der Kunst und ibrer Geschichte werden dem letziteren eine um so lebhaftere Aufmerksamkeit zuwenden, als der Verfasser gerade in denjenigen Epochen, welche dieser neue Band behandelt, — in denen des eigentlichen Mittelaliers, — schon so Bedeutendes geleistet hat und es auch in den einleitenden Worten geradehin ausspricht, dass er an diesem Zeitraume mit Vorliebe hangt. Ich will versuchen, hier eine kurze Uebersicht des reichen Inhaltes zu geben und dabei zugleich das Eigenthiimliche derjenigen Punkte, welche mir vorzugsweise bedeutend erscheinen, her- vorzuheben. Ich werde hie und da freilich auch Punkte be- rihren, in denen meine Auffassung von der des Verf. abweicht und ich der letzteren enlgegen zu treten gendthigt bin. Die Verschiedenheit unsrer beiden Standpunkte ist wohl schon fri- her, wenn einer von uns die Arbeit des Andern besprach, be- merklich geworden; es ist mir hier vielleicht verstattet, sie vorweg mit einigen Worten naher zu bezeichnen. Ich habe mich gewoéhnt, und ich hin durch den fortgesetzten Verkehr mit der Kunst allerdings immer mehr dahin gefiihrt worden, die kiinstlerische Erscheinung méglichst naiv und geradeaus auf~ zufassen, die Bedingung ihrer Existenz méglichst in ihr selbst zu suchen, ihre Eigenthtimlichkeit moglichst einfach aus den zunachst liegenden Motiven zu erkléren; wahrend Hr. Schnaase die individuelle Kunst-Erscheinung méglichst auf ihre allge- meinen Griinde, und Bedingungen zuriickfiihrt, wahrend er gern dem feineren geistigen Fluidum der Zeiten nachgeht, aus den geheimnissvollen Stromungen solcher Art den Gestaltungspro- cess zu entwickeln und, soweit dies thunlich, zu rechtfertigen sucht. Der eine Standpunkt hat vielleicht etwas von dem des Praktikers, der andre von dem des Theoretikers. Ohne Zweifel haben beide ihr Recht und werden sich gegenseitig oft von gutem Nutzen sein. Ich bin also gewiss fern davon, dem letz- teren Standpunkle seine Giltigkeit streitig zu machen, am we- nigsten fiir das Mittelalter, wo jenes Bedingende nicht selten von wesentlicher Bedeutung ist (ein Umstand, der vielleicht dazu beitragt, die besondre Vorliebe des Verfassers fiir das Mittelalter zu erkléren). Nur sind eben Einseitigkeiten méglich. Und wenn ich zugebe, dass man aul dem ersten Standpunkte in Gefahr kommen kann, zu derb zu sein und zu wenig zu geben, so darf auch die fiir den zweiten Standpunkt vorhandene Gefahr, -—- gelegentlich zu fein zu sein und zu viel zu geben, — nicht ausser Acht gelassen werden. Der vierte Band des Schnaase’schen Werkes ist, wie an- gegeben, dem eigentlichen Mittelaller gewidmet. Die vorlie- gende erste Abtheilung hat es mit der Charakteristik der mittelalterlichen Kunst in ihren Grundziigen zu thun, in- dem die geschichtliche Durchfiihrung des Einzelnen, nach Gat- tungen und Landern, einer spdteren Fortsetzung vorbehal- ten bleibt. Ein einleitender Abschnitt (von 114 Seiten) giebt ein allgemeines Bild der mittelalterlichen Lebensbedingungen. Der Verfasser hat schon in den friheren Banden seine volle Mei- sterschaft in der Ausfihrung von culturgeschichilichen Rund- gemalden solcher Art dargethan. Die Resultate gelehrter For- schung bringt er in diesen Aufsatzen zur flissigst belebten Ge- stalt, die Zerstreutheit der einzelnen Theile zum innerlich be- dingten, anschaulich klaren Ganzen. So vorzugsweise in der eben genannten Einleitung, die das ganze Planum vor uns auf- rolit, auf welchem das Gebaude der miitelalterlichen Kunst, in seiner Grésse und seinen Eigenthiimlichkeiten, emporwachsen sollte. Wir sehen aus dem (freilich widerspruchvollen) Grund- gedanken des Mittelalters, ,das