Ganze, und wenn wir eine dem einzelnen und zufalligen Bei- werk vorzugsweise gewidmete Durchfihrung stets nur nach eben dem Maasse gut heissen mégen, als sie den Beschauer von dem eigentlichen Hauptinhalt eincs Bildes nicht allzusehr abzieht, so scheint uns hier diese Grenze wenigstens nicht auffallig tiber- schritten, obschon wir glauben, dass es méglich gewesen wire, mit noch etwas mehr Unterordnung des Materiellen, den gei- stigen Eindruck des Dargestellten zu steigern. Sonst ist in diesem Fache etwas besonders Beachlenswerthes nicht vorhanden und wir gehen, ehe wir uns der eigentlichen Genremalerei zuwenden, zu dem Portrailfach iiber, in welchem einiger vor- zliglicher Leistungen Erwihnung zu thun ist; ein weibliches Portrait von Prof. Magnus in Berlin ist ebensowohl in der Auffassung als technischen Vollendung das vorziiglichste, was wir von genanntem Kiinstler gesehen. Die vollstindig gelun- gene Unterordnung alles dessen, was den Gesammteindruck beeintrachtigen kénnte, die bei dem ziemlich schwierig wieder- zugebenden, ausserordentlich zarten Colorit héchst giinstige Zusammenstellung der Farben, die Frische der Carnation und der meisterhaft wiedergegebene eigenthiimliche feuchte Glanz des Auges, machen diess Bild zu einem der gelungensten seines Faches. Eben so bedeutend, doch aber fast zu weichlich fir mannliche Farbung, ist uns das Portrait des Meister Begas, ihn selbst darstellend, entgegengetreten, ein jedenfalls treffliches Bild, das uns lebhaft hinsichtlich der Behandlung an ein eben- falls eignes Portrait von Mengs erinnert hat, welches friiher in der Sammlung des Herrn v. Krause auf Weistropp sich befand. Als wiirdiges Seitenstiick, obgleich nur eine Zeichnung mit dem Crayon, aber von héchst geistreichem und meisterhaftem Vortrag, reiht sich diesen ein Portrait unseres ehrwiirdigen Kunstfreundes v. Quandt, gezeichnet von Prof. Bendemann, an. Sonst haben wir an Portraits vorzugsweise Hervorr agendes nicht gefunden. Im eigentlichen Genrefach nehmen Fliggen’s ,Erbschlei- cher“ unbedingt den ersten Platz cin. Der letzte Moment einer sterbenden jungen Frau, die im Lehnsessel eben das Haupt zu- riicksinken lisst, den letzten Athemzug verhauchend, wie es die gespannte Aufmerksamkeit habstichtiger Verwandten und eines jesuitischen Pfaffen verrath, ist der Gegenstand der Dar- stellung, die sowohl durch eine wahrhaft dramatische Wirkung, als durch scharfe Characteristik der einzelnen Figuren und vor- treffliche Ausfiihrung sich auszeichnet. Das an sich manchen vielleicht Abschreckende des Inhaltes kénnen wir durchaus nicht als Hinderniss der bildlichen Darstellung ansehen, wie es von Einigen geschehen. Die Kunst ist iitberhaupt nicht blos zur stissen Ergétzlichkeit und gefalligen Schmeichelei da, und hat die bil- dende Kunst in dieser Beziehung durchaus andern Bedingungen nicht zu folgen, als denen, die von der Natur ihrer Darstellungs- mittel vorgeschrieben sind. Diesen aber ist in vorliegender Dar- stellung volikommen geniigt; zudem wird die Erscheinung einer Sterbenden nicht leicht so riihrend schén und mild aufgefasst werden, wie in dieser Leidenden; auch die Gestalten der Um- gebung sind nicht elwa abschreckend carrikirf, sondern von einer, allerdings fiirchtcrlichen aber tief ergreifenden Wahrheit, die einen achten Kiinstlerblick in das Dichten und Trachten der selbsiichtigen Welt verrath. Die Farbe ist kraftig und die technische Behandlung sehr tiichtig. Nachst diesem Bilde interessirt ein kleines Gemalde von Schuster, ,die Bravour eines sdchsischen Dragoners, der ein zuriickgelassenes Kanon gegen franzésische Reiter lange Zeit ganz allein vertheidigt, bis seine Kameraden ihm zu Hilfe cilen,* seiner lebendigen Darstellung wegen am meisten, obschon die Ausfihrung fast etwas allzu skizzenhaft erscheint. Es ist wohl richtig, dass