aus der bisherigen Behandlungsweise des Stoffes. Bleibt der Kinstler dieser getreu, so muss ihm nothwendig, gleich wie ihm Polytheismus mit den Griechen und Auftosung der Kulte mit Rom verbunden waren, Christenthum und Germanenthum die nichste Verbindung sein. Wohin gehen denn die bei der Zer- stérung Jerusalems foriziehenden Christen? In die germanische Welt! Will nun der Kistler mit seinen Darstellungen, wie an den Mythus so auch an die Sagenwell anlehnen, so ist Karl der Grosse mit seinen Paladinen der erste Held der germanischen Sage und zugleich der erste christliche Glaubensheld. Deshalb treten wir mit dem bestimmten Vor- schlag hervor, der Kinstler mége an die Stelle des einen fer- tigen Entwurfes den andern einschieben, wir meinen den in No. 13 unseres Blattes von Hrn. Forster beschriebenen, welcher Karl den Grossen und Wittekind darstellt, nach der Besiegung des Letzteren, wie er das Friedensbiindniss eingeht, das ihn der neuen Lehre zufihrt. Wir kommen hier um so lieber auf dieses Bild zu sprechen, als wir darin den Beweis finden, dass Kaulbach es allerdings vermag, unmittelbar in den urspriing- lichen Stoff der Geschichte hineingreifend, real-historisch zu komponiren. Die Hauptgruppe namlich dieses Bildes in der Mitte, auf der einen Seite Karl, auf der andern der Sachsen- Herzog mit seiner Familie, in dem Moment, wo beide Helden sich die ritterliche Rechte reichen, ist von echt historischem Geiste durchweht. In allem Werk umher, in dem Christentempel rechts und der brennende Druide links, in dem Erzbischof Turpin, der den heidnischen Priestern das Evangelium vom Pferd herunter auslegt, Haimonskindern, drohenden Sachsenweibern u. s. w., ist neben mancher charakteristischen Figur, die von historischem Marke gendhrt ist, freilich wieder gar Manches von des Malers symbolischer Compositionsweise, wodurch er zu allerlei son- stigen Betrachtungen einladet, damit der Zuschauer sich jene Zeit wohl vergegenwartige und sich erinnere, dass das Christen- thum tber das Heidenthum siegte. Aber ich muss immer wieder zurickblicken auf die Gruppe dort in der Mitte. Da ist kein Zug in dem heldenfesten, derben Antlitz des Wittekind, der nicht zugleich bezeugte, wie schwer ihm wird, diesen Hand- schlag zu thun, und wie fest er ihn halten wird, da er ihn cinmal gethan. Die ganze zu Karl hinaufschreitende Stellung, die zu- riickgewandte Linke, mit der er die Familie fasst, die trotzigen, ehrlichen Ziige, das schlichtwallende Haar, kurz Alles an dieser Gestalt riickt uns die ganze Persénlichkeit des ritterlichen und heldenhaften Feindes des grossen Karl so entschieden nahe, dass wir den fir ihn so gewichtvollen Moment mit erleben und um Alles nicht einem geringeren Karl begegnen méchien, als ihn der Kistler dort geschaffen hat. Denn nur in dieser herr- lichen und ruhig-imposanten Figur, in deren Haltung und Zigen sich Kraft und Milde wundersam vereinen, und welcher dasteht wie ein Sieger, der sich und seiner Macht, aber noch mehr dem Glauben gekdmpft und gesiegt hat, nur in diesem Karl ist jene Seelengrésse anzutreffen, welche, wie die Geschichte lehrt, der eigentliche Ueberwinder des kampflusligen und kampfgerechten Sachsenherzogs war. So ist der eigentliche Vorgang ein inner- licher, aber diese beiden Figuren sind die beredtesten Verkiindiger desselben, und dadurch, dass er auf das freie Feld verlegt wurde, erhielt der Kiinstler Gelegenheit, manch’ kriegerischen Apparal und sonstige Zuthaten zu entfalten. . Auch die Familie des be- zwungenen Sachsenherzogs ist eine schéne Gruppe. Die wei- nende Frau, stolz und ergeben zugicich, das echte Weib eines Helden, die wehklagende Tochter, die in ihrem Innersten schwer getroffene Greisin, die wohl nicmals mit ihrem ganzen Herzen dem neuen Gotte gchéren wird: Alles menschlich schon und vortrefflich individualisirt. Solche Charakteristik, die nun auch in der aussern Erscheinung die historische