fihrlich dargethan, dass dies eben nichts als die Statten ein- fachen ztinftigen Beisammenseins waren, die nur, der Natur der Sache nach, unter Umstanden eine etwas strengere Ordnung nothig hatten. Die in moderner Zeit in diese Dinge hineinge- legten freimaurerischen Tréaumereien und Falschungen werden ausgeschieden und das Wesen der Hiittengeheimnisse, abgese- hen von denen, die auf polizeilichen Griinden beruhten, als Dinge dargestellt, die einer noch sehr unbeholfenen Geometrie eben nur eine leichtere praktische Handhabe gaben. Grundzah- len, Grundmaasse und Grundfiguren, Triangulatur und Quadra- tur erscheinen theils als ganz bedeutungslos, theils als dusser- liche Schemata fir den Handwerker, am wenigsten aber als Schlissel fiir das, was nur durch den Geist erschlossen wer- den kann. Wir kénnen hienach allen jenen wiisten Dilettan- tismus wohl als véllig beseitigt ansehen und sind dem Verf. fir das unerquickliche Geschaft solecher Wegereinigung zum aufrichtigsten Danke verpflichtet. Es wird kaum noch zu einer Nachlese Gelegenheit und hoffentlich noch weniger Bedtirfniss geblieben sein. Das umfassende Schlusskapitel endlich (8. 3835-417) ist der Plastik und Malerei des Mittelalters gewidmet. Der Verf. spricht zundchst von der Technik, der, als einer tradi- tionell aus dem Alterthum iiberlieferten, vorerst die meiste Sorge zugewandt blieb. Nach einer Hindeutung auf das be- kannte Lehrbuch des Theophilus presbyter wird der verschie- denen Gattungen der Technik, ihrer Ausiibung und Verwendung gedacht und in den Anmerkungen manche schatzbare Einzel- notiz beigebracht. — Hierauf folgen Betrachtungen tiber den Styl der Darstellung. Der Verf. unterscheidet drei Klassen: eines ,rohen, strengen und freien“ Styles, den letzteren als zusammenhingend mit der gothischen Architektur, wobei aber das Wort ,frei* mir bei weitem zu vielsagend erscheint, da auch er entschieden noch unter der Botmassigkeit eines ausse- ren Gesetzes steht. Der rohe und der strenge Styl sollen, gleichzeitig mit dem romanischen Baustyl, nebeneinanderhergehen. Ich méchte dem rohen nicht den Ehrennamen eines Styles ge- ben; ich wiissie als hieher gehérig wenigstens nur verwilderte Nachklange der verwilderten karolingischen Kunst, die hier und da, aber nur selten, einem gewissen unwillkiirlichen Natur~ geftthl zu begegnen scheinen, und ausserdem nur einzelne, ganz~ lich ungehobelte und barbarische Handwerkerarbeiten zu nen- nen, was Alles aber nicht eben Anspriiche auf Stylgeltung hat. Vorherrschend kenne ich in der bildenden Kunst des Mittelal~ ters nur die byzantinisirende Strenge der romanischen, die mehr germanische Weichheit der gothischen Bauepoche, beide ab- hangig vom Architekturgesetz, beide aber auch, am Schluss ihrer Epochen, um 1200 und um 1400, einer mehr naturalisti- schen Freiheit sich zuneigend ), deren vollere Einfihrung jedoch erst mit der Auflésung der mittelalterlichen Kunst zusammen- fallt. Sie sind beide architektonisch bedingt, beide durch die- sen bedingten, unfreien Zustand der lebendigeren, natirlich organischen, individuellen Durchbildung fern gehalten. Der Verf, verkennt diesen Mangel der bildenden Kunst des Мше!- alters keinesweges, aber er begniigt sich nicht, den wesent- 1) Auf dies Doppelstadium der Entwickelung der mittelalterlicheu Kunst kann man nicht Gewicht genug legen. Wie die romanische Architektur, am Schluss der Epoche, auch im Norden gelegentlich bis zur griechischen Fein- heit der Profilirungen gelangt und wie dann der Geist der Zeit wieder ein neues Beginnen, mit neven primitiven Ansatzen (denen des gothischen Styles) erheischt, so wird auch in der bildenden Kunst die schon auf dem Wege zur hdheren Vollendung begriffene T hatigkeit (ich erinnere an die Wechselburger Kanzel-Skulpturen und an Nicola Pisano) wieder bei Seite geschoben, um in der Kunst des germanischen Styles die Schule nochmals von vorn