Ich brauche das Gebaude selbst nicht zu beschreiben. Den
Meisten von Ihnen ist es bekannt durch seine wunderbare Aus-
dehnung, die Einfachheit seiner Bauart und die Vortheile, welche
aus der Wiederholung einfacher Formen fir die Grossartigkeit
der Wirkung gezogen worden sind. Jetzt wiinsche ich nur,
darzulegen, dass diese Grossarligkeit noch erhéht werden kann
durch ein Farbungs-System, welches durch das scharfe Mar-
kiren jeder Linie des Gebiudes die Héhe, Lange, ja die ganze
Masse desselben grésser erscheinen lassen wird.

Die Natur des Stoffes, aus welchem das Bauwerk vorzugs—
weise errichtet ist, — nimlich Eisen, — erfordert Bemalung.
Nach welchen Grundsitzen soll dies geschehen? Sollte ein-
faches Weiss oder eine Steinfarbe (die gewéhnliche Art, Eisen
zu bemalen) hier zur Anwendung gerechtfertigt erscheinen ?
Man muss sich erinnern, dass die Stidseite und das ganze
Dach mit Segeltuch bedeckt werden wird, so dass da nur sehr
wenig Licht und Schatten sein kann. Die Myriaden gleichlau-
fender Linien neben einander werden alle Unterscheidung ver-
lieren und aussehen, wie eine dunkle Wolke, die tiber der
Ausstellung hangt; eine Reihe von Pfeilern wiirde die Wirkung
yon einer weissen Wand machen, und es wiirde in einiger
Entfernung rein unmdglich sein, einen Theil von dem anderen
zu unterscheiden. Zudem wiirde diese Farbe den Nachtheil
haben, das Gebaude ausser allen Zusammenhang mit dew ver-
schiedenen auszustellenden Gegenstinden zu setzen. — Oder
soll cine dunkle Farbe genommen werden, wie bei den Da-
chern einiger unserer Bahnhofsgebiude? Dieses wiirde, ge-
rade wie beim Weiss, eine ecinzige unterschiedslose Masse zu
Wege bringen; die Erhabenheiten des gegossenen Eisens wirden
verschwinden, jeder Pfeiler und Bindebalken wirde sich dem
Auge als eine flache Silhouette darstellen.

Lassen Sie uns nun irgend eine Mitteltinte betrachten, matt-
griin oder Jederfarben. In dieser Wahl wiirde einige Sicherheit
liegen, vorausgesetat, dass die Farben nicht zu blass sind, um
ununterscheidbar zu werden, oder zu dunkel, um dem Auge
empfindlich zu schaden, worin man am Ende kaum einen Miss~
griff machen kénnte; aber wie matt und eintonig witirde das
ausfallen! Es wiirde ganz nothwendig sein, dass diese Farbe
— man mag wihlen, welche man wolle — einen sehr ge-
dampften, neutralen Charakter hatte, um eine Schwierigkeit zu
vermeiden, welche die Dekorateure von Gemaldegalerien nur
zu gut kennen werden, die naimlich, dass, so viel man sich zu
einem Schatten von Farbe hinneigt, man gerade so viel den
Gegenstinden, denen man Relief geben will und die dieselbe
Farbe enthalten mégen, schadet. Wir wiirden also strenge auf
eine stumpfe einténige Missfarbe zurtickverwiesen sein. Wie
unwiirdig bei dieser grossen Gelegenheit, wie wenig kinstle-
risch ware dies Verfahren! Es hiesse den Knoten zerhauen,
statt ihn zu lésen.

Wir werden so auf die Betrachtung des einzigen noch
librigen Systems gefiihrt, namlich die Stiickfarbung ( parti-
colouring). Dies, wenn mit Erfolg ausgefiihrt, wirde eine
vollkommene Harmonie zwischen dem Gebaude und seinem In-
halt herstellen; es wiirde in angemessener Weise Einen von den
grossen Zwecken der Ausstellung erreichen, die Verbindung
zwischen den schonen Kiinsten und der Manufaktur zu beférdern.
Es wiirde ein Versuch in ungeheurem Massstabe sein, dessen
gliickliche Ausfihrung die Vorurtheile derer, denen noch das
Auge fir die Farbe fehlt, zerstéren, das unvollkommene Ver-
standniss Anderer entwickeln und dies Land gegen den Vor-
wurf schiitzen wird, den auslindische, in dieser Beziehung
besser gebildete Besucher uns unfehlbar machen wiirden, ware
das Gebaude anders dekorirt; er wird die Architekiur desselben
liberal! besser hervortreten, es héher, linger und solider er-
	manches Andere mehr an der Hinfalligkeit desselben, als der
Hauch der Menschen. Ehe diese ein Bild zu Tode hauchen,
hat es vielleicht tausendfalliges geistiges Leben geweckt und
genahrt, und wer vermisst sich, die Empfanglichen und die Un-

