378
	Figuren sind — wenigstens der Absicht nach — Bildnissge-
stalten, nett gezeichnet, fein modellirt und malerisch gruppirt.
Die Widmungsurkunde ist in ein ungemein reiches gothisches
Blatterornament, vom Styl des 15. Jahrhunderts, nach den Mo-
dellen von Sickinger gefasst und der Art eingefiigt, dass
zwischen den beiden obern Medaillons des Kénigs Wappen,
umgeben von den Wappen von Bayern, Franken, Schwaben und
Rheinpfalz, in Emaille (vom Juwelier Quellhorst) in besagtem
Blattwerk angebracht ist mit der Unterschrift: , Ludwig I. Ko-
nig von Bayern“, zwischen den beiden untern Medaillons aber
das Kiinstlerwappen in gleicher Einfassung mit der Unterschrift:
» Die deutschen Kiinstler a. d. 1850%. Eine phantastische Thier-
figur bildet die Schliesse; Stabe und Buckeln laufen ringsum,
und auch die Riickseite hat ahnliche Ornamente. (Die Erzar-
beiten, Ciselirungen und Vergoldungen sind von F. Miller.)
Das Ganze macht einen tiberraschend reichen und prachtvollen
Eindruck, und muss in Anordnung, Verhalinissen und Formen
als ein Werk feinen Geschmacks gertihmt werden. Auch darf
wohl einiger Nachdruck darauf gelegt werden, dass man sich
zur Herstellung dieses Ktiustlergeschenkes an den Kiinstlerftr-
sten nicht an die Kunst Griechenlands und Roms gewendet,
sondern seine Krafte aus vaterlindischen Quellen geschépft hat,
ein Zeichen, dass man das Bediirfniss nach durchdringender
Lebenswarme in den architektonischen Regionen mehr und mehr
versplrt. Nur an einer Stelle erscheint in der Conception ein
Missgriff: in der Gestaltung nimlich der kleineren Medaillons,
bei denen man, um nur lebenstreu zu bleiben, die unerlass-
lichen Anforderungen an die héhere Kunst - Allgemeinbedeut-
samkeit und Schénheit, unberticksichtigt zu lassen sich ge~
zwungen sah, und selbst in eine miissige und lastige Wieder-
holung verfiel. Architekten, Bildhauer und Maler umgeben den
Kénig. Gut! und vortrefflich passt das Motto. Nun kommen
aber die Kinstler, dieselben und einige andere noch einmal
und arbeiten in den Nebenmedaillons. Abgesehen, dass die
Figirchen unter das Maass fallen miissen, das noch Ausbildung
von Form und Styl in Erz gestattet, sind nicht nur durch Auf-
fihrung Einzelner alle Anderen ausgeschlossen, sondern es ist
sogar die weitreichende Thatigkeit des Einzelnen in die enge
Sackgasse eines einzelnen Werkes getrieben, ja bei der Un-
moglichkeit wahrhaftiger Darstellung auf eine geradezu nur sym-
bolische oder — wenn nicht — dann ginzlich nichissagende
Handlung beschrankt, wie beim Erzgiesser, der neben der Ba-
varia mit einem Handpfannchen arbeitet. Fiir solche Falle hat
die Kunst, die alter ist, als die Weisheit unserer Tage und
doch auch auf lebendiger Empfindung und Anschauung beruht,
die Allegorie erfunden, die den Begriff im Ganzen ausspricht,
erwartet aber freilich vom Kinstler, dass er verstehe, in Ge-
stalt, Form und Bewegung, unterstiiizt von den beigegebenen
_Attributen, den Gedanken zugleich wahr, schén und deutlich
vor die Sinne zu stellen. Wie schén, wenn hier mitten in dem
unruhigen Reichthum von Ornamenten an der Stelle der vielen
kleinen Figtirchen die vier Schwestern, in deren Auftrag sie
arbeiten, in cigner Person die Ruhe wieder hergestellt hat-
ten! Die Kunst kann durch tibelangebrachte und geistlos be-
handelte Allegoricn frostig und lacherlich werden; allein sie
wiirde ohne dieselbe nur die Wah! zwischen Diirfligkeit und
Geschmacklosigkeit behalten. Hatte nicht z. B. folgerichtig statt
der Wappen die Landkarte oder eine schéne Gegend von Bayern
angebracht werden miissen? (Schluss folgt.)
	Die diesjahrige Kunst-Ausstellung in Dresden.
(Schluss.)
	4m Landschaftsfache finden wir auch diessmal wie gew6hn-
lich einen grésseren Reichthum von vorztiglicheren Leistungen,
sowohl im Portrait und der rein naturalistischen, als in der
mehr dem psychischen Naturleben sich zuwendenden Richtung.
Eine gréssere Landschaft von Morgenstern, die Heide an der
Ammer bei Polling ohnweit Miinchen darstellend, ist ein Bild,
das gewissermaassen beides in sich vereinigt, und wir fithren
es aus diesem Grunde zuerst auf. Das Terrain eines von ab-
wechselnder Nisse und Trockenheit zerrissenen unfruchtbaren
Bodens, hie und da mit dirfliger Heide bewachsen, etwas seit-
warts das mit wenigem Buschwerk umgranzte tiefer liegende
Bett der Ammer und eine hinter schwerem nebligten Gewdik
die Sonne verbergende Luft, in der die weile Ferne verschwindet,
geben ein so vollstindiges-Bild jener triiben, nicht eben erquick-
lichen, aber nichisdestoweniger interessanten Natur, in die man,
wie das Haupt der Medusa immer wieder hineinsehen muss, ob-
schon einem dabei grauset, und sind mit einer so vollendeten
Technik dargestellt, dass wir diess Bild zu den vorztiglichsten
landschaftlichen Schilderungen zahlen miissen.

