lirend zu Werke gegangen, so wird auch der Beschauer aul mehrfache Weise geistig und zwar meist verstandesmassig be- schafligt. Er muss eben noch andere Fihlfaden seines Geistes ausstecken, als die Phantasie; die stisse Arbeit des Genusses kann nicht so unbchindert vor sich gehen, ja, wenn er mit gutem Willen ausgeriistet ist, auf Auslegung und Ausdeutung einzugehen, so ist er wohl gar in Gefahr darin zu weit zu ge- rathen und in Gribelei zu verfallen. ; Bei der vorliegenden Aufgabe freilich dringte die Riesen- massigkeit derselben und der im Verhiltniss zu ihr geringe Raum auf die symbolische Behandlungsart hin. Ja auch die Form der Felder scheint dieselbe zu begiinstigen, indem ihre betracht- liche Hohe doch nicht verloren gehen soll. Leichter findet sich auf solche Art etwas, das die obere Halfte des Bildes uber den Kopfen der handelnden Figuren des Vorgrundes auszufillen ge- schickt ist und doch zugleich von Bedeutung und Gewicht und nicht bloss als zum Ausfiillen dahin gemalt erscheint. Kaulbach gab diesen oberen Raum dem mitagirenden Himmel. Der Juden- gott und die Propheten, Jupiler mit seiner Tafelrunde, der gottgesandte Sohn des christlichen Golles, Alle treten nach ein= ander auf diese Himmelsbiihne. Der Kiinstler beschwért sie selber, statt sich zu begniigen, in den Menschen da unten zu zeigen, dass Gott lebt. Ausser diesen dusserlichen Griinden miissen wir eben die tieferen in des Kinstlers innerem Ent- wicklungsgange suchen. Von Jugend auf war ihm die Bibel das Buch der Bicher. Die epischen Dichter der Alten, die Sagen- und Legendenbiicher unseres Volkes und auch wohl die alten Dramatiker, diese waren und sind noch seine Lieb- lingslectiire. In der von ihr geschaffenen Welt lebte er, daran erbaute er sich. Durch diesen Bildersaal schreitet er heiter und schdnheitsfroh und offen fiir alles Grosse und Herrliche, von dem er sich gern die leichtbewegte Seele rihren lasst, wie yon den Ténen der Musik, die er leidenschafilich liebt. Dabei wurzelt er mit den Anfingen seiner kiinstlerischen Ausiibung in Minchen, wo er der Welt des Katholizismus zwar dusserlich gegeniiber stand, aber doch mit kiinstlerischer Unbefangenheit und Bereitwilligkeit im Aufnehmen von ihr Eindriicke empfing, die er auf seine Art zu verarbeiten suchte. Wir dirfen an- nehmen, dass die Hinneigung zum Symbolisiren wenigstens durch seinen Aufenthalt in Miinchen nicht vermindert wurde. Man hailte sich eigentlich nur zu wundern,, dass der Kistler nicht noch tiefer dahineingerathen ist. Davor schiitzte ihn aber seine echle, auch fiir das sinnliche Moment gedffnete Kiinstlernatur. Und dass ihm die Sprache der schénen, sinnlichen Wirklichkeit so verstandlich und gelaufig ist, dass er um sich sieht mit offnen klaren Augen, jene von iiberall her aufzunehmen versteht, um sie durch das Bad der Taufe in seinem Innern wieder verklart in die Erscheinung treten zu lassen, darin liegen die starken Wurzeln seiner Kraft, darin liegt die Anziehung und Wirkung, die er austibt, dadurch erfreut er oft bis in’s Innerste der Seele. So hatlen wir nun alle Bedingungen beisammen zu dem Resultat, das uns als die Schépfung des Meisters entgegenspringt. Wir haben oben gesagt, Kaulbach habe den geschichilichen Stoff zuu Theil aus der Hand des Mythus enlgegengenommen und dadurch, wenn auch nicht durchaus den Boden der Rea- litat verlassen, doch auch nicht immer an ihm festgehalten. Wir deuteten schon an, dass sich seine Bilder nach oben und unten in zwei Parlicen scheiden, oben handele der Himmel, unten die Menschen. Nun ist dieser Himmel stets der Anschau- ung des jedesmaligen Volkes und der jedesmaligen Zeit gemiass, so dass wir eigentlich einen religionsgeschichtlichen Cyclus vor uns haben. Denken wir uns namlich hiernach die zweite Wand den Entwickelungsmomenten