fektirten auf die dramatische Malerei, und dies ist der Grund,
weshalb die letztere noch so selten zu einer vollen und ge-
rechten Wiirdigung gelangt ist. ) Es ist nun aber durchaus
néthig von diesem zufalligen Umstande ganz abzusehen und das
Dramatische lediglich als das dem Begriff der Handlung
Entsprechendn zu betrachten. Nur in diesem Sinne ist das
Drama zur Bezeichnung derjenigen Dichtungsart geworden, welche
die Handlung als solche zum Gegenstande ihrer Darstellung hat.
Das Drama ist die Poesie der That und daher die héchste und
vollendetste Gattung der Poesie selbst. Denn wenn die Kunste
nur den Menschen zum hauptsichlichsten, ja zum einzigen Ge-
genstande haben, so ist damit auch der That, in welcher der
Mensch gleichsam seine ganze Energie, die Gesammtheit aller
seiner Fahigkeiten und Empfindungen, seines Wissens und Wol-
lens zusammenfasst, in den Kinsten die héchste Stellung zu-
gesichert. Weil in ihr sich das Wesen des Geistes am schla-
gendsten und energischsten bekundet, darum scheint die That
yorzugsweise zur kiinstlerischen Darstellung berufen. Erst von
diesem Standpunkte gewinnt man ein richtiges Verstindniss von
der epischen und lyrischen Form der Malerei. Das Moment
der That naimlich kann als ein Geschehenes dargestellt werden,
wie das Geschehene, als Faktum, nothwendig zu dem Begriff
der vollendeten That gehért, und dies thut, wenn es sich von
der Malerei handelt, die epische Form derselben; andrerscits
integrirt bei dem Begriffe der That eben so sehr der Wille als
blosse Innerlichkeit, reine Subjektivitét und dieser einen sub-
jektiven Seite der Handlung entspricht die Form der Lyrik, in
der Malerei nicht minder als in der Poesie. Das Drama da-
gegen, die dramatische Form hat die That als solche, als ganze
und ungetheilte Einheit des Geschehenen und Gewollten, zum
Vorwurfe; sie ist somit auch die héhere Hinheit der epischen
und lyrischen Form.

In der Poesie ist dies Verhaltniss durch den Verlauf jeder
selbstandigen und organisch sich entwickelnden Literatur er-
wiesen; das Epos bildet die erste Stufe derselben, auf das Epos
folgt die Lyrik und erst nach der vollendeten Ausbildung dieser
beiden ist die Entwickelung des Drama méglich. Das Drama,
als die héchste und vollendetste Dichtungsart, beschliesst immer
die Reihe der Formen, welche eine jede einfache und natur-
gemasse Entwickelung der Poesie hervorruft. Was die Malerei
beirifft, so geniige es zu dem bereits Angefiihrten nur noch
das Eine hinzuzufiigen. Alle Kunst hat es mit einer Vermitte-
lung des Subjektiven, der Innerlichkeit, des Geistes mit dem
Objektiven, der Materie, der Welt der Erscheinungen zu thun.
Es bedarf nun aber keines Beweises, dass die Vermittelung, die
	1) Der Heisshunger nach Handlung, sagt Fr. v. Uechtritz em-
mal, wie er “sich in der jiugsten Zeit (besonders in Folge der Einwirkung
franzésischer Kunst auf die Kritik einer grossen norddeutschen Hauptstadt)
geltend zu machen anfangt, scheint mir ein zweideutiger. Dieser dra-
matisch gesteigerte Begriff der Handlung — da haben wir jenes oben er-
wahnte Missverstindniss — der am Ende nur dann eine solche in einem
Bilde anerkennt, wenn sich die Figuren desselben geradezu beim Kopfe ha-
ben oder sich den Degen durch den Leib rennen, méchte dem Wesen der
Malerei ungleich gefahrlicher, als jene Gefahisrichtung — der lyrischen Diis-
seldorfer — sein.“ Das Missverstindniss liegt klar vor Augen; denn was
kann dramatisch gesteigerter Begriff der Handlung verndnftiger,
wenn auch immerhin irrthiimlicher Weise anders heissen sollen, als thea-
thralisch gesteigert? Dies liegt nun aber keineswegs nothwendig im Be-
griffe des Dramatischen, welches nur das die Handlung als solche
Betreffende bedeutet. Die Verwechselung nun von Dramatischem und
Theatralischem, auf der jener Vorwurf beruht, mag nun immerhin in einer
Kigenthiimlichkeit der franzésischen Geschichtsmalerei ihren Grund haben —
die der Graf Raczynski allerdings mit dem Ausdruck theatralisch bezeich-
net hat — sie darf indess niemals Veranlassang geben, cine Kunstweise zu
veruttheilen, deren Wesen man nur durch ein grosses Missverstandniss in
Mord und Todtschlag finden kann.
	vor dem Ausdrucke, indem er bemerkt, man nenne oft das
Epische dramatisch, wenn in ihm nur Kollisionen dargestellt
seien. Man halte das Anstreifen an das Dramatische schon fiir
das Dramatische selbst. Die dramatische Auffassung halt Hotho
fir die schwierigste: die Malerei kénne immer nur einzelne
Momente geben und daher selten die geniigende Darstellung
eines Fortschrittes, einer Entwickelung erreichen, jede Hand-
lung aber schliesse diese nothwendig ein. Der Beschluss ferner
sei rein lyrisch, der Augenblick dagegen des ausbrechenden
Kampfes der Charaktere, die Scharfe ihres Kampfes selbst,
schlage als Kollision leicht zu ausserlichem Thun um, und der
Maler gerathe sogleich in die epische Darstellung eines blossen
Vorganges. Will er wirklich dramatisch sein, so muss er dass
streitende Innere seiner Individuen, den Inhalt ihrer Leiden-
schaften, deren Wechselwirkung aufeinander in einem ganz ап-
dern Grade vorstellig machen, als bei einer epischen Situation
geschehen musste.