Zwar nicht so fein in der Empfindung fiir dieses eigen-
thiimliche Weben und Walten der landschaftlichen Natur, jedoch
mit eben so tiichtiger Meisterschaft und in einem andern Sinne
dasselbe erfassend, finden wir in Zimmermann’s Wasserfall
eine Natur geschildert, wie wir etwa von Everdingen in der
Auffassung Aehnliches hie und da gesehen zu haben uns erinnern.
Den Platz in der Natur, welcher dem Kistler dieses Bild ge-
geben hat, kennen wir nicht, doch muss es ein bekannter oft
benutzter sein, wir finden ihn in Calame’s herausgegebenen litho-
graphirten landschaftlichen Blattern ebenfalls wieder. Vorziig-
lich schén sind das Wasser und der Mittelgrund und nur die
im Vorgrunde befindlichen Gegenstinde haben, wie wir das an
mehreren Bildern Zimmermann’s bemerkt zu haben glauben,
etwas allzusehr der blossen Decoration sich Annaiherndes, nicht
genug Durchgebildetes, sind mit einem Worte etwas leer. Das
Bild gehért aber nichtsdestoweniger zu den vorztiglicheren des
Kiunstlers.

In ganz anderer Weise erfreut uns ein Bild des Hofmaler
Oehme, irren wir nicht, einer Gegend ohnweit Birenstein eni-
nommen, welches einen so feinen Ton abendlicher Ruhe und
Stille hat, dass man das Abendlauten in den umliegenden Orten
zu héren glaubt, obschon man mitten von Bergen und Wald
umgeben vor einer einsam gelegenen Forsterei steht. Diese
Stimmungen sind eigentlich das Element dieses Malers und ge-
lingen ihm, wie Keinem, und gern vergessen wir dabei, was
etwa Anderen als etwas diirflig oder nicht kraftig genug, na-
mentlich im Vorgrunde, erscheinen mag, weil wir nicht ganz
ablaugnen mégen, dass auch diess zu der von Oehme gewollten
poetischen Stimmung mit beitragt, und uns eben so wahr er-
scheint, wie Anderen eine vielleicht effectvollere und brillantere
Farbung und Abstufung der Tone, wie die Natur sie wohl auch
hat, und wie die Schule sie preiset.

Noch ein anderes, mehr noch dem Bereich der Dichtung
und der eignen Composition angehérendes Bild desselben Kiinst-
lers, schildert uns das geisterhafte bleiche Mondlicht in Schilf
und Gezweig cines waldigen Sumpfes, der an dic Lieblings-
plitze der Elfen, Willis oder anderer Geister der deutschen
Volkssagen erinnert, und wirklich hat eine Nixe am Kingang
einer Hohle, ihr feuchtes Haar ordnend, bereits Platz genommen,
das Bild heisst daher auch die Nixengrotte; sollen wir offen
gestehen, was uns an diesem Bilde am wenigsten gefallt, so