ich das vom Knaben erschaftene Knabchen beschreiben, das sei- nen jungen Schépfer zugleich anbetet und anpustet? wie die kleine Minerva, welche, gleichsam schwesterlich helfend, ihm die Psyche tiber den Kopf halt? Ich kann den Ausdruck doch nicht her malen. Man muss es sehen, wie dort, wo der Storch mit -wehenden Fligeln tiber den beiden Welteiern sitzt, die er aus- gebritet hat, wie dort aus dem einen das Knabenmannchen, aus dem andern das Midchenweibchen wie aus einer Wiege heraus- schaut, wie er, den liebegliihenden, begehrlichen Blick fest auf seine Mitbiirgerin geheftet, schon mit dem einen Bein aus dem Hi steigt, wihrend sie in dem ihren noch in stummer Ver- wunderung seiner dasitzt. Oben tber aber naht von der einen Seite die Aeffin, die wir schon aus dem Reineke Fuchs als Kinderwarterin kennen, von der andern Seite aber die Schlange mit dem Apfel. Dort steht die Wélfinn, welche den Romulus und Remus sdugt, ein Hirtenjunge klettert tiber die Ranken. Neben an ist der Bruderkampf schon in vollster Bliithe. Der Eine hat eine Keule, der Andere einen beliebigen Thierkinnbacken ergriffen, jener gebraucht eine weinende Schildkréte, dieser eine breite Muschel als Schild bei dem grimmigen Kampf. Einen andern Kampf haben nebenan der kleine Nimrod und seine Jagdgenossen begonnen. Den Lowen jagt er zu Pferde, d.h. er lasst sich von seinem Spielgesellen Hukepak tragen, der wilde Panther wird mit dem Bogen erlegt, der Eber mit dem Speer. Auch der friedliche Hirsch verfallt der Jagdlust. Die Jungen werden wissen, was gut schmeckt. Doch weiter. Der Ibis bereitet uns auf die aegyptische Welt vor. Aus einer tréumenden Lotos- blume, welche die Mitte eines Pilasterstiicks bildet, entsteigen Isis und Osiris. Sie scheinen mit ihrem Kopfputz geboren zu sein, so wie die Firsten mit ihren Kronen geboren werden. Unten hockt Harpokrates mit dem Finger auf dem Munde. Zwei anbetende Kénige nahen sich zu beiden Seiten. So poetisch schén die Mythe von der Isis und dem Osiris ist, so geistreich hat sie Kaulbach parodirt. Die selige Feier der Vereinigung hat schon statigefunden. Der feindliche Bruder Typhon, der feuerschnaubende, Alles verheerende, beginnt bereits die Verfolgung des geschwachten Gemahls. Wie reizend scherzt Kaulbach mit dieser vernichtenden Figur der Mythe. Den bésen Bruder hat er in einen neckenden verwandelt, welcher sich hiner einer grossen schreckhaften tragischen Maske verbirgt. Durch ihre weite Munddffnung hat er den kleinen, mit einer Fackel bewaffneten Arm gesteckt und jagt der glie- dersuchenden Isis dadurch allerdings einen solchen Schrecken ein, dass sie den schdnsten Kobold schiesst. Unter liegt Osiris, dahin gestitrzt auf seine Urne, die noch gerade nur einen oder zwei Wassertropfen enthalt, zu denen sich gedehnten Leibes ein lechzender Frosch heranschleift. Auch Anubis fehlt nicht, der vielgetreue Hund. Nun geht es in die griechische Welt hinitber. Ein Dreifuss, zu beiden Seiten opfende Priester, natiirlich liebliche Jungen, nackt wie Laokoon, diese Pilastergruppe bildet den Uebergang. Dann treffen wir zuerst auf die Geschichte vom Marsyas und Apoll. Jener lehnt da oben nachlassig hingestreckt mit seiner Flote in der Hand. Siegesgewiss und mitleidig schaut er auf den kleinen Apoll herab, welcher mitten in der Ara- beskenwelle wie in einer Werkstalte sitzt und an seiner Leyer schnitzt, dass die Spine davonfliegen, und dass ihm die Backen vor Eifer roth werden méchten, wenn sein Schépfer ihn nicht ganz und gar grau in grau geschaffen hilte. Nichts geht tiber die Pragnanz des Ausdrucks, welche der Maler seinen kleinen Helden zu geben weiss. Dieser Jeyerschnilzende Apoll ist in dieser Beziehung ein wahres Juwel und gabe auch fiir sich allein das reizendste Bild. — Nun folgt das Kunstieben der Griechen. Trager der Gesetzgebung herauszulfinden ist sehr schwierig. (Justinian