nien, Breite: 6 Zoll. In der Sammlung des Britischen Museums
und des Stadel’schen Kunstinstitutes zu Frankfurt. Verrath- die
Darstellungsweise dieser Composition in allen ihren Theilen
auf’s augenscheinlichste die Schule des Leonardo da Vinci, so
ist es noch insbesondere die der Tochler der Herodias und der
Landschaft, welche bei Kenntniss seiner Gemalde unzweifelhaft
die des Cesare da Sesto erkennen lassen. Die Behandlung des
Grabstichels, mit vielem Verstaéndniss fein gezogene Umrisse
und in der Modellirung mit kurzer Arbeit oder kleinen Schraf-
firungen, ist die eines Zeichners und Malers, der gewohnt ist,
alle Theile auf’s Sorgfalligste auszufiihren, eine Eigenschaft,
welche Cesare besonders besessen. Das andere Blatt dieses
Meisters ist unbegreiflicher Weise dem Franzosen Jean Duvet
zugeschrieben worden, unter dem Titel ,, Gift und Gegengift*
bekannt und bei Bartsch VII. 8.515. No. 44. verzeichnet. Die
Behandlung des Grabstichels und sonslige Eigenthtimlichkeiten
stimmen so sehr mit denen des vorher erwahnten Kupferstiches
liberein, dass es keinem Zweifel unterliegen kann, dass beide
Blatter von demselben Meister gefertigt sind; Letzteres ist je-
doch ciner Zeichnung des Leonardo da Vinci entnommen, welche
sich nur in kieinerem Format und von der Gegenseite im Bri-
tischen Museum befindet; auch ist die mannliche Figur in dem-
selben bekleidet.

Dass noch andere Schiiler des Leonardo in Kupfer gesto-
chen, habe ich nicht gefunden; doch haben Einige Zeichnungen
gefertigt, um in Metall fir Bicher geschnilten zu werden. Da-
hin gehéren Cesare Cesariano und Bernardino Luini.
Zu den X Biichern des Vitruv, welche der erstere in’s Italie-
nische tbersetzt und in Mailand 1521 herausgegeben, hat er
nicht nur die architektonischen Zeichnungen geliefert, sondern
auch manche andere mit Figuren; zwei der reichsten Compo-
sitionen sind die Darstellungen des goldenen Zeitalters und die
Gemeinschaft der Auserwahlten Christi; auf Letzterer, ein gros-
ses Folioblatt, befindet sich die Ueberschrift: Mundi electiva
Caesaris Caesariant configurata. ) Die Metallschnitte nach B.
Luini’s Zeichnungen enthalt ein kleines Werk in 4ю tiber die
Mysterien der seligen Veronica, welches 1518 in Mailand er-
schienen ist. Sie sind von der gréssten Zartheit in Zeichnung
und Ausftihrung und unverkennbar nach Luini gefertigt.

Ein in Mailand entstandener Kupferstich von sehr grossem
Format hat der berihmie Baumeister uud Maler Bramante aus
Urbino gefertigt. Das Britische Museum besilzt davon nur
ein Fragment, welches schon von Strutt und Ottley besprochen
worden ist. Zani in seinen Materiali 8. 55 erwaihnt eines an-
deren Exemplars desselben im Hause Perego in Mailand. Den
Hauptgegenstand bildet die innere Ansicht eines prachtvoll aus-
geschmiickten, antik-rémischen Gebéudes. Links steht ein can-
delaberartiger Aufsatz mit einem Kreuze, vor welchem ein An-
betender kniet. Am Postamente desselben steht die Inschrift

