Hrn. Recensenten, die mehrbesagte Nichterwahnung als beson- ders ungereimt, euphemistisch als schwer erklarlich, hervor- azuheben, sehr erklarlich finde. Eben so erklire ich es mir aus analogen Griinden sehr leicht, wenn es von einer andern, ibrigens nicht minder respectabeln Seite her als eine sehr diirf- tige und einseitige Behauptung aufgenommen wurde, dass ich, nicht gerade jede andere, als die humoristische (z. B. nicht die §. 109. ausdriicklich als berechtigt anerkannte trocken mo- ralische), wohl aber jede pathetisch-sentimentale Auf- fassung der Idee des Todtentanzes einen triibseligen Missgriff nannte — eine Ansicht, von deren Unhalibarkeit ich mich auch jetzt noch nicht tberzeugen kann, die ich jedoch weit entfernt bin, als alleinseligmachenden Glauben an irgend welche Hegel’- sche oder Rosenkranz’sche apodiktische Orakelspriiche predigen zu wollen, wiewohl ihr freilich der geistreiche Rosenkranz schon vor geraumer Zeit, abgesehen von der betreffenden Stelle in seiner Geschichte der deutschen Poesie im Mittelalter, in einem mir zu meinem Bedauern erst nach der Herausgabe des Todtentanz - Alphabets bekannt gewordenen Aufsalze ) gliick- licher, als ich es verméchte, das Wort redete. A, Eiliasen. Zu vorstehender Erwiderung habe ich nur hinzuzufigen, dass es mir schwer erklarlich ist, wie meine Worte in dem Zusammenhange, in welchem sie vorkommen, Hrn. E. so schwe- res Aergerniss geben konnten, was sie nicht so!lten und wollten. т. г. ML Kindersehriften mit Bildern. (Fortsetzung.) Singweisen zu Hebelschen Liedern; solche Bewohner des Wie- senthales aber, wie sie uns mehrfach in Kupfer gestochen vor- gefihrt worden sind, wenn auch noch so bebandert oder be- dreimastert, bietet uns das wirkliche Leben eben so wenig dar wie Claurensche Mimilis. Das Leben ist Gott sei Dank tiberall wahrer, grésser, gesunder und darum wirklich auch роейзсйег. Um so wohlthuender und erfillender haben uns daher durch- gingig die Zeichnungen Richters angesprochen, die an Wahrhaftigkeit der Auffassung, an Frische der Gestaltung, so wie an Tiefe der Dichtung (denn jede solche Zeichnung ist selbst ein Gedicht) nichts zu wiinschen tbrig lassen. Wie acht wiesenthalerisch oder auch, wenn man_ will, schwarzwilderisch sind die Gestalten auf Bl. 26. 34. 42. 67. 71. 94. 109. 116. 125. 139. 195. 205 (etwas zu vorschweizerisch vielleicht 187) u.s. w.; wie kiinstlerisch gehoben gleich die Eingangsbilder zu Hebels Gedichte von der Wiese: das in der Felsenhéhle in der Wiege liegende Kind, das der Wolke die Arme entgegenstreckt, vor ihm Blumen, iiber ihnen Vogel und Regenbogen; der aus der Héhle und Baumesdickicht mit dem Quell hervortretende Knabe, der dem Gesange der Végel liber ihm lauscht; drauf das Madchen vor dem Messe lesenden Priester in der Waldkapelle; die sinnende Jungfrau, die sich umhalsenden Schwe stern; die sich jubelnd begriissenden J tin g- ling und Jungfrau. Da reichen sich Dichtung und Wahr- heit, wie Dichtkunst und zeichnende Kunst schwester- lich die Hand. Tief dichterischer Ernst herrscht in den Bil~ dern: die Irrlichter {8, Kartenschligerin 44, der Mord Kathe’s 49 und Selbstmord Michels 52, Gespenst an der Kanderer Strasse 80, auf einem Grabe 129, der Januar 149, der dengelnde Engel 175. Wie hell ,,brennen hier die zwei Lichtchen“ neben demsel- selben aus den Zweigen eines erstorbenen Stammes wie Gas- oder Irrlichter in den tiefen Wald hinein. Welcher treffliche Humor aber ist 2ugleich diesem wie vielen andren (38. 98. 106. 114. 154. 156. 166. 172. 173. 175. 190. 212), auch klei- neron Bildern (33. 38. 41. 55. 59. 