Meister der altitalienischen Schule. Die Figuren sind meist et-
was iiberschlank, besonders diinn sind die Beine der jugend-
lichen Manner. Die Behandlungsweise des Stiches nahert sich
der des Mantegna, bei welchem Bramante, све ег nach Mai-
land gegangen, sich in der Malerei soll vervollkommnet haben.
Das Bruchsttick des Blattes im Britischen Museum ist 25 Zoll
10 Linien hoch, 18 Zoll 9 Linien breit. — Duchesne glaubt es
von Mantegna, Andere wollen es dem Suardi, genannt Braman-
tino, zuschreiben, allein es ist sicher nicht von Ersterem und
scheint mir auch nicht vom Zweiten, da die Inschrift nicht auf Bra-
mantino lautet: einfach betrachtet scheint kein Grund vorhanden,
die Inschrift nicht auf Bramante von Urbino beziehen zu diirfen.

Es giebt noch einen andern grossen Kupferstich, darstel~
lend die Ansicht cines Hofes oder einer Strasse, mit schdnen
Gebaéuden umgeben, der mit der Inschrift versehen ist:

BRAMANTI AR
CHITECTI
OPVS.

Allein der Stich ist sehr verschieden von dem vorhergehenden
und in der Art und Weise des spaétern 16. Jahrhunderts behan-
delt. Es ist dieses Blatt daher wohl nur nach einer Zeichnung
des Meisters gefertigt, der bekanntlich in solchen perspectivi-
schen Architekturansichten Vortreffliches geleistet und einen
orossen Ruhm darin erworben hatte.
	Hiermit den Bericht tber die altesten Kupferstiche und de-
ren Meister schliessend, sei es mir vergénnt, nochmals einen
Blick auf das bisher Gesagte zu werfen, um das Ergebniss in
wenigen .Worten hervorzuheben. Ist es auch nicht gelungen,
mit Sicherheit anzugeben, ob Deutschland oder Italien die Er-
findung der Kupferstichkunst angehért, so ist doch nachgewie-
sen, wie zur Zeit des ersten bekannten Versuchs im J. 1450,
einen Metallstich auf Papier abzudrucken, durch die Berithrung
des Maso Finiguerra mit Roger von Briigge und von
diesem mit Martin Schongauer, die Kenntniss davon gleich-
zeitig fir beide Lander gewonnen worden ist. Sodann, dass
die friihsten Jahreszahlen, nimlich 1461 und 1464, auf Stichen
deutscher Meister sich befinden, und dass besonders der Mei-
ster € %, im Besitz einer schon sehr ausgebildeten Technik,
eine grosse Anzahl schéner Blatter geliefert, welche die Jah-
reszahlen 1461, 1466 und 1467 tragen, und wie er eine sehr
ausgebreilete Schule herangebildet hat; dass der noch tichti-
gere Martin Schongauer gleichzeitig gebliht haben muss und
gleichfalls zahlreiche Schiller oder Nachahmer ihm folgten,
endlich, dass in den eigentlichen Niederlanden, in der Eycki-
schen Schule, um’s Jahr 1480 die Kupferstichkunst des iSten
	Jahrhunderts zur héchsten Blithe gelangte, von deren frtheren  
	Epoche wir jedoch bis jetzt keine sichere Kunde erlangt haben.
Zu Anfang des 16. Jahrhunderts waren die hervorragendsten
Meister dieser Kunst der Deutsche Albrecht Diirer zu Nirn-
berg und der Niederlinder Lucas Huygens zu Leyden.

~ In Italien sahen wir, dass die verschiedenen Kupferstich-
schulen sich erst gegen das Jahr 1480 eigenthiimlich entwickel-
ten, nachdem bereits um 1460 Baccio Baldini, dann um 1470
Sandro Botticelli und Antonio Pollajuolo diese Kunst-
gattung cinheimisch in Florenz gemacht hatten; dass es zwei-
felhaft bleibt, ob zuerst Mantegna oder ein Venetianer den
Florentinern in jener Kunst gefolgt ist, dass aber die alter-
thimliche Behandlungsweise der Tarokkarten zu Gunsten des
Letztern zu sprechen scheint, wahrend sich dagegen der Ein-
fluss des Erstern sehr bald tiber das ganze Gebiet der lombar-
disch-venetianischen Lande verbreitete, und wir ebensowohl
von Zuan Andrea, als Antonio da Brescia und Nico-
letto da Modena, und selbst von Bramante in Mailand Blat-
	ter besitzen, in denen sich der Hinfluss des Paduaner Meisters
vorwiegend geltend machte. Erst zu Anfang des 16. Jahrhun-
deris sahen wir die Kupferstichschule des Francesco Fran-
cia in Bologna in eigenthiimlicher Weise erbliihen, die spiler
in Rom durch Mare Antonio die damals héchste Stufe ihrer
Vollendung in Italien erreichte und den ausgebreitetsten Wir-
kungskreis fand.

