21 die Hauptschwierigkeit, die Bezeichnung der Humanitat als der Verwirklichung des Princips der reinen Menschlichkeit, durch die gewahlte Darstellung nicht gehoben ist. Glticklich ist die Wahl des ,,barmherzigen Samariters* fir eines der Seitenbilder, indem hier nicht nur die Humanitét im reinsten Lichte erscheint, sondern auch noch durch die tiefen Schatten der Inhumanitat, welche Levit und Hoherpriester werfen, bedeutend gehoben wird. Ebenso gliicklich ist die Wahl des theologischen Bildes, der ,, Transfiguration auf dem Berge Tabor“, um das tibernattir- liche Wesen Christi auf das Sprechendste zu bezeichnen. Die Anordnung isi, so dass Moses und Elias von der Linken heran- schweben, wahrend die drei Aposte] zur Rechten Christi kniend emporschauen, dieser aber, beide Arme erhoben ausbreitend, von einer Glorie umflossen, aber auf festem Grunde, vor ihnen steht. Der Kindruck, den diese Gemilde machen, ist durchaus еде] und wohlthuend; sie entsprechen ganz dem klaren, milden, allem Ausserlichen Schein abholden, in Empfindung und Aus- druck wahrhaftigen Geiste Herders. Allerdings kommt ihnen die Neuheit der Aufgabe zu Statten; denn nur selten dirfte Herder von der bildenden Kunst in Betracht gezogen sein; aber auch davon abgesehen leuchten die Verdienste von Jagers Werk: srosse Einfachheit der Composition, klare und geschlossene Anordnung, Schénheit der Formen und in den Bewegungen ein sehr gehaltenes Maass; in der Farbung ist es licht und leicht und harmonisch ohne stark wirkende Farben und Gegensatze, ohne Manier aber auch ohne die Absicht der Naturnachahmung ; die Behandlung gleichfalls nicht auf den natirlichen Effect des tauschenden Hervoriretens gerichtet, mehr im Sinne des Bas- reliefs (wie es fiir einen Fries sich gehért) als des Hochreliefs gehalten, das der Naturalismus erfunden. Soviel mir bekannt, wird eines der Bilder (Poesie und Ge- schichte) nichstens im Kupferstich herauskommen; méchten ihm bald die andern, wenigstens der Sophronios, folgen! Ausser diesen Gemalden enthalt das Zimmer an Kunst~ werken noch zwei Sculpturen: die Biste Herders von Ludwig Schaller und ,die Andacht“, eine knieende weibliche Kinder- gestalt von vy. Hoyer, beide aus Marmor von Carrara. ef. Messingschnitt und Kupferstich des Muittetaiters. Im Deutschen Kunstblatt, 1850, No. 17. 8. 100. und ferner No. 26. S. 206. bespricht Kugler wiederholt die kunstreichen ,bronzenen Grabplatten des Mittelalters*, nachdem er die~ selben schon frither in seiner Pommerschen Kunstgeschichte, 1840, (Balt. Stud. VIII. 1.), S. 179., und in seinem Handbuch der Kunstgeschichte, in beiden Aufl., S. 592. und 622., auf dieselbe Weise behandelt hat. Es geht aus allen diesen Stellen unbezweifelt hervor, dass Kugler, und mit ihm gewiss viele Kunstfreunde, alle mittelalterlichen, metallenen Grabplatten fir Werke einer und derselben Kunstthatigkeit oder Fertigkeit halt: der Beweis liegt schon darin, dass er die im Kunstblatt No. 17 von ihm angezeigten, jiingst in Holzschnitt herausgegebenen 140 englischen Monumente fiir gleiche Arbeit mit den bertihmten, auch von ihm besprochenen, norddeutschen Kunstdenkmalern halt, obgleich diese vollig verschieden von jenen sind, und es jetzt scheint, als wenn England kein Denkmal in der bekannten norddeutschen Kunstweise aufzuweisen hat. Die Gleichstellung aller mittelallerlichen metallenen Grab- platten ist aber durchaus unrichtig und hat einen héchst schad- lichen Einfluss aut die deutsche Kunstgeschichte, indem eine scharfe Scheidung wid Beobachtung viel wichtiger ist, als es auf den ersten Blick scheinen mag, ja eine absolute und grosse Wichtigkeit hat. Man muss die mittelalterlichen