65. 76. 102. 105. 114. 180. 132. 138. 204. 207) beigegeben, die alle ausgezeichnet genannt werden miissen. Nicht minder eine Anzahl Anfangsbuch- staben (16. 23. 60. 78. 83. 213. 215 etc.) und Vignetten (64. 66), selbst blosse Blumen-, Frucht- und Flaschen-Schnor- kel (85. 143. 162. 185. 204 etc.). Wie unnachahmlich z. B. die inkorporierten Sonne und Sterne 38, der mit Wetzschger und Wanderstab oder Kriicke versehene Spatz auf dirrem Zweige 41, der dem warnenden Engel entgegenklotzende Bauern- bube beim Erdbeerensuchen 154. 156, Amor am Brunnen 102, der aus der bayrischen Halben vor dem gefliigelten Knaben zechende Kafer auf der Lilie 83, der Hahn 138, u. s. w. u. Ss. w. Wo sollen wir aber bei den grésseren Bildern tiberhaupt anfangen? wo enden? Man schlage S. 109 das treffliche „Наъет- muss“ auf oder „Напз ипа Kathe“ 99, daneben den Schreiner- gesell 98, die Verganglichkeit 143, die Feldhiiter 161, das Schwarzwalder Hauschen 185, die Stérche 120, die gliickliche Frau 195, Agathe an der Bahre ihres Pathen 205, die Ueber- raschung im Garten 198, Sommerabend 67, die Marktweiber in der Stadt 60, das Hexchen 53, der Sperling am Fenster 39, die dengelnden Bauern 33 — — wie trefflich ferner die Kinder~ отирреп 113. 112. — — iiberall die -vollendetste Zeichnung, wahrste Zusammenfassung und unmiltelbarste und doch verklirte Auffassung des Lebens, so dass wir nur in die wahren und warmen Worle cinstinmen kénnen, mit denen R. Reinick die Einfihrung der Bilder §. VI. schliesst: ,,Wer einen frischen gesunden Stamm in den Boden pflanzt und mit Liebe und Treue seiner wartet, der kann gewiss sein, dass dieser Stamm auch lange nach seinem Tode immer neue Bltithen treibt. Solche Blithen sind diese Bilder. Wohl Jeder, der sich daran Wir fahren fort in unsrer Musterung oder Rundschau von Kinderschriften. —- Wenn wir darunter auch das nachfol~ gende naher bezeichnete Buch hbegreifen, so wollen wir nur gleich gestehen, dass wir auch grosse Kinder kennen, d. h. erwachsene kindliche Seelen, die sich gern alles wahrhaft Kindlichen noch freuen, was dann gewiss auch fir wirk- liche Kinder und deren Augen wie Herzen eignet. Man méchte sagen — dugnet (wie Ereigniss von Auge kommt), indem das Auge das Thor und die ihm dienende oder sich seiner bedienende Kunst die Pfortnerin des Herzens ist. Jenes oben genannte Buch sind die so eben vor Weih- nachten noch auf 1851 bei G. Wigand in Leipzig erschienenen: vhllemannischen Gedichte Hebels. Ins Neuhoch- deutsche tiberiragen von В. Reinich, mit Bildern nach Leichnungen von Ludwig Richter“ in Dresden. эт. 6. Pro: 1 Ther. 20 Sgr. Von Lelzterem ist in demselben Verlage zugleich auch eime Auswahl yon Zeichnungen in Holzschnitten, unter dem etwas sonderbaren Titel ,,Richier-Album“ erschienen, auf das wir zu- rickkommen werden. Fiir heute ist es uns um die Zeich- nungen und Holzschnitte zu den Hebelschen Gedich- ten, diesem wahren Hausschatze aller kindlichen fricdlichen Seelen, zu thun. Hebels ,,allemannische“ Gedichte (die bekanntlich Hoffmann der Fallersleber seiner Zeit nicht tibel nachgeahmt hat) sind schon vielfach Gegenstand wie der musikalischen, so auch der bildlichen Composition geworden; aber wie in den T6- nen, so ist auch die bildliche Darstellung dabei nur zu ой an der Seite jener Gedichte hangen geblieben, die ihnen unleugbar auch schon beigemischt ist, Чег — sentimentalen, reflectierenden. Doch kennen wir auch vortrefflich gelungene 1) In der Yalleschen Literaturzeitung 1832, Band I., S. 356. ff.; wieder abgedruckt in der Sammlung: Zur Geschichte der deutschen Literatur, & 24—30.