ADA gewinnen seine Arbeiten einen inneren geistigen Zusammenhang, der durch das, stets dem Inhalte entsprechende Colorit, auch dusserlich als ein harmonischer erscheint und ihnen so den Stempel des in sich Abgeschlossenen und Fertigen aufdriikt. Weil H. so vom Gefiihl geleitet wird, neigt er sich denn auch am liebsten zu Darstellungen, in denen die liefempfindende Seele als das bewegende Element vorherrscht. Grosartige Com- positionen, denen ein rein geschichtliches Factum zu Grunde liegt, sind nicht seine Sache; lieber schliest er sich an einen bereits dramatisch vorgestalleten Stoff an, und zwar vorzugs~ weise aus der Sphaire des Gemiithslebens, um ihn auf seine Weise zu behandeln und malerisch durchzubilden. Hier ist es vor Allem Shakespear der ihn begeistert — nach, ihm wahlt er am liebsien seinen Stoff, und indem er jenen als eine Quelle fiir seine kiinstlerische Thatigkeit betrachtet, sieht er sich durch ihn auf das Studium der Seelenausserung hingewiesen und be- findet sich somit in diesen Werken des Dichters, in seinem eigenen urspriinglichen Element. So entlehnte denn auch zu diesem Bilde der Kiinstler seinen Stoff dem Shakespear und wahlte aus Kénig Lear des vierten Aktes siebente Scene. Wir erblicken in der Milte des Bildes auf einem Stuhl, gegen ein Kissen gelehnt — die gebrochene gebietende Gestalt des kranken Kénigs, angethan mit einem verschossenen violett- lichen Kleide, unterhalb mit einem goldbrokatnen hermelinbe- setzien Mantel bedeckt, in liegender halbgestreckter Stellung. — Er ist so eben erwacht und indem er sein, von innerem Gram und Kummer durchfurchtes, von Silberhaar hedecktes, majesta- tisches Haupt emporhebt, erblickt er vor sich in gebeugter Stel- lung die halb knieende Gestalt seiner von ihm verstossenen und dennoch so liebevollen Tochter Cordelia. — Diese, in inner- ster Seele bewegt, faltet krampfhaft die halberhobenen Hande, tief versunken in Schmerz tiber die Leiden ihres vielgeliebten Vaters. — Der Konig, wie von einer himmlischen Erscheinung bewegt, ihre Gegenwart mehr ahnend wie begreifend, schreckt zusammen, und die rechte Hand von sich streckend, als wolle er ehrfurchtsvoll weichen, fihlt krampfhaft die Linke an sein tiefverwundetes krankes Herz, das zum erstenmal wieder wir- mer zu schlagen anfangt. Hinter dem Stuhl, tiber die Lehne desselben gebiickt, in beobachtender Stellung neigt der Arzt, ein Mann im schwarzen, pelzverbrémten, weiten Gewande, mil ruhigen und ernsten Ziigen, bereit mit einem Medikament, wel- ches er in der rechten Hand halt, dem Kranken Linderung zu verschaffen. — Hinter diesem, vor dem Ausgange des Zeltes, in welchem die Handlung vorgeht und durch den wir eine An- deutung des Lagers wahrnehmen, steht dem Hintergrunde zu- gewandt ein von dem Vorgange tief ergriffener Diener der Cor- delia, seine Thranen in der, vor das Gesicht gehaltenen Hand verbergend; seitwarts von diesem, weniger bewegt und mehr neugierig erregt, blickt eine hinzutretende Dienerin tber den sich neigenden Arzt, auf den Lear. Dieser Gruppe gegeniiber, auf der entgegengesetzten Seite des Bildes, hinter der Cordelia, ganz im Helldunkel, steht die mannlich~kraftige und doch er- schiitterte Gestalt des Kent, einfach kriegerisch gekleidet, das Haupt entblésst und die Hinde vor sich auf eine Streitaxt ge- stiitzt. Ihm zur Seite, dem Hintergrunde naher, zeigt dic Figur eines Edelmanns die weniger tief ergriffene, dennoch theilneh- mende Persénlichkeit eines Freundes des Grafen. — Den Hin- tergrund bildet die innere Draperie des Zeltes. — Schon der hier vom Kiinstler gewdhlte Moment zeigt ge- nau die Richtung seines Strebens, und die grosse Schwierigkeit der sich gestellten Aufgabe die wahre Begeislerung fiir dasselbe. Wahrend die Tragédie des Lear voll von tief ergreifenden Situationen ist, die Stoff genug