ный
	Organ
der deutSchen Kunstvereine,
	“Zeitung
	fir bildende Kunst und Baukunst.
	Unter Mitwirkung von
	Kugler in Berlin — Passavant in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegmann in Disseldorl — Schnaase
in Berlin — Schulz in Dresden — Férster in Minchen — Bitelberger v. Edelberg in Wien
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	redigirt von Dr. F. Eggers in Berlin.
	Montag, den 11. November.
	Ein Gang in das neue Museum zu Berlin.
	Die Arbeiten Kaulbach s.
Von Fr. Eggers.
	(Fortsetzung.)
	einem Einhorn und einem Seepferd gezogen; zum Zeichen der
Herrschaft itiber Land und Meer. Ueber diesen Thieren schwebt
ein Genius mit einer Tuba, vor deren Schalléffnung ich den Ruhm
der Weltbeherrscherin geschrieben wihnte. Naher hinblickend
fand ich, dass der Maler seinen kleinen gloriosen Drommeter
durch das ominése Echo: Vare, Vare, redde mihi legiones per-
siflirt hatte. Hinter dem Wagen und durch eine Kette an den-
selben gebunden, schreitet ein Lowe, der die gefesselte wei-
nende Erde tragt, kenntlich an der Kugel, die sie in Handen
halt. Oben fliegt ein Adler mit dem Donner, Lictorenbiindel
vervolistindigen das stolze Bild der unbegranzten Herrschaft,
die zuletzt in den Handen eines Einzigen lag, der ihre Zeichen
aber noch nicht anlegen durfte. Dem aber das kein Brutus
mehr wehrte, dem nahmen die Germanen seine Legionen. Dort
liegt Einer mit dem Schwert durch die Brust, die Eichenblatter
der Arabeske bezeugen uns, dass wir im Teutoburger Walde
sind. Das ist das erste Anpochen des neuen Volks an die
Pforten des welthistorischen Saales. Dort schauen schon einige
Germanengesichter tiber die Blatter auf die Biihne; ihr Debit
ist gespielt; sie warten nur auf ihr Stichwort; sie sind bereit,
aufzutreten. Es cilt noch nicht. Rom will erst, wie ein acht-
tragischer Held, von eigner Hand sterben. Es bohrt den Dolch
der innern Zerriittung in seine eignen Eingeweide. — Wer balgt
sich dort? Nun, zwei beliebige Kronpratendenten aus der Zeit,
da der Thron in heimischem Blute schwamm. Auf einer Pas-
sionsblume steht daneben die trauernde Roma, jammernd, gram-
zerrissen und handeringend, wie eine Niobe, die ihre Kinder
verliert. Die Krone, die Grenzmark ihrer Blithentage, will ihr
vom Haupte sinken. Es geht zu Ende. Aufgerichtet steht schon
das Zeichen des Princips, das von nun an welthistorisch wer-
den soll, das von der Dornenkrone umrankte Kreuz, von dessen
siegenden Strahlen sich die zwei romischen Kriegssoldaten, welche
die Rhythmik der Arabeske unbarmherzig von beiden Seiten
hart ‘gegen das ehristliche Zeichen geworfen hat, mit scheuen
Blicken abwenden, als fiihlten sie die Macht des endlichen
Ueberwinders, dessen Walten sich nun an der andern Langseite
des Hauses weiter entwieckeln wird. Hier an dieser sehen wir
noch, und zwar den Raum iiber der Figur der Geschichte ein-
nehmend, drei strenge Gottinnen, die nach der Meinung des
aberglaubischen Rom in der Geschichte herrschen, diese Reihe
schliessen. Zuerst die diistere Ate, die Schicksalsgéttin. In
ihren Kopf ist ein Nagel eingebohrt, zum Zeichen unheilvoller
	Verblendung. Sie halt in der einen Hand einen Dolch, in der
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	Diese schénste Blithe des Griechenthums (naimlich Alexan-
der) findet nicht hier, sondern am Pilaster unter den Rand-
glossen seine Stelle. Der Untergang der griechischen Welt
aber wird durch die Sage der Pandorabichse versinnlicht. Da
liegt sie, die ungliickliche Tragerin derselben. Die verhang-
nissvolle Urne ist gedffnet. Der mannermordende Krieg, waf-
fengeriistet, die giftige Verliumdung mit herausgesteckter Zunge,
der finstere Hass scheinen obenauf gelegen zu haben, denn sie
sind schon draussen. Letzterer zieht die Faulheit bei den lan-
gen Ohren aus der Dose, ein langgedehntes Gutta-Perchage-
sicht, das wie eine Blase dem Rest der Uebel den Ausweg
versperrt zu haben scheint. Sie werden nach dieser neuen Ent-
stépselung desto vollzahliger hervordringen. Der eben erwahnte
Krieg stiirmt rechtsweg, quasi als Prolog zu der nun begin-
nenden, von Waffen erdréhnenden, diisteren rémischen Welt.
Als Grenzpfahl erhebt sich eine Stange mit dem ehernen S. P.
Q. R., ein Pilastermittelstiick, zu dessen beiden Seiten hier
zwei gefesselte, weinende Figuren den Arabeskenrefrain klagen,
die Reprisentanten unterjochter Nationen. Den Anfang machen
	-sodann zwei Scenen von jener starren Tugend, dem aus dem
	»Kehrichi* gewachsenen Hisenkraute des alten Rom, zuerst Bru-
tus, der die Séhne verurtheilt. Gefesselt und um Gnade wei-
nend liegen sie zu den Fissen des strengen Richers der Lu-
cretia, der dem iiber die Ranken steigenden Lictor mit kalter
Miene die harte Selbstbestrafung seines Fleisches anbefiehlt.
Aelinlich sehen wir daneben den Mucius mit sich in’s Gericht
gehen. Er streckt die Rechte in die Flamme, welche aus einem
Arabeskenblumenkelch emporlodert; mit der Linken weis’t er
in die Ferne, er spricht von den dreihundert Gesinnungsgenos~
sen. Aber Porsenna hért ihn kaum; denn mit kindischer Ver-
wunderung schaut er diesem Selbstverbrennungsprocess zu und
schiebt seine Handchen furchtsam hinter die nackten Arme.
Unten liegt der todte Liebling mit dem Schwert in der Brust.
Nun folgt ein Bild der weltbeherrschenden Roma. Ein Trium-
phator auf einer Biga zieht daher. Auf der Hand steht ihm
eine Nike, mit einem Kranz in jeder Hand. Der Wagen wird von