vertielt ist: bei den mir bekannten und yon mir genannten Bei- spielen des von Hrn. Lisch sogenannten Messingschnittes (die er gleichfalls namhaft macht) ist aber auch dies keinesweges der Fall. Bei diesen ist der Grund tberall mit einem reichen Teppichmuster geschmiickt, dessen Linien ebenso eingegraben sind, wie die der Hauptdarstellung, und bei dem die Zwischen- rdume ebenso in derselben gleichen Flache erhaben daliegen. Natirlich zahlt ein solehes Teppichmuster mehr Vertiefungen als dic Hauptdarstellung, und so mochle ein in ktnstlerischen Dingen unerfahrenes und unklares Auge zu Vorausselzungen Anlass geben, die eben lediglich — in der Luft hangen. So fehlt denn auch fiir den gesammten, nach Hrn. Lisch’s Behaup- tung so uberaus gewichligen Unterschied zwischen Messing- schnitt und Kupferstich alles scharfere Kriterium. In Betreff des Materials hat er den Unterschied selbst schon sehr zwei- deutig gemacht, indem er sagt, dass das Metall seiner Kupfer- stich-Grabplatten zum guten Theil gleichfalls aus Messing be~ stehe; in Betreff der Technik verschwindet der wesentliche Unterschied dadurch von selbst, dass die Darstellungen in bei- den Gattungen eben doch nur aus vyertieften Umrissen beste- hen, mag man dieselben als geschnilten, gestochen, gravirt oder eingegraben bezeichnen. Das Lange und das Breite der Sache ist in der That nichts weiter, als dass, wie schon ange- deutet, die sogenannten Messingschnilte die kunstreicheren, die sogenannten Kupferstiche die minder kunstreichen Arbeiten um- fassen. Auch ihr gesammier Einfluss auf die Erfindungen der Druckkiinste — abgesehen von dem positiven Nicht- Einfluss auf den Holzschnitt — bleibt eine miissige Annahme. Wie nam- lich die Grabtafeln im sogenannten Messingschnitt auf den Holz~ schnitt und in Folge dessen auf den Buchdruck, so sollen die Grabtafeln im sogenannten Kupferstich auf das, was unser heu- liger Sprachgebrauch unter , Kupferstich* versteht, gefithrt ha- ben. Jedenfalls lag aber fiir diesen leizteren Kunstaweig, wie allgemein angenommen ist, die Vorbereitung in den kleinen Gravirungen und Niellen der Goldschmiedekunst und ahnlichen Techniken ungleich naher, und bedurfte es der Einwirkung je- ner viéllig unhandlichen Grabplatten in keiner Weise. Auch be- staligt es sich nicht immer, dass diese oder jene Kunsttechnik die oder die verwandte erzeugt haben miisse. Da sind vorerst die thatsichlichen Zwischen-Instanzen nachzuweisen. Die Welt geht nicht nach der Theorie; sonst hatten z. B. die Etrusker ihre kleinen Metallgravirungen einfach abdrucken und dadurch ohne alles Weitere und in gréssler Bequemlichkeit den Kupfer- slich erfinden miissen. Hr. Dr. Lisch bemerkt ferner, die Arbeiten des von ihm sogenannten Kupferstiches, und namentlich diejenigen, bei wel- chen die einzelnen Theile der Darstellung aus einzelnen Metall— platten bestehen und solchergestalt in eine grosse steinerne - Grabplatte eingelassen sind, seien in Norddeutschland sehr hiufig ; allein in den deutschen Ostseelandern fanden sich deren mehr, als in England. Ich muss diese Behauptung in ihrer Allge- meinheit dahingestellt sein lassen. Doch kann ich in Betreff eines sehr ansehnlichen Theites dieser Ostseclander, in Betreff Pommerns, — und zwar nicht aus dunkelm , Entsinnen* (wie er mein unbefangenes Wort zur Folie seines Selbstbewusstseins cilirt), sondern auf Grund ziemlich genauer 6rtlicher Untersu- chungen, — die Gegenbemerkung hinzufigen, dass ich dort kein Denkmal der Art vorgefunden habe, auch in Stralsund nicht, wo ich, wie aus meiner pommerschen Kunstgeschichte zu ersehen, nur die Prachtplatte des sogenannten Messing- schniltes in der Nikolaikirehe aufzufiihren weiss. Wenn also Hr. Dr. Lisch behauptet, dass in Stralsund deren viele vor- handen seien, so muss ich ihn vorerst um den genauen Nach- weis des Einzelnen