Im Spatsommer 1843 war der Bau so weit vollendet, dass die Malerei begonnen werden konnte. In diesem Augenblick ist dieselbe so weit vorgertickt, dass nur noch ein Paar Bilder zu vollenden tbrig sind, was ohne Schwierigkeit im kinftigen Jahre erfolgen wird. Um den ganzen Organismus der tief-bedeutsamen, maleri- schen Ausschmiickung einigermassen iberblicken zu kénnen, ist es erforderlich, die innere Gestaltung der Kirche zu ver- anschaulichen. Der Grundriss bildet cin griechisches Kreuz, dessen dst- licher Arm mit einer eckigen Chornische schliesst und dessen westlicher, um die Tiefe der Orgelbihne verlangert, den Haupt- eingang enthalt. Zwei grosse Fenster — das eine tiber dem Eingange dem Chore gegeniiber, das andere in der Giebelwand des siidlichen Kreuzarmes — und zwei kleinere im Chore beleuch- ten das Innere. In der Langenrichtung bietet die Kirche, ausser den schmalen Feldern der Orgeibtihne, auf jeder Seite drei mit dieser Richtung parallele Wandflachen von gleicher Grésse dar, von welchen nur die mittlere auf der Siidseite durch ein Fen- ster durchbrochen ist. Die zur Linken des Eintretenden ent- halten Darstellungen der Hauptmomente aus der Geschichte Jesu, die zur Rechten solche aus dem Leben der h. Jungfrau, und zwar jede Wand ein Hauptbild (mit tiberlebensgrossen Figu- ren) und unter demselben kleinere auf Goldgrund (deren Figu- теп ем а 2 Lebensgrésse haben). Die Malereien an dem Ar- cus triumphalis und im Chore sind mehr symbolischer Art und dienen den andern zum bedeutsamen Schluss. Die Gemalde, welche die vier ibrigen, nach der Breiten- richtung der Kirche gehenden Winde der Kreuzvorlagen schmtik- ken, stehen mit dem eben gedachten Cyklus nicht in directem Zusammenhange, sondern beziehen sich zunachst auf den Pa- tron der Kirche, den h. Apollinaris und andere Heilige. Mit diesen, sowie mit der Leitung sammtlicher Dekorationsarbeiten, die in Temperafarben ausgefthrt sind, war Andr. Miller be- auftragt, wahrend die tbrigen Aufgaben die andern oben ge- nannten Maler in der Art unter sich vertheilt haiten, dass die bedeutendsten von Deger und K. Miller, die mehr erganzen- den Bilder aber von Ittenbach tibernommen wurden. Durchwandern wir jetzt die eben beschriebenen Riume zum Zweck der Beschauung der einzelnen Bilder: Ueber dem Eingange befindet sich, wie schon bemerkt wor- den, die Orgelbiihne. Die schmalen Bogenfelder zu beiden Seiten liber derselben sind noch leer, sollen aber die einzelnen Ge- stalten des Kénigs David und der h. Cacilia aufnehmen. Wen- den wir uns dann zunachst zu der linken Seite, so sehen wir hier den Cyklus mit der ,Geburt Christi* von Deger anheben. Dieses Bild ist zur Zeit noch nicht vollendet, wesshalb es — die letzte der bewunderungswiirdigen Arbeiten dieses Kinstlers in der Kirche — hier einstweilen tibergangen werden muss. Unter demselben befinden sich in einem pradellenartigen Felde auf Golgrund ,die Darbringung im Tempel“ und ,Jesus als Knabe unter den Lehrern im Tempel“, beide von Ittenbach. Diese kleinen Bilder sind so sinnig erfunden, so zart und an- sprechend in der Behandlung, dass es zu bedauern ist, dass ein gutes Theil ihres Verdienstes nicht mehr zu wiirdigen sein wird, wenn in Zukunft, nach Beseitigung der Geriiste, diesel- ben nur vom Boden aus gesehen werden kénnen. Treten wir dann weiler dem Chore zu in die Vierung des Kreuzes und richten unsern Blick links auf die Schlusswand des nérdlichen Kreuzarmes, so gcewahren wir eine von Deger’s gelungensten Schépfungen — , die Kreuzigung“. In der Milte des Bildes, hocherhaben iber die umgebenden Gruppen ragt das Kreuz, an welches Christus geschlagen ist. Die edlen For- men, die der