Die sechste Platte endlich giebt die Darstellung eines in
der Nahe von Berlin angelegten lindlichen Gebaudes. Dasselbe
enthalt Stille, einige Zimmer, Gartensalon, Treibhaus und Ke-
gelhaus; die Ausfiihrung ist in Ziegelmauerwerk ohne Putz.
Der Baumeister hat der sehr einfachen Anlage doch einen ar-
chitektonischen Reiz abzugewinnen gewusst. Dem Zeichner
sind in der Angabe der Schatten einige Verstésse passirt; wir
machen auf dieselben aufmerksam, damit in den folgenden Lie-
ferungen durch Vermeidung solcher Schnitzer das Werk noch
geeigneter zu Vorlagen fir Bauschulen werden miége.

Die Ansichten der Gebaéude sind in solchem Maassstabe
ausgefiihrt, dass dieselben fur Lehranstalten als Vorbilder zum
Tuschen architektoniseher Fagaden dienen kénnen. So wird
das Werk den Lernenden ebenso willkommen sein, wie den
praktischen Architekten.

Anzuerkennen ist die Schénheit und Eleganz, mit welcher
durch die Sorgfalt der Verlagshandlung das Ganze ausgestattet
worden ist. Die Farbendrucke, lithographirt von W. Loillot,
gedruckt in der Anstalt von Winkelmann und Sohne in Berlin,
sind von hohem malerischen Reiz. Der Stich der Stahlplatten
dagegen, von den Gebriidern Jatinig ausgefiihrt, lasst Manches
zu wiinschen iibrig; freilich ist ein guter Stecher fiir architek-
tonische Sachen eine Seltenheit, da hier das unerlassliche Ver-
	stindniss des Wesens der Formen gewohnlich fehlt.
W. Libke.
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	Bestreben dahin geht, wie dies Hitzig in dem deutsch, englisch
und franzésisch geschriebenen Texte mit Recht von sich sagt,
»heben der besondern Beriicksichtigung aller praktischen Er-
fordernisse, jeder Aufgabe, mochte dieselbe noch so ecinfaeh
sein, ein kiinstlerisches, architektonisches Interesse abzugewin-
nen*. Desshalb ist ein Unternehmen, wie das vorliegende, will-
kommen, welches sich vorgesetzt hat, in einer Reihe von Lie-
ferungen Abbildungen von den verschiedenartigsten Privatbauten,
als landlicher Gebdude, stadtischer Wohnhauser, Villen, Land-
hauser, Schlossbauten u. s. w. zu geben. Tragen einsichts—
volle Baumeister, wie Hitzig, durch geschmackvolle Ausfih-
rung von Privatbauten gewiss dazu bei, den architektonischen
Sinn im Publikum, der fiirwahr noch barbarisch genug ist, zu
wecken und zu lautern, so zeigen sie durch die bildliche Her-
ausgabe ihrer Werke dem Architekten, wie man ohne erheb-
liche Mehrkosten auch aus der einfachsten Anlage ein Kunst-
werk schaffen kann. Der Text giebt die zum Versténdniss noth-
wendigen Erlauterungen der Tafeln; diese enthalten in Farben-
druck lithographirt die perspektivischen Ansichten; die geome-
trischen Zeichnungen und Details dagegen in Stahlstich.

Das erste Blatt zeigt ein landliches, im Schweizercharakter
ausgefiihrtes Wohnhaus. Diese naive Bauart bietet dem Ar-
chitekten ganz eigenthiimliche Schwierigkeiten. Es droht ihm
eine besonders bése Klippe, die bei tiherwiegender Reflexion
des sonst in strenger ausgebildeten Stylen arbeitenden Baumei-
sters kaum: zu vermeiden ist. Denn was ist widerwartiger in
der Kunst wie im Leben, als affektirte Naivetal? Per-
sius in seinen Potsdamer Bauten und Eisenlohr in den War-
terhaéuschen und zum Theil in den Bahnhofsgebauden der badi-
schen Hisenbahn haben in der Befolgung dieses mehr malerisch
naiven Prinzips sehr Hiibsches geleistet. Auch Hitzig in dem
vorliegenden Blatte hat mit Glick seine Aufgabe geldst, bis
auf den Balkon, dessen Pilaster die Formen des Steinbaues,
also einen fremdartigen Charakter nachahmen; zugleich wird
den praktischen Forderungen auf geschickte Weise geniigt. Die
Ueberhéhung des Mittelraumes und der einen Seite gab die er-
forderliche Raumvergrésserung, so wie dem Aeusseren an-
muthige Mannigfaltigkeit. Die Treppenanlage in der Mitte des
Mittelraumes mit Oberlicht in halbrunder schneckenformiger Bie-
gung muss von freundlicher, reizvoller Wirkung sein.