In Bezug auf die Technik, so sahen wir sie in Deutsch-
land weit friiher als in Italien eine kiinstlerische Ausbildung
erlangen; daher sie auch auf die Kupferstecherkunst in Italien
einen entschiedenen Einfluss ausgetbt. Schon Martin Schon-
gauer fand im 15. Jahrhundert in Meister Gherardo zu Florenz
einen getreuen Nachfolger; spater zu Anfang des 16. Jahrhun-
derts bewirkte die Bekanntschaft der Stiche des Albrecht Dii-
rer eine weit bessere Behandlungsweise des Grabstichels unter
den Italienern, sowohl in der Lombardei bei Benedello Mon-
tagna, in Venedig bei Jacobo da Barbary, als besonders
bei dem Bologneser Marc Antonio Raimondi.
	Aur Kunstgeschichte.
	Denkmate der Baukunst des Mittelaliers in
Sachsen. Abth. IL, die Kinigl Preuss. Pro-
vinz Sachsen enthaltend, Lief. 35—38. (Bd. Il.
Lief. 21— 24.) — Auch unter dem besondern Titel:
Mittelalterliche Bauwerke зи Mihtlhausen,
Nordhausen, Heiligenstadt und einigen an-
deren Orten Thiringens und des Eichsfeldes,
— Bearbeitet und herausgegeben von Dr. L. Puttrich,
unter besonderer Mitwirkung von G. W. Geyser d. J.
Leipzig 1850. 32 S. Text und 20 Blatt Abbildungen
in Fol.
	Die vorstehend genannten vier Lieferungen des bekannten
Puttrich’schen Werkes bringen den Schluss der zweiten Ab-
theilung desselben. Sie bilden wieder, wie dies schon friher
durchgehend bei den einzelnen Serien der Fall war, ein, im
Einschluss lokaler Bedingungen zusammenhangendes selbstan-
diges Ganzes und enthalten einen grossen Reichthum von Mit-
theilungen, die, je nach ihrer Eigenthimlichkeit, in mehr um-
fassender bildlicher Wiedergabe oder nach hervorstechenden
charakteristischen Einzelheiten behandelt oder auch, ohne be-
sondre bildliche Darstellung, nur im Text besprochen werden.
Wir lassen eine fitichtige Uebersicht der besonders bezeichnen-
den Miltheilungen folgen. Vorwiegend erscheinen diesmal die
Monumente des gothischen Baustyles in seiner Losung aus dem
romanischen und in seiner ersten schénen Durchbildung, — be-
sonders anziehend zunachst die der alten bliihenden Reichsstadt
Mithlhausen. Nachdem uns auf der Titelvignette die anmu-
thige Popperoder Quelle mit ihrer malerischen Umgebung be-
griisst hat, wird uns auf einer Reihe von Blattern, in Grund-
rissen, Aufrissen, zahlreichen Details und einigen schénen ma-
lerischen Ansichten des Innern und Aeusseren die grossarlige
finfschiffige Marienkirche, in dem wiirdevollen Ernst ihrer For-
men, mit ihrem eigenthtimlichen Giebelschmuck, ihrem reichen
Siidportal und der feicrlich weiten Erhabenheit ihres Imeren
vorgefihrt. Dann die dortige St. Blasienkirche, die in ahnli-
chem Slyle, nur einfacher ausgefiihrt ist, wahrend ihre Thirme,
in reichen Formen des Uebergangsstyles, eine besondere Auf-
merksamkeit erfordern. Einzelnes von andern Kirchen zu Mihl-
hausen, wie der Jacobi- und der Georgen- Kirche, folgt. —
Von den Kirchen zu Nordhausen wird hbesonders die Dom-