Reich Gottes sichtbar auf Er- den herzustellen“, aus dem Wachsen desselben in den Conflicten zwischen volksthiimlichem Naturdasein, germanisch nationalem Streben, antiker Tradition und chrisilicher Offenbarung das We- frauen. — Mit Kohle, in Schraffirmanier auf weissem Papier gezeichnet, gehdren sie zu den stylvollen und vorziiglichen Leistungen des Meisters. Eine in gewisser Beziehung nicht minder interessante Composition aus der Offenbarung Johannis, Cap. 17, vom Prof. Micke, gehért mit in die Reihe der hier zu erwahnenden Produktionen. Im Kupferstich zeigt die Aus- stellung eine Arbeit von B, Bartoccini in Rom (Petri Ver- laugnung des Herrn, nach einer Zeichnung von Fr. Overbeck). Von Disseldorfern Kinstern hatte Franz Keller (Weide meine Lammer, nach einer Zeichnung von Fr. Overbeck); Fr. Ludy (Ave Maria — die Beschneidung Johannis, beides nach Zeich~ nungen desselben Meisters), u. A. Arbeiten eingesandt. Eine Schule fiir die Skulptur besitzt die Disseldorfer Akademie nicht; dennoch hatte ein hiesiger Kiinstler, ausser mebhreren Studien, eine lebensgrosse, stehende Madonna mit dem Christkinde auf dem Arm, eine etwas dekorativ behandelte Arbeit, ausgestellt. Ausserdem sah man vom Prof. Rietschel in Dresden mehrere geistvoll behandelte Reliefs und die kleine, den Lesern dieses Blattes bereits durch den Holzschnitt be- kannte Statueltte Ephraim Lessing’s. Ehe ich diesen Bericht tiber die Ausstellung schliesse, muss ich einen Kiinstler nennen, der sich durch ein zartes Gefiihl fiir schéne Formen und durch einen feinen Sinn fir grazidse Composition auszeichnet. Es ist der Maler Mintrop. Noch vor etwa sechs Jahren Bauer in der Nahe von Werden, beschaf- ligte er sich damals, wahrend seiner landlichen Arbeit, seines Talenles unbewusst, mit Nachzeichnen untergeordneter Werke der Kunst und dem Entwerfen eigener Ideen. Nachdem man in Diisseldorf auf sein eigenthiimliches und aussergew6hnliches Ta- lent fiir die Composition aufmerksam geworden war, nahm man sich ‘seiner dort an und, ihn zum Schiller der Akademie bestim- mend, verschaffle man ihn so viel wie mdglich die Mittel zur wei- teren Ausbildung. Auf der Ausstellung befand sich von ihm eine, nicht im Katalog verzeichnete, figurenreiche Composition in Blei- stiftzeichnung, die die Aufmerksamkeit jedes Freundes und Ken- ners der Kunst auf sich ziehen musste. Sie enthalt die Darstel- lung des fruchtbaren Jahres. Allegorisch, in Arabeskenform be- handelt, belebt durch eine Menge reizender Kindergruppen, wor- unter wahrhaft Raphaelische Motive, ist diese Zcichnung einzig in ihrer Art, und es méchten sich in unserer Zeit nicht leicht viele Talente finden, die auf eine so sinnige und zarte Weise, ver- bunden mit solcher Innigkeit und solchem Ernst fiir die Sache, eine so schwierige Aufgabe so zu lésen verméchten. Mintrop ist ein Talent, das bei ferner angestrengtem Fleisse und rich- tiger Leitung zu den gréssten Hoffnungen berechtigt. Moge er als ursprtinglicher Schiler Disseldorfs seiner Schule Ehre machen und den gerechten Ruf derselben erhéhen helfen. ПЕ его те. Geschichte der bildenden Kiinste von Dr. Carl Schnaase. Bd. 4, Abtheilung 1. (Auch unter dem hesonderen Titel: Geschichte der bildenden Kiinste im Mittelalter; Bd. 2: das eigentlche Mittelalter; Abth. 1.) Diisseldorf,, Verlagshandlung von Julius Buddeus. 1850. 417 Seiten in 8. Von Е. Kugler. Nach einer Pause von sechs Jahren ist von dem umfassen- den Werke, welches die Ueberschrift benennt und welches in seinen friheren Theilen sich bereils einer allgemeinen Aner- erkennung erfreut, ein neuer Band erschienen. Die Freunde