Kiinstler dem Leibe des Menschensohnes gege- A3* dem monumentalen Gebiecte der Freskomalerei und in der Richtung der idealistischen Historienmalerei geschaffen wor- den ist. Es liegt hier ausser unserm Zwecke, zu den in mancher Hinsicht sehr verdienstlichen Darstellungen aus der Geschichte des Kaisers Friedrich Barbarossa zuriickzugreifen, welche von Lessing, Miicke und Pliddemann im graflich von Spee’- schen Schlosse zu Heltorf schon vor Jahren ausgefiihrt worden sind. Eher dirfte es angemessen scheinen, auf den Cyklus von Freskogemalden aus der Geschichte Karl’s des Grossen auf- merksam zu machen, an welchem Alfred Rethel, nach den, auf Veranlassung des hiesigen Kunstvereins schon vor mehreren Jahren zu diesem Zwecke von ihm entworfenen, bewunderungs- wiirdigen Zeichnungen, im Kaisersaale des Rathhauses zu Aachen zur Zeit beschaftigt ist, weil dieser Kiinstler seine Ausbildung wesentlich der Diisseldorfer Akademie verdankt. Da er indess in einer spiteren Epoche seiner Entwickelung nach Frankfurt tiber- gesiedelt ist, dort dem Director Veit sich angeschlossen hat und demzufolge nicht eigentlich mehr den Principien der Dis- seldorfer Schule huldigt, so darf diese den talentvollen Kiinstler sich nicht anecignen. Wir wenden uns daher sogleich zu den Wandmalereien in der St. Apollinariskirche ре! Remagen., Auf einem niedrigeren Vorsprunge, welchen die an dem linken Ufer des Rheinstromes sich hinziehende Higelkette bei Remagen bildet, stand friiher eine einfache, aber von Wallfahrern viel besuchte Capelle, welche wegen der in ihr aufbewahrten Gebeine des h. Apollinaris weit und breit in hohem Ansehen stand. Unter der franzésischen Herrschaft sacularisirt, ging sie mit dem zugehérigen Kloster durch die Hande der Gebrider Boisserée in den Besitz des Grafen v. Fiirstenberg-Stammheim itber. Dieser liess die baufallige Capelle, die tbrigens keinerlei Kunstwerth besass, abtragen und an ihrer Stelle mit betracht- lichem Kostenaufwande eine neue Kirche erbauen. Was den Bau als solchen betrifft, so miissen wir uns hier auf die Be- merkung beschranken, dass er von dem Dombaumeister Z wir - ner zu Kéln herriihrt und dass er im gothischen Style und von Grund aus mit Riicksicht auf eine reiche Ausstattung mit Fresko- malereien angelegt ist. Da zu diesem Unternehmen der dem Bauherrn befreundete Director, Dr. v. Schadow, in sehr naher Beziehung stand, und auch die durch diesen zu der Arbeit vorgeschlagenen Maler simmtlich ehemalige Zéglinge der Diisseldorfer Akademie sind, so ist der malerisehe Theil dieser umfassenden Kunstschipfung mit Recht als ein Werk der Disseldorfer Schule — und ohne Zweifel als das bedeutendste derselben — anzusehen. War auch schon anderwarts denjenigen hiesigen Kiinstlern, die fir die Freskomalerei Vorliebe hegten, Gelegenheit zur Bethatigung ihres Talents gegeben worden, so hatte doch keine der friihe- ren Aufgaben ein so umfangreiches, reichgegliedertes Werk gefordert, wie das in Rede stehende. In den Malern Ernst Deger, den Briidern Andr. und Karl Miller und Jos. [ttenbach waren ganz die geeigneten Kiinstler gefunden. Insbesondere berechligte der Erstere durch seine friheren Arbeiten, voll der innigsten Frémmigkeit und yon dem ernstesten Streben zeugend, zu den héchsten Erwar- tungen — auch selbst in Bezug auf die Andern, auf welche sein Beispiel und sonstiger Einfluss nicht ohne Wirkung blei- ben konnte. Einen langeren Aufenthalt in IHlalien haben die Kistler auf das erfolgreichste zu ihren Studien benutzt. Die dort entworfenen Compositionen bestatigien von Neuem die alte Erfahrung, dass, wenn sich nur grosse Aufgaben darbie- ten, die Kiinstler dazu sich von selbst finden.