Aehnlich dussert sich Schorn tber das Wesen der drama-
tischen Malerei. Lyrisch sei die Malerei in der Auffassung der
Zustande, episch in der Absicht ein weltgeschichtliches Ereigniss
in den einzelnen Momenten seiner Entwickelung vor
Augen zu fiihren. In der dramatischen Darstellung wendet die
Malerei ihr ganzes Vermégen an, eine menschliche Handlung
in ihrem ausdrucksvollsten Moment und nur in diesem darzu-
stellen. Hier kann sie allein das Gleichzeitige des Vorganges
schildern, muss aber auch die Haupthandlung von den Episoden
sondern und kann in beiden das Vorangegangene und Nach-
folgende nur ahnen lassen. In solcher einfachen, aber inhalt-
schweren Verbindung der Motive, fahrt Schorn fort, zeigt sich
hauptsichlich die poetische Kraft des Kinstlers, welche dem
Gedanken das Materielle unterwirft und dennoch letzteres mit
der Freiheit und Unbefangenheit der natirlichen Erscheinung
darzustellen weiss (Umriss S. 32. ff). Hotho geht noch einen
Schritt weiter, er erkennt in diesem Punkte — die Schranken
der Malerei, die Vorztige der Poesie, er kommt S. 127 zu dem
Resultate, dass eine echt dramatische Darstellung fiir die Ma-
lerei theils unméglich, theils von der gréssten Schwierigkeit sei.

‘Was die Unmdglichkeit betrifft, so glaube ich daran nicht,
werde vielmehr noch weiter unten zeigen, in wiefern der Be-
griff des Dramatischen der kiinstlerischen und vor allen der
malerischen Darstellung vorzugsweise giinstig scheine; was die
Schwierigkeit betrifft, so will ich diese gern zugeben. Darauf
lasst sich indess ganz einfach erwiedern, dass das Héchste alle-
mal auch das Schwierigste sei, und was Goethe von der Er-
kenntniss sagt, man miisse immer nur nach dem Hochsten streben,
gilt eben so sehr von der Kunst. So wiirde also gerade in der
Schwierigkeit dieser Kunstweise eher eine Aufforderung zu der-
selben liegen, als ein Grund von ihr zuriickzustehen. Denn,
wenn auch die Malerei, trotz aller ihrer Verwandtschaft mit
der Poesie, weit davon entfernt ist, in allen Beziehungen mit
dieser gleichgestellt werden zu kénnen, so kann man andrer-
seits doch nicht leugnen, dass, wenn man die epischen und
lyrischen Auffassungsweisen in das Verhaliniss einer natur-
gemissen Entwickelung zu einander bringt, wie ja auch Hotho
that, auch die dritte Stufe jener Entwickelung, das Dramatische,
wie in der Poesie, so auch in der Malerei ihre Stelle wird
finden miissen.

Diese Ansicht ist nun allerdings einem gefahrlichen Miss~
verstandnisse ausgesetat. Unser Sprachgebrauch namlich bringt
es in manchen Fallen mit sich, dramatisch mit theatralisch
fir gleichbedeutend zu erachten und anzuwenden. Durch eine
ganz naliirliche Ideenassoziation tibertragt man nun sehr haufig
alle die mit dem letzteren Worte verbundenen schlechten Neben-
beoriffe, des Unnatiirlichen, Absichtlichen, Uebertriebenen, Af-