Mewiiehes
	4eitung
fir bildende Kunst und Baukunst,
	Kunftblatt.
	Organ
der deutSchen Kunstvereine,
	Unter Mitwirkung von
	Kugler in Berlin — Passavant in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegmann in Dusseldorf — Schnaase
in Berlin — Schulz in Dresden — FOrster in Minchen — Hitelberger v. Edelberg in Wien
		„Де

50.
	redigirt von Dr. F. Beggers in Berlin.
	Montag,
	den 16. December.
	tauchen aul, rauschen voriber und gehen unter immer in anderen
und wieder anderen Gestaltungen. Dazwischen dréhnt der feste
Schritt hochragender Persénlichkeiten und thre Gedanken und
ihr Wille zieht einen weiten fernhinwirkenden Kreis um sich
herum. Der Reichthum der Gruppirungen wachst zum Erdriicken.
Wie soll das Alles hinein in sechs arme Rahmen? Wie soil
dieser gigantische Stoif, der den Reiz zu hunderten von Bildern
in sich tragt, bewdaltigt werden?

Man muss sich schon entschliessen, ein wenig tiefer in
das Innere zu dringen, den Faden des Zusammenhanges auf-
suchen, mit grossen Massen wirthschaften und in ihnen die
Kernpunkte erforschen. Eine denkende Betrachtung der Ge-
schichte gruppirt leicht nach den nacheinander zur Geltung ge-
kommenen historischen Vélkern und wiirde dem Orient, Grie-
chenland und Rom an der einen und den germanischen Vélker-
schaften an der andern Seite ihre Platze anweisen, wobei aller-
dings ein Geschichtsdrama, wie Entfaltung, Blithe und Untergang
der griechischen oder rémischen Welt nur auf ein einziges Bild
in dem grossen Cyclus Anspruch machen durfte. Innerhalb dieser
Volkerwelten wire wieder nach einem Ereigniss zu suchen, wel-
ches den Glanz~ oder Hohepunkt bezeichnet, der also fiir die klas-
sischen Volker auch derjenige Punkt ist, welcher dem Abwarts-
gange dicht vorauf geht. In der germanischen Welt kamen da-
bei das frihere und spitere Mittelalter und die neuere Zeit in
Betracht, und man hatte an dem Reiche Karls des Grossen, an
den Kreuzztigen und endlich der Reformation gewissermassen
drei wichtige Punkle, drei Acte eines Drama’s, in dessen 4. Act,
dem Zeitalter der Revolution, wir noch begriffen sind und dessen
Бег zur endlichen Herrlichkeit oder zum Untergange hinaus~
fiihrender Act noch in der Zukunft verborgen liegt. Somit er-
scheint auch die Zahi sechs als eine sehr gliicklich gewahlle
oder gefallene.

Bei einer solchen Gruppirung des Stoffes handelte es sich
also gleichsam um sechs Kardinalbegebenheiten, welche, mit
iiberzeugender Realitat dargestellt, den Beschauer fiir das jedes-
malige Volk oder die jedesmalige Periode ganz hinnahmen, so
dass ег, von cinem grossen Ereigniss in das andere mit leben-
diger Theilnalime hineingerissen, an alle welthistorischen Auf-
gaben, an alles Kampfen und Ringen des Menschengeschlechts
erimnert, wie vor dem grossartigslen Schauspiel gestanden zu
haben meint, das sich mit der ganzen Gewalt der realen Er-
scheinung vor ihm abspielt, — Das Bewusslsein des Zusammen-

hangs dieser Momente gelangt als solches nicht zur Darstellung
50
	Ein Gang in das neue Museum zu Berlin.
	Die Arbeiten Kaulbach’ s.
	Von Fr. hgegers.

(Fortsetzung von No. 45.)
	Hs ist unstreitig eine der herrlichsten, grossartigsten Auf-_
gaben, welche dem Kunstvermégen der Gegenwart geslellt
worden ist: die Weltgeschichte in 6 grossen Bildern
zu malen. Die weitgedehnten Raume eines Hauses, das zu
einem Schatzhause alter und neuer Kunst bestimmt ist, wurden
ihm dazu angewiesen. Mit den Hilfsmitteln der Stereochromie,
also mit Farben, deren Kérper~Substanz der Stein, wie seine
Nahrung, aufsaugt, dass er sie sich formlich assimilirt, wahrend
er ihren geistigen Gehalt nach aussen strahlen lasst, mit dieser
technischen Eroberung der Kunst sollte sie ein immerdauerndes
Zeugniss ablegen von dem, was sie heute machen und voll-
bringen kann, von dem Héchsten, was sie zu leisten fahig ist,
im Geistigen, wie im Technischen. Nicht sollle, in Bezug auf
jenes der Kiinstler gebunden sein, den Geist seiner Darstel-
lungen von der Bedeutung und dem Zweck des Gebiudes zu
borgen, sondern gerade dadurch sollte der Tempel der Kunst
am wiirdigsten geschmiickt erscheinen, dass man sie den Inhalt
ihrer Schépfungen von jenem Gebiete entnehmen hiess, auf
welchem sie heutzutage die zeitgemissesten Stoffe fir ihre
Darstellung zu suchen hat: eben von der Geschichte. Und ein
Kunst-Monument von dieser Art steht dem Mittelpunkte gei-
stiger Kultur so wohl an, an dem auch die ubrigen héchsten
Geistesinteressen _einer freien Entwickelung und Pflege nicht
entbehren. Dazu musste man einen der Koryphien deutscher
Malerkunst rufen. — Man wahlte Kaulbach.

Was fiir ein Gefihl muss tiber den Mann gekommen sein,
da man ihn rief, dieses Weligericht zu malen, und in ihm ganzen
Menschengeschlechtern, die in Millionen von Menschenkindern
davorstehen werden den grossen Spiegel der Erkenntniss vor-
zuhalten und an ihre Seelen zu schlagen, dass sie Funken der
Freude und Erhebung von sich geben. Wie muss er sein er-
weitertes Herz eingerichtet haben zu einem Freuden- und
Schmerzensbecher der Vélker und muss durch ihre Walhallen
und ihre Nebelhaine gewandert sein mit klarem Blick und fe-
stem Sinn.

Da drangen und haufen sich die Begebenheiten; ganze Volker