ВВАМАМТУ
5. ЕЕСТ
IN MELO
M..
Die Jahreszahl ist verricben und nicht mehr zu entziffern. Das
Gebaude ist tibrigens mit noch vielen andern Figuren belebl,
besonders befinden sich links, bei einem halb zerstirten Pila-
ster, zwei Lanzknechte, mehrere Reiler und andere Personen
zu Fuss, alle in der Tracht der damaligen Zeit, und alle nach
einem Gegenslande zugerichlet, der im Exemplar, das ich vor
mir hatte, fehlt. Die Zeichnung beurkundet cinen tichtigen
	4) Ich erlaube mir hier die Anmerkung, dass die Uebersetzung des Vi-
truy, welche Giov. Batt. Caporali da Perugia 1536 herausgegeben, nur Nach-
bildungen nach dieser Mailander Edition von 1521 enthals.
	yon zu nehmen. — Dass ich die von Ottley dem Leonardo zu-
geschriebenen drei Pferdeképfe vielmehr von Andrea Verrocchio
halte, habe ich oben schon angegeben. — Aus einer Stelle des
Werkes des Luca Paciolo del Borgo San Sepolchro, ,, Divina
Proportione* genannt, venetianische Ausgabe von 1509, ist zu
schliessen, dass Leonardo da Vinci Zeichnungen zu den darin
befindlichen Figuren gemacht, ja selbst in Metall geschnitten
habe. Die Stelle in der Dedication an den Pietro Soderini in
Florenz lautet némlich: nee vero multo post spe animos aletes
libellum cui de divina proportione titulus est: Ludovico Sphor-
ciae Duci mediolanensi nuncupavi. Tanto ardore ut schemata
quog3. sua Vincii nostri Leonardi manibus scalpia: quod opti-
cem instructiorem reddere possent addiderim. Eum ego illi ad-
hue viventi: magnis ab eo donatus muneribus obtuleram. — Die
Metallschnitte dieser Ausgabe enthalten hauptsichlich geometri-
sche Figuren von der einfachsten bis zu der complicirtesten
Art. Regeln, wie lateinische Initialen zu bilden sind, ahnlich
denen, wie sie auch Albrecht Direr in seiner Unterweisung
der Messungen mit dem Zirkel gegeben. Sodann Saule und
Gesims der corinthischen Ordnung; endlich das Profil eines
jungen Mannerkopfs mit hineingezeichneten Quadraten und Win-
keln nach dem Hinterkopf; dariber steht: Divina proportio. —
Ich muss indessen gestehen, dass auch nicht einer jener Me-
tallschnitte so ausgezeichnet behandelt ist, um darin die Hand
des Leonardo da Vinci erkennen zu kénnen; der Profilkopf er-
innert selbst nicht im geringsten an seine Art und Weise; auch
die Architektur zeigt keine vorztiglichen Vorbilder, wie wir sie
doch bei Leonardo voraussetzen diirfen, so dass es mir scheint,
als habe man seine Entwiirfe, die er zu dem Werke gemacht
haben diirfte, sehr willktrlich behandelt ).

Hier sind auch noch verschiedene Runde oder Scheiben
zu erwahnen, die, auf schwarzem Grund mit weissen Bandver-
schlingungen ringsum umgeben, die Worte enthalten:

ACA DEMIA LEO NAR DI VICI.
Merkwiirdig ist nun, dass diese Kupfersliche dieselben Ver-
schlingungen zeigen, welche sich unter den Holzschnitten Al-
brecht Direr’s befinden. Drei derselben, von denen ich eine
genaue Notiz genommen, stimmen mit den Nummern 142. 143
und 144. bei Bartsch ttberein, Wahrscheinlich hat man in der
Schule des Leonardo jene Dtrerischen Zierrathen zu ihren
Zwecken benutzt.

Unter den drei altitalienischen Kupferstichen nach des Leo-
nardo da Vinci Abendmahl, bei Bartsch XIII. S. 81. No. 26. 27
und 28, ist der letzte bei weitem der vorziiglichere, aber eben
deshalb keine Wiederholung von No. 27,-sondern ein Original-
stich. Er ist in der Art der Mantegna’schen Schule ausgefihrt.
Die beiden anderen sind sehr roh behandelt.

Von nur einem Schtler des Leonardo da Vinci habe ich
ein Paar, Kupferstiche aufgefunden, namlich von Cesare da
Sesto. Das eine Blatt stellt die Enthauptung Johannes des
Taufers vor. Ih einer reichen Landschaft kniet, halb nieder-
sinkend, der schon enthauptete Heilige; rechts steht der Hen-
ker, das Schwert in die Scheide steckend, neben einem gros-
sen Baum, wahrend die Tochter der Herodias mit ihrer Diene-
rin nach links davoneilet. Ohne Zeichen. Hohe: 7 Zoll 7 Li-
	1) In der ersten Ausgabe des Werkes, welches in Venedig 1494 er-
schien, befinden sich nur sehr einfache geometrische Figuren, sodann cine
Tafel mit 36 verschiedenen Bewegungen der Finger. Es fehlen aber der
Profilkopf, die Buchstaben und die Sdule nebst dem Gesimse. In dem Briefe
an Guidubaldo, Herzog von Urbino, wird des Leonardo da Vinci nicht ge-
dacht, obgleich er darin von den ausgezeichneten Kiinstlern seiner Zeit
spricht. Den Luca da Cortona (Signorelli) nennt er einen Schiler des Pietro
della Francesca. Den Marco Palmegiano und Mellocius (da Forli) Schiler
des Mantegna. Den Verrocchio nennt er Andrea Alverochius.