Mewiiehes
	4eitung
fiir bildende Kunst und Baukunst,
	Organ
der deutSchen Kunstvereine,
	Unter Mitwirkung von
	Kugier in Berlin — Passavant in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegmann in Disseldorf — Schnaase
in Berlin — Schulz in Dresden — FGrster in Minchen — Bitelberger v. Edelberg in Wien
		Ae 52.
	redigirt von Dr. FE. Eggers in Berlin,
	Montag, den 30. December.
	Slaatsieben, wie in der Wissenschaft des Himmels so hochge-
stellten und anerkannten Mannes; er hat sich hierher zurtick-
gezogen nach einem thaligen, vielbewegten Leben, und seine
Umgebung zu einem Tempel der Kunst umgeschaffen, ohne je-
doch dadurch seine Férderung anderer, verschiedenarliger Rich-
tungen der Volksbildung irgendwo zu mindern. Man trilt in
einen weiten geraumigen Hof, mit Gebéuden an drei Seiten.
Zur rechten ragt das Wohnhaus mit seinem hohen Dache und
dem slufenformig aufsteigenden, in Rundbogen durchbrochenen
Giebel hoch tiber die Stadt hin. Uns gegentiber steht ein ein-
faches, fast wiirfelformiges Gebaéude, mit Parterre und einem
Stocke, durch Lang- und Queerstreifen in je drei Abtheilungen
getheilt, mit einem Glasthirmchen tiber der Spitze des Daches.
Hier sind in dem Treppenhause, in einem Parterresaal und den
drei grossen Raéumen des ersten Stockes die reichen Samm-
Iungen fast mehr aufgeschichtet, als aufgestellt, wahrend die
Kuppel dem eigentlichen Kunstunterrichte dient. Die Raiume
sind sehr tiberfillt und das Licht oft nicht ginstig, auch die
in der Galerie degli Uffizj zu Florenz so stérende Verbindung
von Staluen und Gemilden in Einem Raume nicht gemieden.
Jedoch wird gewiss der edle Begriinder und Besitzer mit der
Zeit den Raum erweitern und die Trennung bewirken, durch
welche eine Menge der herrlichsten Sachen erst ihr Recht er-
halten.

Suchen wir einen Ueberblick tiber die verschiedenen Ge-
biete dieser Sammlung zu gewinnen, so weit es nach einem
zweimaligen Besuche méglich ist, so giebt uns der dem Ein-
tretenden gleich gegentiberstehende kolossale Oberkérper eines
Herrschers den Anfangspunkt zur Wanderung an die Hand. Es
ist uns hier namlich méglich gemacht, an einer Reihe von etwa
17 Abgiissen assyrischer Reliefs, die zu den von Botta nach
Paris geschafften gchdren, diese so wichlige und entscheidende
Stufe vorderasiatischer Kunst kennen zu lernen. So viel ich
weiss, hat noch kein deutsches Museum dergleichen Gypsab-
giisse und hier sucht man sie wohl am wenigsten. Da treten
uns in diesen Flachreliefs Oberkérper von Minnern entgegen
mit den Janggezogenen Augen, den breit aufgeworfenen Ran-
dern derselben, der kurzen Stirn, den eigen abgerundeten
Nasen, den tbergrossen Ohren, dem systematisch gewellten
und gleichsam in einen Haarbeutel zusammengefassten Haupt-
haare, dem gelockten Barie, der zweimal auch ganz fehlt, den
langen Ohrenglocken, Armspangen, wohl auch einem mit run-
	den Bliithen geschmiickten Diadem, dann Unterkorper mit pelz-
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	Das Kunstmuseum auf dem Pohlhofe zu Altenburg.
	а es von jeher das schéne Vorrecht grosser Hauptstadte
gewesen, in sich die Hauptanstalten der Kunst zu vereinigen,
auf Kosten des Staates mit prachlvollen Architekturwerken ge-
schmiickt zu werden, die in ihren Raéumen die verschiedenen
Entwickelungen der Kunst, auch die der Gegenwart ferner lie-
genden, wie z. B. die agyptische, assyrirche u. a. an einer Reihe
von Originalen in wiirdiger Umgebung vergegenwartigen, so
hat cine Sammlung, die an cinem kleineren Orte, ich mdchte
sagen in der Provinz, sich bescheiden heranbildet, deren For~
derung entweder dem Gemeinsinn einer Birgerschaft oder dem
едет, liberalen Sinne eines Privatmannes tiberlassen bleibt,
doch auch ihr besonderes, cigenthiimliches Interesse. Es tritt
hier die persénliche Begeisterung des Einzelnen in wirklich
	augenscheinlicher Weise hervor, es wird hier, wenn tberhaupt .
	die Sammlung nicht blos ein Werk der Laune oder Sonderbar-
keit bleiben soll, der aligemein bildende, staatspidagogische
Zweck strenger festgehalten, es kann sich mit der Zeit ein
wirklich nahes und einflussreiches Verhaltniss der Bewohner
der Stadt zur Sammlung bilden. Natiirlich wird bei einer sol-
chen Sammlung entweder nur cine bestimmte Richtung der
Kunst, etwa Eine Malerschule, in Originalen vergegenwirtigt,
oder ein allgemeinerer Gesichtspunkt sucht in Gypsabgissen
und Copieen eine wo méglich vielseitige Anschauung zu ver-
schaffen. Dass hierbei zur technischen Ausbildung der Jugend
wie den Gewerken Gelegenheit geboten werde, dass auch fir
den eigentlichen Kinstler ein guter Grund gelegt werden kann,
dafir wird leicht dabei sich sorgen lassen. Und so kénnen
Sammlungen der Art, sobald nur einige Manner mil ihr ver-
bunden sind, die die Stellung der Kunst im Leben tiberhaupt
zu wiirdigen und hervorzuheben wissen, einen tief eingehenden
Einfluss in ihrem Kreise austiben und ihr Begriinder in seiner
Gabe ein reiches Pfund zum Wuchern der Nachwelt tiberliefern.

Solche und ahnliche Betrachtungen wurden in dem Refe-
renten neu belebt und rege, als er, einen Umweg und Aufent~
halt nicht scheuend, die Sammlung des Herrn von Lindenau
in Altenburg besuchte, die dieser dem Herzogthum Altenburg
nach seinem Tode zu schenken gedenkt, jetzt aber auf liberale
Weise dem Publikum bereits 6ffnet.

Auf einem hohen Hiigel, zu dem und an dem die steilen
Strassen Altenburgs hinaufstcigen, liegt das Gut dieses im