dern noch forthildungsfahig sei, durch diese Arbeiten nicht iur
erwiesen halten. Denn Heideloff erscheint uns in denselben fast
durchgehends wohl als geschickter, ja auch geschmackvoller
Combinateur, weniger als Erfinder origineller Schépfungen.
Seine Behauptung ist nichts desto weniger ganz richtig; zum
Beweise erlauben wir uns ein Werk des Berliners Strack an-
zufiihren, die eben ini Bau ristig vorschreitende Petrikirche,
in welcher durch freie Benutzung alter Formen, durch geist-
volles Durcharbeiten und Umgestalten ein durchaus originelles
Kunstwérk entstanden ist.

So viel uber dies erste Heft. Wir hoffen und wiinschen,
dass die folgenden Abtheilungen in ausreichenderer Weise, na~
mentlich durch Hinzufigung der unentbehrlichen Grundrisse und
Durchschnitie, die Sache der mittelalterlichen Baustyle ver-
fechten. Uebrigens fordert der Nirnberger Bau- und Gewerk-
verein auch andre Architekten zur Betheiligung und 2u Bei-
iragen auf. :

Noch einige Worte tiber die angehangte Abhandlung von
dem Kirchenbau der Protestanten. Mit Recht eifert Hei-
deloff gegen jene Auffassungsweise, welcher beim Bau einer
Kirche kein andres Ideal vorschwebt, als die Lésung der Auf-
gabe: ,Wie bringt man mit den geringsten Kosten eine gewisse
Anzahl Menschen neben- und iibereinander unter Dach, so dass
sie vor Sturm und Regen geschiitzt sind?“ Mit Recht stellt er
solch trivialem Verfahren gegeniiber die Forderung auf, dass
die Kirche ein Kunstwerk sei. Aber wihrend er so die
Rechte der Kunst gegen den einen Feind vertheidigt, giebt er
sie einem andern, nicht minder gefahrlichen Preis, indem er
die Kirche zugleich zu einem steinernen Dogmenkatechismus,
zu einem Lehrbuch christlicher Symbolik machen will. Wenn
er als unentbehrliche Theile der Kirche ein Kreuzschiff fordert,
, analog mit dem gekreuzigten und auferstandenen Heiland “,
(,vier Quadrate in der Lange als Symbol des Stammes und der
Evangelisten, und drei Quadrate als das Querholz des Kreuzes
und Symbol der heiligen Dreieinigkeit“!); wenn er ferner ver-
langt, ,es sollen der Saiulen zwilfe die Anzahl der Apostel,
und vier weitere die vier Evangelisten als Trager der christ-
lichen Gemeinde aller Welt symbolisiren“: so sind das Nichts
als mystische Tandeleien, die héchstens durch die unverniinf-
tige Starrheit ihrer willktirlich rein aus der Luft gegriffenen
Vorschriften dem kiinstlerischen Charakter der Kirche schaden,
ohne je den Erfolg zu erreichen, den H. sich davon verspricht,
das christlich -religidse (richtiger das kirchlich-dogmatische )
Bewusstsein neu zu beleben. Nicht darin liegt der so sehr
beklagte Verfall des kirchlich-religidsen Lebens unsrer Zeit
begriindet, dass jene ertriumten mystischen Beziehungen, die
eine vage Phantasie den Werken der Kunst als Missgeburten
unterschiebt, aus den Gemiithern der Menschen verloren ge-
gangen sind; niemals haben diese oder ahnliche Ideen den
wahren Kiinstler geleitet. Und muss denn immer und immer
wieder von allen Seiten her eine wirre Menge von rein 4usser-
lichen, also fremdartigen Bezichungen in das reine, freie Gebiet
der Kunst hineingetragen werden? Kann denn der Sinn so
mancher Menschen sich durchaus nicht jene Unbefangenheit und
Freiheit des Geistes erringen, die eben so zum Schaffen wie
zum Geniessen von Kunstwerken nothwendig ist? Im Interesse
der Kunst miissen wir auf’s Entschicdenste jedes Gesetz zuriick-
weisen, welches, ohne aus dem Wesen der Kunst selbst zu
fliessen, derselben als lahmende Fessel sich aufdréngen will.