Treue festhalt, das aus nur durch den Gedankenfaden des Beschauers mit dem ganzen Bilde in Verbindung. — Die Schutzmauer der Engel vollzieht fiir das Auge und den Verstand die Trennung von dem besonderen Bilde der Zerstérung Jerusalems und stempelt die Christengruppe zu einem fir sich abgeschlossenen Bilde, das so zu sagen eine Vision der Zukunft ist, die Hoffnung auf die Bewahrheitung dessen, was die Propheten da oben vorherver- kiindigt haben. Diese Gruppe hat eine gewisse riihrende Schén- heit; aber so anziehend sie auch stets fir uns war, so we- nig hat es unserm auf reale Darstellung gerichteten Sinn im- mer gefallen wollen, dass wir nicht, der christlichen Liebe gemass, Anstalten gemacht sehen zur Mitnahme der am Wege knieenden weinenden Kinder. Sie bitten und weinen, und Jene? — singen Psalmen! kaum dass ein Engel und ein Knabe, ohne sich aufzuhalten, ihnen zuwinken. Liegt hier noch eine Inten- tion des Kinstlers, die wir nicht verstehen? Will er vielleicht, immer den Gesammtkreis der Bilder in Gedanken habend, an- deuten, dass vor der Hand und noch lange der Glaube hoher gestellt wurde, als die That? sonst dacht’ ich, kénnte sich die christliche Liebe kaum schlimmer aussprechen, als wenn sie sich lissig zeigt in Werken der Barmherzigkeit, — Wir bemerkten schon, dass Kaulbach sich in so fern dem ganzen Stoffe objectiv gegenibersteilte, als er das Volk stets mit dem Mythus malte, den es sich selber gebildct hatte. Hiermit befindet sich nun der ewige Jude in Widerspruch, welcher der Held einer Legende des Mittelalters ist. Freilich vermindert sich dieser Vorwurf, wenn wir einmal von der Forderung abstanden, ein abgeschlossenes Ganze fiir jeden Rahmen zu haben, und blieb dann nur der Wunsch, dass der Jude, gleich der Christenfamilie, auch der folgenden Zeit zueilte, wahrend der Raum gebot, ihn auf die andere Seite zu stellen. Ahasver wird von Furien mit Schlangen gepeitscht. Der Kistler firchtete wohl, man wiirde neben so vielen Gestalten der Verzweiflung und des Jammers in dem davoneilenden Ungliicklichen nicht sofort den Ahasver erkennen? Ich glaube fast, dass wir diesem Bedenken jenes erklaérende Gefolge zu verdanken haben, das den in die irdische Ewigkeit Verstossenen als ein Wesen anderer Art, als eine legendarische Person, als ein Schemen charakterisiren sollte, zugleich einen Gegensatz bildend gegen die Engel auf der andern Seite, Es ist dieses Bild also der gewaltige Auflésungsprocess einer ganzen Welt, aus der sich der Keim einer neuen entringt, der sich in die Zeiten, welche nun kommen sollen, hiniber rettet. So also erscheint Rom auf diesem Bilde als der Arm des Weltgerichtes, welcher die vorhandenen Gottesanschauungen aufléset, den Sitz der einen Ausserlich verderbend, innerlich die andere aufreibend durch Weiterbildung in fremdem Geiste und machtlos gegen die dritte, welche von nun an gelten soll. Auf diese Art reiht sich das in Frage stehende, schon frither fir die neue Pinakothek in Minchen in Oel gemalte Bild durch- aus dem Cyclus ungezwungen ein, so dass es scheint, als ob es jetzt hatte ebenso komponirt werden miissen, wenn es nicht schon vorhanden gewesen ware. Dies ist.nun weniger der Fall mit der zunachst folgenden Darstellung: der Hunnenschlacht. Diese scheint wirklich etwas gewaltsam hereingenommen zu sein und wiirde auch — wie wir schon friher bemerkten, — nicht ohne Verdnderungen, welche dieselbe genauer einfugten, aus- gefiihrt werden. Vielleicht wirkte die Lust des Kinstlers, dieses herrliche Werk in Farbenpracht zu schen, ein wenig mit zur Wahl. In Bezug auf den allgemeinen Gedanken des Cyclus ware der Stoff der Vélkerwanderung allerdings eine Weiterbil- dung desselben, die Vernichtung des vernichtenden Werkzeuges vom vorigen Bilde. Allein in der besondern Verarbeilung dieses Stoffes nach einer Sage, nach welcher die Schaaren Altila’s aufgingen gegen die Schaaren Rom’s, liegt ein Heraustreien