Indem wir — obschon Feind aller Censur — doch mit dem Wunsche schliessen, dass jede Production an den ihrer Natur und ihrem Zweck entsprechenden Ort gewiesen werden mége, wollen wir diesen Dingen mit Vergniigen in gewerblichen, mit Hochachtung in wissenschaftlichen Ausstellungen wieder begeg- nen, auf Kunstausstellungen aber, nur ungern. Fried. Rud. Meyer. Diisseldorf im Herbst 1850. Die akademische Galerie. Die vom Rheinischen Kunstverein gegrundete und auf Kosten desselben vermehrte Akademische Galerie besitzt eine Reihe hichst interessanter Gemilde der hiesigen Schule. Zu den friihesten Erwerbungen dieser Sammlung gehort ein grosses Figurenbild von Prof. C. Sohn und eine umfang- reiche italienische Landschaft von Prof. W. Schirmer. Jenes: » lasso dichtend, im Garten der Villa d’Este, von den beiden Eleonoren belauscht* (lebensgrosse Figuren in reich und ge- schmackvoll componirter Landschaft) ist durch eine, nach dem Original gefertigte Lithographie hinlanglich bekannt; diese durch die von dem Kiinstler eigenhindig gearbeitete und vom Kunst- уегет fiir seine Mitglieder bestimmte Radirung. Als nicht weniger bekannt kann ich die folgenden zwei Gemalde, welche der Verein im Jahre 1845 fiir die Galerie bestimmte, voraus- setzen. Sowohl Ch. Kéhler’s ,Hagar und Ismael in der Witste* (lebensgrosse Figuren) als auch Andreas Achenbach’s ,Har- dangerfjord in Norwegen“ befand sich im Jahre 1844 auf der Berliner und anderen Kunstausstellungen. Eben so lebt das grosse, figurenreiche und charaktervolle Bild von A. Tiede - mann ,Norwegische Sectirer“, welches im Jahre 1848 die Ausstellungen schmiickte, und ebenfalls Higenthum der Dissel~ dorfer Galerie ist, gewiss noch im frischen Andenken eines jeden Beschauers und bedarf daher wohl keiner naheren Be- schreibung. Weniger allgemein bekannt méchten indess zwei andere Bilder sein, die zu den neuesten Erwerbungen dieser Samm- lung geliérend, sich sowohl durch eine grosse Meisterschaft in der Behandlung wie durch die Eigenthimlichkeit ihres Inhaltes besonders auszeichnen. Das eine, ein kleines Seestiick von Andr. Achenbach, das andere, eine figurenreiche, landschaft- liche Composition von F. Lessing. Das Bild von Achenbach, eine hiéchst einfache Compo- sition, zeigt uns die ganze Oede der sich einténig bewegenden See: Nur der Fliigelschlag einiger Scevigel belebt den einsamen Wellenschlag des schwarzlichen Meeres, der sich hier in seiner diisteren, gespenstigen Grossartigkeit zeigt und von der dun- kelnden, den nahenden Sturm verktindigenden Luft begranat das geisterhafte Walten des zirnenden Elementes ahnen liasst. — Es ist cin Bild voll héchster Lebendigkeit und Wahrheit und eine schéne Zierde dieser Sammlung. — In anderer Weise er- greifend, — vielseitiger und rein menschliche Interessen be- rihrend — wirkt die unter dem Titel ,Lanzknechte* von F. Lessing gemalte Composition: — Die Scene ist das Plateau eines hochgelegenen, von einer steil sich senkenden Mauer um- zogenen Kirchhofes, dessen Hintergrund die von Biumen um- gebene, durch Brand und Kugeln stark gelittene Kirche bildet und in deren Nahe einige Verwundete liegen. Zwischen Lei- chensteinen und Grabhiigeln, von denen einige aufgewtihlt, die Schaédel lingst Verstorbener dem Tage wiedergeben mussten, sehen wir eine bedeutende Anzahl Lanzknechte in der zur Zeit des dreissigiahrigen Krieges ecbriuchtichean, malerischen Tracht ware es eben diese Nixe selbst, abgesehen davon, dass das Bild dieser, dasselbe naher bezeichnen sollenden Figur wirklich nicht bedarf, ja wir méchten sogar sagen, die Stimmung, in die man versetzt ist, eher stért, da man von einer wirklich gehabien Ahnung