war nur Sammler.) Das macht, weil es mit zur ge- schichilichen Aufgabe des ganzen Volks gehérle, die Rechts— form auszubilden. Rom ist der Gesetzgeber Roms. Ich wiirde daher dem Maler rathen, ganz ruhig die Figur der Roma, etwa mit den Zwolftafelgesetzen unter die lialia zu setzen. Er wird mir vielleicht erwiedern, dass sich das nicht an der fiir das Germanenthum bestimmten Wand passe, die rémische Geschichte sei auf der gegentiberliegenden abgeschlossen. — So midge er — sag’ ich — noch eine Tiara hinzusetzen, obgleich dadurch freilich mehr die rémische Hierarchie als irgend eine weise Geseizgebung angedeutet wiirde. Es ist iberhaupt schwer, auch fir Deutschland das mit den Gesetzgebern durchzufiihren. War- um auch gerade diese? Man braucht ja nur einen grossen Mann der welthistorischen Vélker zu nehmen, der vielleicht den Charakter desselben besonders in seiner Persénlichkeit aus- gepragt hat. Da waren Perikles und Alexander die Kandidaten zu dem griechischen Platz. Italien miisste Casar haben, (oder die Roma) fir Deutschland, fiir welches eigentlich noch nicht gewahlt werden kann, weil die Akten noch nicht geschlossen sind, wtrde ich doch den Rothbart ganz passend finden, na- mentlich in Betracht der schénen Sage, die in ihm einen der- einst wiederauflebenden Messias sieht. — Das waren die Pilaster. Ueber all’ diese Gliederungen aber, tiber die grossen Bilder, Pilaster und Thirstiicke wird ein grau in grau gemalter, eben schon begonnener und im Carton bis zur Halfte vollendeter Fries laufen, von 3 Fuss Breite. In die Composition dieses Frieses hat Kaulbach Alles hineingelegt, was in ihm ist von Humor und Reiz der Erfindung, von Anmuth und Lieblichkeit der Formen. Es ist das Vollkommenste und Liebenswiirdigste, was in dieser Art von Schépfungen gedacht werden kann. Man wird nicht miide, mit diesen hundert holdseligen Knabenfiguren durch die schéngeschlungenen Windungen dieser Blatter und Blumen zu klettern, deren Mannigfaltigkeit der Form in Erstaunen setzt, und unter denen kein Blatt und keine Frucht der erfin~ dungsreichen Natur zu fehlen scheint. Und dabei ist ein spru- delndes Leben und eine Bewegung darin, dass man glaubt, die Gestallen verwandeln und vermehren sich beim Hinschauen dar- auf. Halb fertig mit der Deutung der einen Gruppe und durch ihren naiven Humor in die behaglichste Stimmung versetzt, hat uns die krause Woge der Blatterranke schon mitten in die an- dere hineingezogen und des ergétzlichen Spieles ist kein Ende. Dennoch aber ist all’ das lustige Figurenvolk, das sich da auf den phantastischen Pflanzengewinden wie auf einem entfesselten Frihlingssirom dahinwiegt, auf eine meisterhafte Art von dem Gesetz der rhythmischen Bewegung durchwaltet und steht aus- serdem im directesten, innern Zusammenhange mit den Dar- stellungen an den Wanden. Wie ein gleichklingender Reim er- hebt sich stets tiber den Pilastern die wiederkehrende Stellung zweier Figuren zu einander, und was den Blick abziehen kann von der anzichenden Verfolgung der Einzelheiten oder wer nach~ her in ihrer Ausfihrung die Sachen aus der — leider zu grossen — Ferne sieht, der entdeckt, dass alle offenbar in ungebun- denster Freiheit dahinspielenden Knabengestalten, mit ihren Kor- perchen dem strengen Gesetz der Symmetrie dienen mitssen, so dass hier das Princip der Arabeske auf’s Herrlichste gelés’t erscheint. ,Aber* — hér’, ich fragen ~— ,was bedeuten diese Knaben, was spielen sie denn?“ Was sie spielen? — Weltge- schichte! Ist das nicht ein késtlicher Einfall? Was da unten auf den grossen farbigen Tafeln mit schwerem, oft blutigem Ernst vollbracht wird, diese stissen Jungen spielen das wie eine Ko- mddie ab, und wir sehen aus unserer Karyatiden-Loge zu, wie die Gétter und licheln, weil sie das Alles so ernsthaft nehmen. Da sitzt Prometheus und formet Menschen. Aber wie soll