des Christenthums cingeraumt, so ent- und die Kunst verschmaht es, dasselbe durch Zeichen anzudeuten ; es liegt vielmehr in der Seele des Beschauers, wo es aber auf- geweckt werden kann durch die miachtige Ansprache, welche die lebensvolle Vergegenwiartigung eines Riesenmoments aus- autiben vermag. Damit hatten wir, eh’ wir es uns versahen, den Wunsch aufgestellt, den historischen Stoff seiner Behandlung nach in realer Weise, seiner Empfingniss nach méglichst dramatisch verarbeitet zu sehen und zugleich unsern Standpunkt klar be- zeichnet. Aber es pflegt nicht die Sache des bildenden Ktnstlers zu sein, die verstaubten Pergamente auszugraben und an ihnen zu ziffern, sich mithsam hindurchzulesen durch den gelehrten Ap- parat einer Biicherwand. Folgt er auch manchmal gern einer in kerniger, oft poetischer Schlichtheit vorgetragenen Erzahlung aus alten Chroniken, so liebt er es doch besonders, wenn ihm der Dichter auf seine Art die alten und neuen Geschichten zu- bereitet, oder er geht hinaus und lasst sie sich von den stammen Triimmern versunkener Grésse erzahlen, bei denen oft ,, jeder Stein eine modernde Chronik ist“ und die oft lauter und be- redter sprechen, als alle Menschenzunge. Das Alles wirde ihn noch nicht so unbedingt davon entfernen, streng historisch in der Wahl seiner speciellen Stoffe fiir die einzelnen Bilder zu sein und ist keineswegs so sehr ein Schépfen aus zweiter Hand, als wenn er sich die grossen Stoffe zutragen lisst, wie sie die allgemeine Phantasie der Vélker schon in der Religion verarbeitet und damit fir bildliche Darstellung vorbereitet hat. Dies hat Kaulbach gethan. Er zieht wenigstens den Mythus mit in seine Darstellung hinein; freilich mehr in der Weise, dass er anstatt zu malen, was er glaubt, das Ereigniss des Glau- bens Anderer malt, aber dennoch genug, um seine Bilder eben so wohl in das mythische als in das historische Gebiet zu rechnen. Zweitens aber erleichtert ihm diese Anlehnung an die Mythe die Neigung zu symbolischer Darstellung, die liberall auf seinen Bildern sich eine gleiche Berechtigung mit den einzelnen dem Boden der Realitét entwachsenen Ziigen zu verschaffen weiss. Leichter schien sich allerdings so der quellende Reichthum von Gestalten und Begebenheiten tiberwaltigen zu lassen. Der Kiinstler brauchte dann nicht auf eine gewisse epische Breite in dex Darstellung zu verzichten, er brauchte nicht nach dem tiefsten Gehalt der gréssten Begebenheiten zu fragen. Was er durch ein Symbol andeutete, das gilt fiir gemalt, und so ein Symbol ist michtig und vielsagend. Durch eine Figur kann ein ganzes Volk, durch eine Bewegung der Verlauf des Schick- sales desselben angedeutet werden. Ausserdem vernichtet das Symbol die Schranke des Raumes und der Zeit. Die Abge- schlossenheit der sechs Rahmen verschwindet, die ganze Wand ist gleichsam ein einziges Feld. Die Hauptbegebenheiten, nach denen wir die Bilder Kaulbach’s zu benennen gewohnt geworden, sind nur Grundakkorde, nur die Hauptgedanken der Eroica der Weltgeschichte, es lasst sich noch sehr Vieles daranhangen und mit in den Rahmen bringen, sobald die Realitat aufgegeben wird. Die real historische Darstellungsweise, welche die Aufgabe hat, die Spitze der Handlung in ihrer ganzen Scharfe und Gewich- tigkeit zu geben, welche das Voraufgegangene und die Resul- tate aber nur andeuten kann, -—— diese hilte es also nur mil 6 Momenten zu thun gehabt. Der kiinstlerische Inhalt und Werth des Bildes hatte neben der glicklichen Wahl des Momentes nur in der Kraft und der Wahrheit liegen kénnen, womit dieser Moment zur Anschauung gebracht ware. Vor so cincm Bilde giebt es nicht viel zu reflectiren. Man kommt, sicht und wird mehr oder weniger besiegt. Anders vor einem Bilde von sym- bolischer Composition. Wie der Kiinsller selber dabei reflec~