Thatigkeit, ein Bau dem Geiste eines Kiinstlers seine Ent-
stehung verdankt, da finden wir vielfach einen Mangel ganz
anderer Art. Da die Berliner Architekten durch das Studium
der Antike meistens ein feines Gefihl fiir die Formbildung im
Einzelnen erhalten haben, so sind sie in dieser Richtung immer
weiter fortgegangen und haben mit einer gewissen Vorliebe
das Detail bis in seine minultidsesten Besonderheiten verfolgt.
So haben sie darin allerdings einen Reichthum der Erfindung,
eine Grazie der Linienfiihrung gewonnen, die anerkennenswerth
ist; aber iiber dem Ausbilden der Einzelform haben sie die
Gesammtcoenception aus dem Auge verloren; sie bringen Orna-
mente an, die auf dem Papiere jedes Auge erfreuen, in der
Ausfiihrung aber entweder ganz unsichtbar oder verworren er-
scheinen, jedenfalls also ihren Zweck verfehlen: sie haben
Schatze gesammelt, die sie nicht gebrauchen kénnen. Wenn
die Bauten dieser Art in Beziehung auf Reinheit des Styles un-
tadelig dastehen, so leiden sie dagegen am Ausdruck einer ge-
wissen Magerkeit, Kraftlosigkeit, Unlebendigkeit.

Gegen beide Richtungen bilden die Hitzig’schen Bauwerke
einen klar ausgesprochenen Gegensatz. Sie haben weder die
Styllosigkeit der einen, noch das krankhafle Geprage der an-
dern. Will man den Kontrast derselben gegen die zuerst ge-
schilderten baroken architektonischen Schépfungen handgreiflich
vor Augen haben, so vergleiche man Hitzig’s von ihm selbst
erbautes Wohnhaus an der einen Ecke des Exerzierplatzes mit
dem grossen mit Zinnen, Erkern u. dgl. tiberladenen Gebiude
an der anderen Ecke des Platzes. Die Hitzig’schen Bauwerke
zeigen durchweg das. Tichtige, Kraftgeschwellte eines leben~
digen Organismus; sie erreichen eine malerische Wirkung da-
durch, dass sie die kriftige Gestaltung des Einzelnen, wie den
festen, massenhaflen Charakter des Ganzen erstreben. Durch
energisch profilirte Simse sondern sich die Theile; geschmack-
volle Details, in denen ein, wenn auch nicht so minutids feines,
darum aber um so gesunderes Formgefiihl herrscht, zeichnen
die architektonisch wichtigen Glieder aus; ein stark ausladen-
des Dachgesims giebt durch seine kraftvolle Schattenwirkung
dem Ganzen den nothwendigen Abschluss.

Und worin liegt der tiefere Grund dieser Verschiedenheit
bei Kunsterzeugnissen, die doch demselben Boden entsprossen,
auf demselben Stamme gewachsen sind? Er muss wohl in einer
frischen Unmittelbarkeit und Naivetaét des Hitzig’schen Kunst-
schaffens zu finden sein, die, wahrend jene Architekten in ein
	immer detaillirteres Projektiren auf dem Heissbrett sich verlo-
	ren, diesen Kunstler angetrieben hat, immer die architektoni-
sche Ausfiihrung, die Bedingungen einer harmonischen Ge-
sammtconception im Auge zu behalten. Jene mussten bei ih-
rer einseitigen Vorliebe fir Detailbildung die Sicherkeit des
Urtheils tiber die praktische Wirksamkeit ihrer Formen immer
mebr einbiissen. Denn auf dem Papiere sieht eine Facade, sieht
ein Ornament ganz anders aus, als in der Ausfihrung: was
dort passend erschien, weist hier sich oft als schwachlich und
unzureichend aus. Was sollen uns die schénsten Details an
Stellen, wo man sie nur mit dem Operngucker bewaffnet ge-
niessen kann? Wenn daher Hitzig auch weniger reich ist in
Erfindung neuer Details, so besitzt er dagegen in hohem
Grade die Gabe der richtigen, zweckmissigen Anwendung
allgemeingtltiger Formen.

Diese Kigenschaften sind an den Hilzig’schen Bauten um
so héher zu schitzen, da beim Privatbau viele Beschrankungen
und Hindernisse der freien Entfaltung des schépferischen Ge-
nius sich in den Weg stellen. Da hat der Architekt mit der
Ungunst des Ortes und der Lage, mit der Kargheit der Mittel
und, was das Schlimmste, oft mit geschmacklosen Capricen des
Bauherrn zu kimpfen. Um so anerkennenswerther, wenn sein
	lich gedenke ich hier des schénen Weiberkopfs, gleich emer
Muse, von fast Lebensgrésse, bei Bartsch XIII. S. 103. No. 3.
verzeichnet; sodann des Stiches nach Raphaels: ,Amor und
Psyche im Gotterfest* al fresco in der Farnesina in Rom aus-
gefihrt. Gr. Q.-Fol.