Die zweite und dritte Tafel enthalten eine perspektivische
Ansicht, Grundrisse, geometrische Ansicht, Durchschnitt und
Details des im Thiergarten belegenen Drake’schen Hauses.
Schade, dass dies schéne Gebdude, da es an zu enger Passage
liegt, dem Auge des Beschauers nie so sich zeigen kann, wie
es sollie. Die Fagade mit ihren Hallen und karyatidengetrage-
nen Balkons ist in ihren Verhiiltnissen, wie in den Details voll
Adel und Wiirde; es spricht aus ihr das Behagliche, Wohnliche
der innern Réume. Zweckmassig und bequem ist die Anlage
der Treppe in der Mitte des Hanses mit Oberlicht. Leider hat der
Zeichner (wenn nicht, wie wir fast vermuthen, der Stecher die
Schuld trigt) an den in Wirklichkeit so schénen, von Drake
selbst entworfenen Karyatiden, den Reliefs des Giebels und den
architektonischen Details sich versiindigt: sie sind nicht fein
und schwungvoll genug wiedergegeben.

Auf der vierten und finften Platte finden wir Ansichten,
Durchschnitte und Details eines grésseren, hier in der Kéthe-
nerstrasse erbauten Wohnhauses. Der Architekt musste cin
Mezzanin-Geschoss anwenden, welches mit dem Parterre eine
Wohnung ausmacht, ein ganzes Stockwerk fir eine grissere
Familie wurde hinzugefiigt. Obwohl die Anlage cines Halbge~
schosses auf eine fir unser Gefiihl unangenehme Weise die
Facade bricht und ihre Gesammtwirkung stért, ist die Aufgabe
hier doch so gut wie méglich geldst.
	Koln, im Oktober. In No. 38 des deutschen Kunstblattes
wird ein Kunstfund besprochen, welchen der hier seit ein Paar
Jahren ansassige Kunsthindler A. Brasseur vor einigen Mo-
naten machte, indem er unter einem ganz tbermalten Bilde
einen mit meisterhafter Bravour skizzenartig von Rembrandt
gemalten Kopf entdeckte. Auffallend merkwiirdig ist es nun,
dass Herr Brasseur vor einigen Wochen so gliicklich war, in
ahnlicher Weise noch ein, gweifelsohne von Rembrandt ge-
	maltes Brustbild zu finden, welches, was ktnstlerische VYollen-
	dung, Gediegenheit der technischen Ausfihruug angeht, den
zuerst entdeckten Kopf bei weitem wbertrifft und den vorziig-
lichsten derartigen Arbeiten des Meisters zur Seite gestellt
werden darf.

Wir sahen das Bild, als es der jetzige Eigenthiimer eben
angekauft hatte. Es stellte einen sitzenden alten Mann dar, mit
langem, fein ausgefiihrtem weissen Barte, Jangen weissen Haaren,
die Stirne mit einem braunen Sammtbarett bedeckt; Augen-
braunen und Augenwimper waren ausserordenilich genau aus~
gefihrt. Das braune Gewand war bis an den Hals zugeknGpft,
der Hintergrund ganz schwarz, so dass von einer Lehne des
Sitzes nichts zu sehen war. Obgleich das Bild ganz sauber
war, erklirte Herr Brasseur, dass dasselbe ganz tibermalt
sei, ausser der Schattenpartie des Kopfes, und dass er iber-
zeugt, dass ein ganz andres Gemalde zum Vorschein kommen
wirde. Hatte er auch friher schon verschiedene Bilder in
dieser Weise entdeckt, unter andern ein Paar werthvolle Kuyp,
so hielt man dies nur fir einen glicklichen Zufall; wie staunte
man daher, als sich nach einigen Wochen herausstellte, dass
sich Herr Brasseur, seiner, wir méchten fast sagen instinkt-
massigen Ueberzeugung folgend, nicht getiuscht hatte. Die

Uebermalung war fortgenommen, und ein ganz anderes Bild
zum Vorschein gekommen, das jeden Kenner durch die Wahr-

lieit des Ausdruckes im meisterhaft durchgearbeiteten Kopfe,
durch Frische und Klarheit der Farbengebung tiberraschte und
fesselte. Ware das Bild auch nicht rechts im Hintergrunde
R—t—f, gezeichnet, so wiirde doch Niemand, der Rembrandt s