise der Natur unendlich fern, wenngleich ihre Werke als vorztigliche Productionen zu be- trachten sind. Als die Reprasentanten der drei oben angedeuteten ver- schiedenen Richtungen méchte ich die durchaus selbsténdigen Kiinstler, Prof. Schirmer, A. Weber und A. Leu bezeichnen, Schirmer, besonders in seinen italienischen und oft auch in der Darstellung nordischer Compositionen, strebt vor allem, ich méchte sagen, das Plastische der Landschaft zu erfassen. Begabt mit einem hohen Sinn fir Schénheit der Linie und Form, erhalten seine Compositionen eine edle Gesiall. Bei seinem tie~- fen Eingehen in die Einzelheiten der Natur weiss er dennoch das Unbedeutende von dem Wesentlichen zu sondern und hier- durch bewahren seine meisten Werke immer etwas Grosses und Erhabenes, das sie, bei der Tiefe der Empfindung fir Natur- schénheit und Stimmung, besonders auszeichnet. — Diese Rich- tung verfolgen eine nicht unbedeutende Zahl geiner Schiler, unter denen sich auf der hiesigen Ausstellung besonders ein jiingerer Kiinstler, Aug. Kessler, durch eine im obigen Sinne componirte, grosse Landschaft auszeichnet. Andere hieher zu zih- zahlende Kiinstler haben mehr oder weniger Bedeutendes geleistet und Bilder von H. Ludwig, Aug. v. Wille verdienen gerechte Anerkennung. — Alles zu nennen, wiirde zu weit fiihren. Als zweiten Reprasentanten einer bestimmten Richtung nannte ich A. Weber. Er sucht vor allem das poetische, gei- stige Element der Landschaft durchzubilden. thm ist es bei méglichster Treue gegen die Natur hauptsachlich um ihre Seelensprache zu thun. Das letztere ist inm Hauptsache, und in dem Streben, durch seine Compositionen einen bestimmten gei- stigen Ausdruck zu gestalten, opfert er manches Aeusserliche, ihm Nebensichliche, dem Grundgedanken. Seine landschaltlichen Darstellungen greifen unendlich tief in das Gemiith des Be- schauers und sprechen um so deutlicher zu unserm Geiste, аа. er es versteht, ihnen eigenes inneres Leben zu yerleihen, sie zu individualisiren. Auch er verbindet hiermit ein Streben nach schoner Form, doch ist sie ihm weniger Zweck als vielmehr Trager eines bestimmten geistigen Gehaltes. Die Zahl derje- nigen Kiinstler, in deren Bildern ein ahnliches Streben sicht- bar wird, ist weniger gross und unter ihnen nimmt, so viel es mir scheint, ein jimgeres ausgezeichnetes Talent, Alexander Michelis, mit seinem Bilde ,heranziehendes Gewitter “ den ersten Rang ein; hieran reihen sich Bilder von weniger bestimmt ausgepragtem Charakter von H. Koch (Mondschein), B. Wolff u. s. w., einzelne Bilder von Wilh. Klein und Leonh. Rausch, yon denen der Letztgenannte indessen mehr die durch A. Leu reprasentirle Richtung verfolgt. Diesem ist es hauptsachlich um die reine Wirklickkeit zu thun. Er ist durchaus Naturalist und giebt dic Natur, wie sie eben jedem Auge erscheint, ohne bestimmle Absicht, eine besondere Wirkung auf die Seele des Beschauers ausiiben zu wollen. Seine Bilder sind gewisser- massen Spiegelbilder der Natur. Ihm ist in derselben nichts 30 unbedeutend, um es nicht fir seine Darstellung verwenden zu kénnen, und so fihrt er denn auch seine Bilder, ohne des- halb kleinlich zu erscheinen, bis in die kleinsten Details aus, wobei ihm eine ausserordenlliche technische Gewandtheit zu Hilfe kommt. Seine Bilder gleichen mehr einem Ausschnitt aus der Natur, als dass sie ein im Rahmen componirtes in sich