Bevor wir hier die Angaben tiber die Kupferstiche aus
Mittelitalien schliessen, sei noch eines grossen Blattes nach
einem ,Abendmahl* des Pietro Perugino gedacht, welches
nach seinem wesentlichen Inhalt genau mit dem Frescogemalde
iibereinstimmt, das man vor wenig Jahren in dem ehemaligen
Kloster S. Onofrio zu Florenz entdeckt und mit Recht dem Ra-
phael zugeschrieben hat. Nur der Hintergrund, von einer rei-
chen Pilaster - Architektur, weicht von jenem ganzlich ab. Lei-~
der besitzt das Britische Museum nur die rechte НАШе des
Blattes, nur einen Theil des Judas Ischarioth und die finf dar-
auf folgenden Apostel mit beigesetzten Namen. Dieses Frag-
ment hat 14 Z. 2L. Hohe auf 18 Z. 7 L. Breite. Der Stich ist
sehr tichtig und giebt die Eigenthiimlichkeiten des Pietro Pe-
rugino vollkommen wieder; er scheint in dem ersten Viertel
des 16. Jahrhunderts gefertigt worden zu sein. (Schluss folgt.)
	Architehturwerk.
	Ausgefiihrie Bauwerke von Fr. Hitzig. Heft L Mit
sechs Tafeln. Berlin, Karl Reimarus’ Verlag. W. Ernst.
(Gropius sche Buch- u. Kunsthandlung.) Preis: 2 Thir.
25 Ser. Mit Mappe 3 Thir.
	Die Thatigkeit unsrer Architekten in Herausgabe der von
ihnen entworfenen oder ausgefiihrien Bauwerke ist in neuerer
Zeit eine so lebendige, dass es in Kurzem eine dankbare Auf-
gabe fir die Kunstkritik sein wird, eine vergleichende Cha-
rakteristik der verschiedenen Strebungen zu geben und alle die
einzelnen Richtungen zu einem anschaulichen Bilde zusammen-
zufassen. Fiir diesmal freut es uns, der Aufmerksamkeit des
Kunst ibenden und liebenden Publikums die erste Lieferung
von Darstellungen der Arbeiten eines unsrer tiichtigsten Archi-
tekten empfehlen zu k6énnen.

Die vorliegende Sammlung wird eine Anzahl der verschie-
denartigsten Niiizlichkeitsbauten umfassen. бей dem letzten
Jahrzehent hat auf dem Gebiete des Privatbaues in Berlin eine
ausgedehnte Thatigkeit geherrscht, die erst durch die Stirme
des Jahres 1848 etwas in’s Stocken gerathen ist. Die отбззете
Mehrzahl der in dieser Periode entstandenen Privatgebaude ist
von sogenannten Maurerpolieren ausgefiihrt worden. Vergleicht
man diese Schépfungen mit denen friiherer Zeiten, so ist einer-
seits nicht zu leugnen, dass ein gewisser Trieb nach maleri~
scher Anordnung vielfach aus den starren Regeln strenger Sym-
metrie herausgelockt und besonders in Belebung der Mauer-
flache durch mannigfaltigere Gruppirung der Fenster sich be-
merkbar gemacht hat. Andererseits aber hielt man in vélliger
Ideenarmuth eine gewisse Schablone fest, nach welcher dann
in geistlosester Weise fortgearbeitet wurde. Dies fihrte in der
architektonischen Anlage zu einer Verflachung, die nur mit den
nothwendigen praktischen Erfordernissen sich abzufinden suchte,
ohne an kinstlerische Durchfihrung der Aufgaben zu denken.
Zu gleicher Zeit brachte in den Details jener dunkle Trieb
nach malerischer Anlage Missgeburten zu Tage, die um so ba-
roker und beleidigender erscheinen, da der ganze hiesige Bau-
charakter sich auf die einfach edlen Gesetze griechischer For-
men und Linien stiitzt, und da man dicht neben den willkirlich-
sten Schnérkeln die getreusten Kopieen aus Gustav Stier s
Vorlegeblittern findet.

Wo jedoch, im Gegensatz zu solcher handwerksmassigen