in die nackte Wirklichkeit versetzt wird, so ist diess Absichtliche des Kiinstlers auch in die Art und Weise der Dar- stellung der Gestalt selbst tibergegangen, und wir wiinschten fast Géthe’s Worte gingen hier in Erfillung: ,da sank sie hin und ward nicht mehr gesehn“. Auch von diesem Bilde werden Diejenigen, welche das poetische Herausfiihlen und Unterordnen der naturalistischen Naturerscheinung nicht wollen, tiber allzu- grosse Monotonie klagen und mehr sehen wollen. Zwei vorziiglich feine Bilder von Schleich in Minchen, das kleinere eine Ebene im Frihling darstellend, das andere eine sumpfige Gegend bei Miinchen, ahnlich dem Bilde von vo- rigem Jahre, ,am Starenberger See,“ sind, wie alle Bilder dieses Kiinstlers, in jenem ausserordentlich feinen Luftion, der die feuchte Atmosphare der Miinchner Umgegend characterisirt, ge~- halten und von geistreicher Behandlung. Auch von Koeck- koeck finden wir eine ausserordentlich schéne Winterlandschaft, in der uns nur die Eichenstimme, die immer mit einem allzu- rundlichen weichen, nicht characteristisch genug gezeichneten Geaste bei diesem Kiinsller erscheinen, wiederum etwas stdrten, denn sonst ist die Landschaft jedenfalls zu den vorztiglichsten Bildern des Winters dieses Meisters zu rechnen, Auch von Verburgh erhielten wir einen Winter, ein sehr treffliches mit der bekannten Virtuosiiat der Niederlander ausgefiihrtes Bild- chen, das ein gefrornes Wasser in dem gewohnlichen Character niederlaéndischer Landschaften mit Schlittschuhlaufern und Dorf in der Ferne darstellt. — Gurlitt gab uns in glihendem Sonnen- licht dagegen eine Gegend von Palermo, die zwar tiber das Por- trait der Landschaft sich nicht viel erhebt, allein mit zarter Mei- sterschaft und gesattigter Farbung ausgefiihrt ist. Noch ware wohl einiger kleineren, sehr tichtigen Bilder zu gedenken, wenn wir uns nicht vorgenomimen hatten, unsere Besprechung nur auf das vorzugsweise in die Augen Fallende zu beschranken. Ein Fruchtstick von Fraul. Elise Wagner, der in diesem Fach bereits rihmlichst bekannten Kinstlerin, zog mit Recht alle Aufmerksamkeit auf sich, so wie ein kleineres Bild in Shnlichem Genre von Dah] jun,, Rebhtihner und Friichte darstellend, einen tiberraschenden Fortschritt beurkundet; auch von Hammer waren Fichse mit ausserordentlichem Talent auf- gefasst und mit technischem Geschick wiedergegeben, jedoch gelingt dem Kiinsiler noch nicht recht die, die Theile eines Bildes gehérig trennende Haltung, weshalb es zu einer rechten Wirdigung der wirklich sehr verdienstlichen Ausithrung des Kinzelnen bei Vielen nicht kommen wird. Noch zweier Gegenstande, so verdienstlich das eine wenig- stens in seiner Art auch immer sein mag, mlssen wir, als auf eine Kunstausstellung eigentlich nicht gehérend, erwihnen, weil die Zwecke einer solchen von denen, wofiir diese Dinge ge- schaffen, zu weit entfernt sind; das Erste, eine tibrigens héchst verdienstliche Arbeit fir den Salon einer naturforschenden Ge- sellschaft, ist eine in SOmaliger Vergrésserung gemalte Libelle uber dem Spiegel des Wassers auf eben so vergriésserten Hal~ men und Wasserlinsen sitzend, ein in Bezug auf bildlich schéne Erscheinung allerdings monstréses Geschépf; das Andere, noch viel weniger hingehérig, weil es eine dem Kunstsinn geradezu widerstrebende blédsinnige und ginzlich zwecklose Richtung verfolgt, ist eine Landschaft, statt gemalt aus bunten Papier- schnipseln miihselig zusammengesetzt, eine Arbeit, die nach des Kiinstlers (7?) eigner Angabe mindestens 2 Jahre gedauert, aber nic ts erzielt hat, als ein Bild, das dem mittelmassig in einer Woche gemalten nicht an die Seite gesetzt werden kann.