an- aufangen. Schonheit der Architekturformen an sich noch kein absoluter Schluss auf die Schénheit der Wirkung, welche etwa durch die Bemalung hervorgebracht war, zu ziehen sein. In der Ste. Chapelle zu Paris, bekanntlich einem Gebaude von sehr reinen Formen, fanden sich so viele Reste der alten polychromatischen Dekoration, dass man diese in einer anscheinend durchaus rich- tigen Weise erneuern konnte. Es ist darin aber eine solche Ueberfiille, und die gereinigten Fenstergemalde vermehren die- selbe in einer so vielfach erhéhten Potenz, dass das Auge in diesem Gewirre von Farben und bunten Lichtern all und jedes Gefiihl fir die architektonische Linie und Form verliert und sich schliesslich sehr zufrieden erklart, wenn es dieser Asthetischen Tollheit wieder entfihrt worden.) In dieser Uebertreibung kann nun allerdings so gut nationelle Neigung wie persénliche Laune im Spiel gewesen sein; aber das Beispiel zeigt wenig- stens auf sehr schreiende Weise, welche Unterschiede zwischen Harmonie der Formen und der Farben méglich waren. — Eine méglichst griindlich durchgefihrte Untersuchung tiber die Po- lychromie der mittelalterlichen und ganz besonders der gothi- schen Architektur, mit genauem Eingehen auf die stylistischen Eigenthiimlichkeiten der betreffenden Gebaude, diirfte ibrigens noch ein verdienstliches Unternehmen sein. Kin kurzes Kapitel, gewissermaassen Anhangsweise, giebt eine Uebersicht iiber die abweichenden Formen kirchlicher und nichtkirchlicher Architektur. ?) } Ein andres, umfassenderes Kapitel, das von der Symbo- lik der mittelalterlichen Architektur handelt, muss ich ebenfalls als Anhang bezeichnen, — als Anhang desslialb, weil das Resultat desselben im Wesentlichen ein negatives ist, weil es von allerle: verkehrten Annahmen handelt und diese freilich mit einfach gesunder Kritik zu nichte macht. Aber diese Verkehrtheiten waren so vielgliedrig und bis auf heute in so mannigfache Schleier gehiillt, die Kritik, welche die letz- teren zerreisst und die ersteren enthullt, ist so entschieden, ihrer Griinde und ihres ganzen Verfahrens so sicher, dass der Verf. sich gerade hiedurch bei allen denen, welchen es um sachliche Wahrheit zu thun ist, ein neues und sehr wesentliches Ver-. dienst erworben hat. Der Dilettantismus der Menschen hat es nemlich nicht begreifen kénnen, dass die iiberwaltigende Wir- kung der mittelalterlichen Dome einfach in ihrer kinstleri- schen Eigenschaft und der besondern Weise der Realisirung dieser Eigenschaft beruhe; sie haben absonderliche Geheimnisse darin erwartet, haben ein solch Geheimniss auch wohl in die— ser und jener Formel gesucht und gelegentlich gemeint, dass der Besitzer der Formel es dem alten Meister ohne Weiteres nachmachen kénne. Der Verf. spricht nun zundchst von den elwanigen symbolischen Beziehungen, die dem Bau zu Grunde liegen kénnten, und weist aus den Schriftstellern des Mittelal- ters nach, dass allerdings davon auch zu jener Zeit die Rede gewesen ist, aber mit sehr unschuldig missigen Gedankenspie- len, die kaum nachtréglich etwas von derartigen Beziehungen in die Grunddispositionen des Baues hineingelegt, geschweige denn auf die Formenbildung einen Einfluss ausgetibt haben. Dann kommt der Verf. auf den Mittelpunkt dieser dilettantisti- schen Phantasieen, auf die Bauhtitten. Hier wird nun aus- 1) Ich schreibe nach dem Kindrucke, den ich im Jahre 1845 beim Be- suche der in der Restauration begriffenen Ste. Chapelle empfing. Ob seit- dem etwa Aenderungen darin vorgenommen, weiss ich nicht. 2): Der Verfasser erwahnt dabei der interessanten und wohlerhaltenen Schlossruine zn Reichenberg, in der Nahe des Rheins, unweit St. Goars- hausen, und des ehemaligen Kaiserschlosses zu Goslar, deren beiderseitige Aufnahme und Herausgabe er dringend anrath. Der deutschen Kunst- und Culturgeschichte wiirde hierdurch in der That ein sehr schatzbarer Dienst geleistet werden.