zu ausserordentlichen auch dusser- lich wirkenden Darstellungen liefern, so wahlte Hildebrandt den- noch einen Moment, in dem die feinste und zarteste Seite der Seele, die Liebe, und zwar die reinste, die eingeborne Kindes- liebe, zur Erscheinung kommt, hierdurch aber erhalt diese Composition thren eigenthtimlichen Adel, denn indem wir bei der Wahl dieses Stoffes durch die Darstellung gerade dieses Momentes itber das in der dramatischen Schilderung vor- waltende Herbe und Herzzerreissende des dort waltenden Schick- sals hinweggefiihrt werden und statt dessen hier das mit dem Schicksal Vorséhnende im Menschen — das Grosse und Er- habene einer tief empfindenden Seele dargestellt sehen, so er- fallt uns die Composition mit inniger Rithrung und lasst uns das Aeussere ihrer Erscheinung, iiber dem geistigen Gehalte vergessen. Eine solche Wirkung ist jedoch wieder ein Resul- tat der kiinstlerisch technisch vollendeten Darstellungsweise und indem wir durch sie so in das innere Wesen einer Composi- tion hineingefiihrt werden, dass uns das Aeussere, Technische, weder durch seine herrschende Selbstaindigkeit, noch durch seine Abhangigkeit irgend wie stérend entgegentritt, erken- nen wir in diesem schénen Gleichgewicht zwischen Gehalt und Darstellung die wahre harmonische Vollendung des Kunstwerkes, dessen Hauptzweck ist, den Geist, nicht das Auge allein zu rihren. — Hildebrandé gehdért unstreitig mit zu den besten Colo- risten Diisseldorfs und wenn er zuweilen dies ihm eigenthiim- liche Talent fiir die Farbe auf Kosten des Inhalltes zurickdrangt, so zeigt dies wiederum von seinem feinen Gefthl fir Harmonie, das ihn bei der Ausfihrung leitet, um die Farbe dem Gegen- stande anzupassen und mit diesem im Gleichgewicht zu erhalten. Dass Bilder, wie sie Hildebrandt malt, schwer durch die vervielfaltigenden Ktinste wiedergegeben werden kénnen, beweisen leider eine Anzahl Kupferstiche, die nach ihnen ge- ferltigt wurden, und ohne auf friihere hierhergehérige Arbeiten einzugehn, verweisen wir nur auf das, nach dem Gemialde »Othello und Desdemona‘ jiingst verferiigte Blatt. — Weniger weit vorgeschritten als obiges Bild sahen wir eine historische Composition von H. Stilke. Sie behandelt einen Moment aus der englischen Geschichte, der, obgleich auch von Shakespear dramatisch bearbeitet, hier jedoch mehr rein ge- schiehtlich aufgefasst ist, und somit die Composition nicht als ein Produckt jener dichterischen Auffassungsweise erscheinen lasst. Der vom Kinstler gewahite Moment enthalt die, durch Richard Il. herbeigefihrie, gewaltsame Trennung der Séhne Eduard IV. von ihrer Mutter. An der rechts im Vorgrunde des Bildes knieenden, tiefbewegien Kéniginn, schmiegen sich ihre beiden Séhne zartlich an, von denen jedoch der Acltere mehr Entschlossenheit zeigt, wahrend der Todtsinnende Richard, von Gewaffneten gefolgt, seine Rechle nach dem, bei der Mutter Schutz suchenden, jiingeren Knaben ausstreckt. Durch das Ge- folge der Kénigin, hinter ihr naht der Erzbischof. — Die ganze Handlung geht im Innern einer reichen gothischen Architektur vor sich. Die auf dem Bilde dargestellten, lebensgrossen Fi- guren sind nicht nur mit ausserordentlichem, kiinstlerischem Geschick in dem ihnen angewiesenen Raum componirt, als sich auch das Ganze durch eine ausserst geschmackvolle und im Charakter der Zeit consequent durchgefiihrte Anordnung schon jetzt auszeichnet. Ein, im ungewéhnlich grossen Massslabe begonnenes Gemilde ist die Arbeit des Nordamerikaners Leutze. Der Kiinstler, seit mehreren Jahren in Diisseldorf anwesend, gedenkt nach Been- digung des Bildes, mit demselben heimzukehren. Die Compo- silion behandelt den Ucbergang Washingtons tiber den Delaware. Die Mitte des Bildes nimmt ein grosses, stark mit Mann- schaft besetztes Bot ein. In diesem, zwischen unregelmassig