Deutiches
	4eitung
fiir bildende Kunst und Baukunst.
	Дб ФИО.
	Organ
der deutSchen Kunstvereine
	Unter Mitwirkung von
	Kugler in Berlin — Passavant in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegmann in Diisseldorf — Schnaase
in Berlin — Schulz in Dresden — F6rster in Minchen — Eitelberger v. Edelberg in Wien
	redigirt von Dr. EF. Eggers in Berlin.
	Die Festgeschenke der Kinstler und Handwerker fir
Kénig Ludwig von Bayern.
	Ais man sich im Frihjahr in Miinchen iber die Mittel be-
rieth, dem Fest der Enthiillung der Bavaria Ausdehnung und
Gehalt zu geben, ward auch ein Geschenk in Vorschlag ge-
bracht und angenommen, das die Kinstler dem Konig verehren
sollten, und da sehr bald die Festvorbereitungen zu einer Ge-
meinschaft mit den Handwerkern fihrten, gingen diese auf den
angeregten Gedanken auch fir sich ein und erklarten sich be-
reit, zu dem von den Kimstlern beschlossenen Album einen
Schrank liefern zu wollen, vorausgeselzt, dass sie von den
Kinstlern mit einer entsprechenden Zeichnung unterstiitzt wiir-
den. Diess geschah. Der Maler Herwegen entwarf cinen
Schrank, dessen Haupttheil ein Pult bildete, zur Aufnahme und
Verschluss des Albums, in welchem aber auch sonst noch eine
Anzahl verschliessbarer Raume angebracht waren, und dessen
ganze Construction eine reiche Ornamentik im Styl des 15ten
Jahrhunderts mit sich brachte. Da gab es Schlésser und Wap-
pen und reiche Zierrathen, selbst Statuetten von Kinsilern und
Handwerkern, damit der Grundgedanke sich tiberall ausspreche
und Kunst und Handwerk im Ganzen wie im Einzelnen verei-
nigt erschienen, um dem Kénig fir die dem Gesammtleben des
Volks durch Erhebung der Kunst erwiesene Wohithat au dan-
ken. Mit Begeisterung wurde der Plan von den Burgern er-
griffen und die Arbeit mit beispiellosem Fleiss und Geschick,
mit der gréssten Liebe und Aufopferung zu Stande gebracht.
Aus Eichenholz geschnitten und mit dem neuen Pariser Firniss
iiberzogen steht der Schrank da, ein wirkliches Meisterwerk
unserer Tage. Er hat fast die Form eines 12 Fuss hohen, 8
Fuss breiten, 33 Fuss tiefen Allares, doch ist das eigentliche
Pult mit seinem Untergestell nur 4! Fuss breit, so dass Fuss
und Nebenbau neben dem Pult um ein bedeutendes Stick aus-
Jaden, das sodann von gewundenen Saulchen getragen wird.
Der Theil unter dem Pult hat drei senkrecht geschiedene Ab-
theilungen, von denen die mittlere breiter und vertieft ist und
einen verschliessbaren Raum enthalt, dessen Thiiren die kunst-
reichsten Beschlige und Schlésser deeken. In den Nebenab-
theilungen sind besondere Facher angebracht. Das Pult hat
ebenfalls cin ausserst reiches Beschlage. Neben dem Pult, in
der Tiefe, sind wiederum Facher, alle einzeln mit gothischem
Stab- und Blattwerk eingefasst, tiberhaupt der Baustyl bis ins
	Kleinste Detail jedes Nagelkopfes aufs strengste durchgefuhrt.
Von den Fachern zu beiden Seiten geht eine Art Laub-Ge-
lander vor, das in zwei Lowen endet. Der Raum Бег dem
Pult steigt pyramidalisch-stufenartig mit Nischen empor, die
durch Saéulchen oder Pilasterchen geschieden sind, auf deren
Capitilen die Statuetten von drei Kiinstlern, einem Architekten,
einem Bildhauer und einem Maler, und drei Handwerkern, einem
Tischler, einem Schlosser und einem Zimmermann, (nach den
Modellen von Halbig, Schaller, Brugger, Lossow, X. Schwan-
thaler und Schénlaub), in Holz geschnitzt, angebracht sind.
Die mittlere breitere Nische bildet einen verschlossenen Raum,
dessen Thiire auf das prachtvollste mit dem Wappen des K6-
nigs in Emaille und Gold (vom Juwelier Quellhorst) verziert
ist. Die Schlésser und Beschlage sind theils von Stahl, theils
und vorziiglich von vergoldeter Bronze, die Modelle dazu gréss-
tentheils vom Bildhauer Sickinger. Ausser den Genannten
haben sich an der Herstellung des Schrankes (laut der an der
Rickseite befestigten Urkunde) noch betheiliget die Tischler:
Fortner, Glink, Knéferl; die Giirtler: Sauter, Block,
Oberhiuser, Steble; die Schlosser: Heller, Andr. Drahne,
Ramsauer, Kélb], Bruder; die Silberarbeiter: Wester-
mayer, C. Weishaupt; der Buchbinder: Sauer.

Auf dem Pulte des also kunstreich gearbeiteten Schrankes
liegt das Album, in Form eines Buches, 26 Zoll breit, 20 Zoll
hoch und 73 Zoll dick, eingebunden in dunkelrothem Sammet
(vom Buchbinder Schlegel), mit Ornamenten und Beschlagen
von vergoldeter Bronze und Emaille nach dem allgemeinen Ent-
wurf von Herwegen und Creling. Diesem nach wird dic
Мше der Vorderseite eingenommen von einem in kiinstliche
Brillanten eingefassten Medaillon von 6 Zoll Durchmesser, des-
sen Relief (von Widnmann) den Konig Ludwig zeigt, umgeben
von Architekten, Bildhauern und Malern, bei denen wenigstens
der Absicht nach Bildnisse angebracht sind. Das Medaillon hat
die Inschrift: Ich Jebe in Euerm Wirken!“ Worte des K6-
nigs, die er gegen die Kiinstler-Deputation vor zwei Jahren
bei seiner Thronentsagung gedussert. Vier kleinere Medaiilons
von 4 Zoll Durchmesser nehmen die Ecken ein. Die Reliefs in
ihnen zeigen die Kinstler in ihrer gesonderten Thauigkeit, dic
Architekten mit dem Plan der Auer Kirche und der Glypto-
thek(?) (von Hautmann), die Bildhauer und Erzgiesser mit dem
Modell der Bavaria (von Halbig), die Historienmaler, beschiif-
ligt an einem Frescobild der Glyptothek (von Creling), die
	Genre~ und Landschaftsmaler im Freien (von Widnmann). Alle
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