Der Verlagshandlung sind wir schliesslich noch die Notiz
schuldig, dass das Heideloff’sche Werk durch die rihmlichst
bekannte Kunstanstalt von Karl Mayer in Nirnberg ein Muster
	gediegener Ausstattung Ist. W, Lithhe.
	deloff dargeboten wird, so bedauern wir, hier durchgehends
auf einen Mangel zu stossen, der sich uns sehr fithlbar gemacht
hat: das ganze Werk besteht nur aus Facgaden; ausser bei der
Kirche von Oschatz findet sich kein Grundriss, kein Durch-
schnitt. Und doch ist es gewiss, zumal bei Privatbauten, wich-
tig, die Einrichtung, innere Anlage, die Verhdltnisse, die Be-
nutzung des Raumes und des Lichtes deutlich vor Augen zu
haben, um iiber die praktische Befahigung des Baumeisters ein
Urtheil fallen zu kénnen. Wiirde man es unsern Kinstlern ver-
denken, wenn sie desshalb den Heideloff’schen Entwiirfen den
Vorwurf machten, dass sie blos der Facade wegen da scien;
wenn sie ihm den Tadel, Nichts als , Hauserfutterale* ge-
schaffen zu haben, zurtickgiben? Wir kénnen daher im In-
teresse des Styles selbst, den er mit so schéner Treue ver-
theidigt, nur wiinschen, dass derselbe durch ausgefihrtere bild-
liche Herausgaben auch Andersglaubenden gegenitiber sich Gel-
tung verschaffe. Auch in Beziehung auf Reinheit des Styles
missen wir uns einige kritische Bemerkungen erlauben. Drei
Entwiirfe von Privathdéusern (Tafel II., If. und VIIL) sind ginz-
lich frei von Stylfehlern; dasselbe gilt von der Kirche zu Oschatz
(Tafel IV.): in diesen Arbeiten waltet Einsicht und kiinstleri-
scher Takt. Auch die Fagade eines Rathhauses (Tafel VI.) in
zwei Halften, die eine gothiseh, die andere romanisch, welche
zwischen beiden Stylen eine Concurrenz eréffnet, zeigt im Gan-
zen schéne, reine Verhiltnisse und Formen; doch hier zeugen
z. B. die Rundbogen, durch welche die Fensterpfeiler verbun-
den werden, schon von einem weniger’ strengen Formverstand-
niss: der schwer wuchtende Rundbogen, der, ein Sohn der
Scholle, kaum emporgeschnellt, immer wieder zu Horizontalen,
seiner Mutter, zurdicksinkt, steht in asthetischem Konflikt mit
dem freien, luftig aufschiessenden Spitzbogen der unter Jenem
wie in schwerem Banne liegenden Fenster. Die beiden lelzten
Tafeln wollen unserm Kunstsinne nicht zusagen: diese Fagaden
dreier Privathéuser ,im Uebergangsstyl“ zeigen Spitzbogen und
Rundbogen vermischt, aber in prinziploser Abwechselung;
schlanke Spitzbogenfenster werden von dickleibigen Sdulen ein-
gefasst und durch einen zudringlich breiten, lastenden Horizon-
talsims tberdacht; auch die Dachgesimse sind nicht eben von
grazidser, leichter Formation.

Noch eine allgemeine Bemerkung kénnen wir hier nicht
unterdriicken, die nicht allein manche Heideloff’sche Arbciten,
sondern durchweg auch die neuere Miinchener Architektur
trifft. Wo wir namlich dort den romanischen Styl angewandt
sehen — und bekannilich ist dies der Lieblingsstyl der Min-
chener Schule —, da sind fast nie die anmuthigen Formen ge-
wahlt, welche die romanische Architektur in ihrer héchsten
Bliithezeit so reich hervorgebracht hat, sondern in konsequenter
Weise nimmt man gerade die schwerfalligeren, derberen Motive:
Saulen ohne alle Verjimgung; Kapitéle von primitivster kubi-
scher Bildung; Details, die nicht so sehr aus einem innern
Princip organisch gewachsen, als vielmehr durch Willkiir zu-
sammengesetzt erscheinen. Vielleicht haben wir in diesem Hange
eine specifisch Bairische Eigenschaft zu erkennen, wihrend die
Berliner Architektur in den enlgegengesetzten Fehler zu feiner,
minutiéser Detailausbildung verfallen ist. Dagegen hat ein andrer
stiddeutscher Kiinstler, Eisenlohr in Karlsruhe, der demselben
romanischen Style huldigt, ungleich schénere, edlere Bildungen
daraus geschaffen. In den Heideloff’schen Heften mégen die
Tafeln 5, 8 und 9 der Details unsrer Bemerkung zum Belege
dienen.

Aber auch cine besondre Originalitat vermégen wir in
den vorliegenden Entwiirfen grossentheils nicht zu entdecken,
und der Kinstler mége uns verzeihen, wenn wir seine Behaup-
tune, dass der Spilzbogensty] keineswegs abgeschlossen, son-