me- tallenen Grabplatten sowohl nach dem Metall, als nach der Art der Arbeit strenge in mehrere Classen scheiden, von denen jede, wie es scheint, einen bedeutenden neuern Kunst- zweig hervorgerufen hat. In den norddeutschen Landern, so weit der Ziegelbau reicht, fehlt es fast ganz an jenen monumentalen und decorativen Stein- bildern, welche in Siiddeutschland itberall stehen; es giebt nur wenige Beispiele, dass sleinerne Statuen zum Schmuck der Architektur benutzt worden waren; in Libeck findet man z. B. einige Beispiele in und an den Kirchen zum Heil. Geist und S. Katharinen; in Mecklenburg ist dagegen kein einziges Bei- spiel bekannt. Eben so verhalt es sich mit den Grab -Monu- menten mit ganzen Figuren, die nie in Stein, sondern nur in einzelnen Beispielen in Messingguss erscheinen, z. В. im Dome zu Liibeck die Statue auf dem Grabe des Bischofs Hein- rich von Bokholt (+ 1341) und in der Dominikaner- oder Schwarzen-— Kloster -Kirche zu Wismar die Statue auf dem Grabe der Herzogin Sophie von Mecklenburg (+ 1504); eine andere, die friher auf dem Grabe des Bischofs Gottfried v. Bilow (¢ 1314) im Dome zu Schwerin stand, ist im 14. Jahrh. von dem Grabe genommen und im vorigen Jahrh. eingeschmolzen. Dagegen ward durchgehends Eichenholz mit Gold- und Farben- schmuck zu Statuen in Altaren, Tabernakeln etc. verwandt. So glatt nun, wie die Wande der Ziegelbauten, sind auch alle Denksteine. Man nahm in den altesten Zeiten grosse schwe- dische Kalksteinplatten und grub die fiir die Denkmaler be- stimmten Darstellungen mit Linien in den Stein. Die nérd- lichen Lander besitzen viele vortreffliche Arbeiten dieser Art, jedoch kein einziges Relief aus alter Zeit, dh. bis zum An- fange des 16. Jahrhunderts. Zur Zeit der héchsten Ausbildung des Spitzbogenstyls und aller ihn begleitenden Kiinste kamen aber im nérdlichen Deutsch- land zur Herstellung von Grabplatten die beiden Kiinste zur An- wendung und Ausbildung, die ich in der Ueberschrift an die Spitze dieser Zeilen gestellt habe. Ich muss naémlich gegen Kugler entschieden in Abrede nehmen, dass es in Norddeutschland ,bronzene* Grabplatten gebe; ich glaube nicht, dass hier die ,Bronze* je zu Grab- platten in Anwendung gekommen ist. Ferner muss entschieden verneint werden, dass die grossen Grabplatten, welche Kugler meint, ,gravirt® geien, insofern man unter Graviren die Dar- stellung eines Gegenstandes durch Eingrabung der Umrisslinien in die volle Platte versteht. Dagegen entstand im 14. Jahrh. in Norddeutschland eine neue Kunst, welcher man keinen andern Namen als Messing- schnitt geben kann und der im 15. und 16. Jahrh. auch wohl in Stein nachgeahmt ist. Alle jenen berihmten, grossen Grab- platten, welche Kugler bespricht und meint, sind namlich alle aus Messing, nie aus Bronze, weil Bronze und Kupfer fiir diese Darstellungsart viel zu weich sind; ferner sind die Dar- stellungen nicht durch eingravirte Umrisslinien, sondern durch Aussparung der ganzen Bilder zur Anschauung gebracht. Es sind Messingplatten, auf deren polirter Oberflache die darzustellenden Gegenstande mit starken Umrissen abgegraben wurden und in glatter, gleicher Fliche stehen blieben, der Grund dagegen bis zu einer gewissen Tiefe durch Schaben oder Graben vertieft, das Darzustellende also durch Aussparen zur Anschauung gebracht ward. Man kann diese Arbeit nicht anders als Messingschnitt nennen und sie ist dieselbe, die noch heute bei Wappen ete. in der Buchdruckerei angewandt wird. Das Verfahren bei dem Messingschnitt ist also wesentlich dem Verfahren bei dem Holzschnitt gleich, und es ist mehr als wahrscheinlich, dass in diesem Messingschnitt die erste Veran-