ein so leichter, kecker und dabei sicher das Rich- Stimmung der Gesammtwirkung, die allenfalls fur das hin und wieder héchst auffallig Mangelhafte der Zeichnung entschadigt ; bei Fihrig’s Bildchen ist noch weniger und fast nichts, als ein nachahmendes Verstindniss des Typus, den Raphael fiir bi- blische Darstellungen geschaffen, zu erkennen. Auch in dem grossen Gemialde des Prof. Hibner: ,Hannah bringt ihren Sohn Samuel zum Hohenpriester Eli* kémnen wir ohnerachtet aller Meisterschaft der Durchfiihrung und bei aller angestrebten Grossartigkeit der Conception, beides doch nur als allzu ausserlich und nicht aus einer wahrhaft tiefen Em- pfindung hervorgegangen betrachten; das Bild imponirt eben nur dem Auge, wie diess auch zum Theil in Rahl’s ,, Boreas ent~ fiihrt Orithya durch die Luft“ in einem zwar elwas anderen Sinne der Fall ist. Von den Leistungen jiingerer Kiinstler zeichnet sich da- gegen, den hiebei anzulegendcn Maassstab nach, ein Bild von Wichmann, wozu die Worte: ,Kommet her zu mir alle die ihr miihselig und beladen seid“ das Motiv gegeben, sehr уог- theilhaft aus. Christus sitzend im Profil zur Rechten des Be~ schauers, empfangt mit gedffneten Armen die bei ihm Trost- suchenden, in denen wir die verschiedenen Lebensalter, weniger den Unterschied nach Rang und Beschifligung der Menschen, (wie diess z. B. in einem Bilde von Begas, das der preussische Kunsiverein fiir seine Mitglieder hat stechen lassen, der Fall ist) reprasentirl sehen. Die rechte Seite des Bildes berechtigt, was Composition und Zeichnung sowohl als Farbung anbelangt, zu schénen Erwartungen, und zeigt von einem machtigen Fortschritt des eben erst aus Italien zuriickgekehrten Kiinstlers; nicht ganz gleichen Schritt halten die zur linken Seite und im Hintergrund befindlichen Figuren. Einem Ueberschitzen der eignen Kraft, oder anderntheils einem Verkennen des Berufes, begegnen wir in einem grossen Altarblatte von Prof. Flor und einem Urtheil des Paris von Prof. Hauschild, und wenn, was wir der Wiirde der Kunst und der Kritik wegen tiberhaupt sehr beklagen, diese Bilder der willkommene Tummelplatz boshafter und hamischer Jour- nalistik und Possenreisserei geworden, so thut es uns doppelt leid, dieselben allerdings in besonderen Schutz nicht nehmen zu kénnen, hatte man aber nicht absichtlich nur das Misslungene und fiir Witzeleien Stoff gebende hervorzerren wollen, so wirde man selbst an diesen Bildern, namentlich dem Letzteren auch wohl manches Anerkennungswerthe haben finden kénnen, wie wir es wirklich gefunden. Im historischen Genre, das seinen Stoff aus dem Privat- leben historisch bedeutender Persénlichkeiten entlehnt, und so den Uebergang von der Historienmalerei zur eigentlichen Genre- malerei bildet, finden wir als vorzugsweise hervorzuheben ein Bild von v. Oer: ,Camoens, dem unglticklichen Dichter der Lusiade werden durch die Treue eines Sclaven, der heimlich fiir ihn gebettelt hatte, die letzten Tage seines Lebens gefristet.“ Der Kunstler ist im Wesentlichen der poetischen Auffassung dieses Stoffes in der bekannten schénen Novelle von Tieck ,Dich- tertod* gefolgt, in welchem das innige Verhaltniss eines Negers, der dort Antonio heisst, zu Camoens, als das eines alten treuen, ihm ganz ergebenen lahmen Dieners besonders hervorgehoben ist. Andere Andeultungen, wie z. B. das Medaillon auf dem Tische, das sich auf die Jugendlicbe Camoens zu Catharine von Atayde, dem Quell seiner Lieder und seiner Verbannung be- zieht, sowie der an der Wand hangende, mit einer Palme ge- schmiickte Kupferstich, welcher den von den Heiden erschla~ genen jungen Kinig Sebastian, seinen Ginner und Beschiitzer als Martyrer darstellt, zeugen von historischem Durchdringen der Aufgabe. Auffassung, sowie Zcichnung und Farbe, dem Stoff entsprechend, gewahren ein das Gemiith ansprechendes