bitten. In Betrefl bestimmter Einzelnachweisungen hat Hr. Lisch die schitzbaren Notizen tiber die im Dome zu Schwerin vor- handenen Prachtplatten des sogenannten Messingschnittes, die bisher der kunstgeschichtlichen Uebersicht nicht eingereiht wa- ren, beigebracht. Noch mehr Dank wiirde er sich dabei er- worben haben, wenn er sich, statt jener halllosen und unfrucht- baren Behauptungen iiber Messingschnitt und Kupferstich, auch liber Dasjenige, was diesen Platten ihre hdhere kinstlerische Bedeutung geben diirfte, tiber ihre stylistische Beschaffenheit gedussert oder (da dergleichen nicht einem Jeden gegeben ist) einen dortigen Kunstkenner zu einer derartigen Mittheilung уег- anlasst hatte. Ausserdem nennt er noch die zu Ringsted in Danemark befindliche Grabplatte des Kénigs Erich Menved vom Jahre 1319 und meint, dass hiemit, nachst den schon be- kannten Platten des sogenannten Messingschniltes, die im Nor- den befindliche Zahl derselben erschépft sei. Ich freue mich, dass ich diesen Notizen doch wieder noch ein Paar neue hinzu- figen kann, welche ich den gefalligen Mittheilungen des schwe- dischen Malers Hrn. Mandelgren, zunachst auf Grund der von ihm ausgefihrien genauen Untersuchungen der Kunstdenk- miler seiner Heimat, verdanke ), In Schweden befindet sich eine metallene Grabplatte in der Kirche zu Aker in Upland. Sie schmiickt das Grab der Frau Ramborg von Wiik, aus der friiheren Zeit des 14. Jahr- hunderts. Die Kirche ist eine gewdhnliche kleine Pfarrkirche im Spitzbogenstyl, das Schiff grésser als der Chor. Im Chor, zwischen der Thiir der Sakristei und der dstlichen Mauer, ist eine spitazbogige Nische, welche das Grabdenkmal einschliesst; dies gewissermassen als eine einfache Tumba, deren Vorder- seite durch eine einfache Steinplatle von 1} Ellen Hohe mit einer Inschrift gebildet wird und die durch die Metallplatte mit der eingegrabenen Darstellung bedeckt ist. Die letztere ent- halt die Gestalt der Bestatteten in weiter Gewandung — langem ungegtirtetem Unterkleid, Kopftuch und Mantel, — mit vor der Brust zusammengelegten Handen, unter einer schwerfallig go- thischen Architektur stehend; oben, zu den Seiten der letzte~ ren, zwei kleinere Engel mit Rauchfassern; der Grund tberall ein einfaches Teppichmuster; zu den Seiten der Hauptfigur zwei Familienwappen. Umber ein breiter Inschriftstreif mit vier Ro- setten in den Ecken, welche die Symbole der Evangelisten ent~ halten. Die Inschrift der Tafel (und somit ohne Zweifel das ganze Werk) ist noch bei Lebzeiten der Bestatteten ausgefihrt; sie lautet in eigenthiimlicher Fassung: Anno Do. MCCCXXVIL sum Ramborg de Wik hie, cui pater Israhel. Alme Christe con- ‘siste m(thi), requies, via palme. Mir liegt eine Zeichnung der Platte von der Hand des Hrn. Mandelgren vor, die das Ge= ргасе einer durchaus zuverlassigen Wiedergahe der Eigen- thiimlichkeiten des Originals hat. Hienach lasst die ganze Li- nienfiihrung der Gestalten den véllig ausgebildeten weich ger- manischen Styl erkennen. Die Lust an der Fille weichen Ge- faltes fihrt bei der Haupifigur zu einer gleichmassigen Auf- nahme des Mantels unter beide Ellenbogen, was freilich nicht yon sehr schéner Wirkung ist. Die Linien haben elwas Gros- ses, aber zugleich schwer Conventionelles; die beiden Engel- gestalten befriedigen in dicser Schwere am Wenigsten. Jeden- falls ist hierin, wie in der dargestellten Architektur, eine sehr wesenlliche Verschiedenheit von den schénen deutschen Arbeiten des 14. Jahrhunderts zu Libeck, Stralsund und Thorn; vor der Hand michte ich das Werk fir die Arbeit eines Eingcbornen halten. —- Die Inschrift des Steins an der Vorderseite der Tumba ist ebenfalls eigenthiimlich interessant, da Frau Ramborg hierin 1) Ух. die Nachricht aber fn. Mandelgren und dessen Unterneh- mungen im deutschen Kunstblatt v. v. J., No. 29, S. 231.