empfainglichen zu sondern? Е. Eggers.
	Die innere Dekoration des Ausstellungsgebaiudes in London.
	In einer kurzen Mittheilung in No. 1, aus London wurde
schon von dem Project gesprochen, die innere Ausmalung des
Glaspalastes in bunten Farben auszufihren. Wir finden es um
go interessanter, unsern Lesern einen Vortrag des Hrn. Owen
Jones fiir diese Theorie mitzutheilen, als derselbe damit durch-
gedrungen ist, indem die Kommission seinen Plan genehmigle.
In der englischen Presse, besonders den technischen Blattern,
aber herrscht noch ein lebhafter Streit tiber seine Theorie und
	die Parteien warten mit Spannung auf den Erfolg des Versuchs.
,seit Jahren hat das Verstaéndniss der Farben reissende Fort-
	schritte in Europa gemacht; nur England ist zuruckgeblieben,
was um so bemerkenswerther ist, als seine Maler einst gerade
wegen der Farbengebung berithmt waren. Der Fehler liegt,
fiirchte ich, an uns selbst; wir haben diesen wesentlichen Theil
der Baukunst theoretisch und praktisch vernachlassigt. Das In-
nere unsrer Hauser ist dem Tapezierer und Decorateur itiber-
geben worden, und wenn ich auch gern zugebe, dass viele
yon ihnen Geschmack und Talent besitzen, so miissen wir doch
bedauern, dass unsere Architekten nicht Etwas mehr von ibrem
Wissen und ihrer Kunst diesem Gegenstande zugewendet, und
lieber die Fihrung tibernommen haben, anstlatt sich leiten zu
lassen. Wir fangen jetzt erst an die Bande abzuschiilieln, in
die uns das Zeitalter der allgemeinen Weisswaschung geschlagen
hat. Jede Farbe, ausser reinem Weiss, wurde allgemein und
wird noch heute vielfach als ein Beweis von schlechtem Ge-
schmack betrachtet. Die Spuren von Farbe an den griechischen
Denkmalern wurden, wie uns Allen bekannt, anfangs standhaft
bestritten, und dann fir das Werk spaierer, barbarischer Zeit-
alter erklart. Als diese Stellung nicht linger haltbar war, be-
hauptete man, dass die Alten, obgleich der Form vollkommen
Meister, von der Farbe nichts verstanden oder sie doch jeden-
falls verkehrt angewendet halten. Man straubte sich, die lange
gepflegte Vorstellung von dem weissen Marmor und der Ein-
fachheit der Formen des Parthenon aufzugeben und weigerte
sich dasselbe als ein durchweg gemaltes und mit einem héchst
kunstvollen System von Ausschmiickungen bedecktes Gebaude
anzuerkennen. Die Architektur unserer vortrefflichen gothischen
Kirchen hat ihre halbe Schonheit eingebisst durch den géanz-
lichen Mangel an Farbe. Wer ohne Vorurtheil ein gothisches
Gebaude betrachtet, das in Farben ausgefihrt ist, wird gendthigt
sein einzuraumen, dass er bis dahin die gothische Architektur
gar nicht verstanden hat, und wird finden, dass viele der geo-
metrischen Formen und Zusammenstellungen ihre volle Ent-
wickelung allein durch die Farbe erhalten. Wir sind zu sehr
gewobnt, das als das Rechte zu betrachten, was wir als das
Hergebrachte um uns her beobachtet sehen; aber wie festge~
wurzelt auch die puritanischen Vorurtheile gegen die Farbe sein
mégen, wir sind im Begriff sie abzuschitteln, und wenn wir
das vollstandig gethan haben, so ist kein Grund zu fiirchten,
dass England in dem Wettlauf mit andern Vélkern zurtickbleiben
wird. Diejenigen, welche die ersten Schrilte thun, mégen irre
gehen, aber wie bei dem Sturme einer Festung die Brustwehr
zuletzt auf den Leibern der enfants perdus erstiegen wird, so
werden die Missgriffe derer, die es zuerst mit gefarbter Ar-
chiteklur versuchen, ihren Nachfolgern zu Gute kommen.