schmacksrichtung, welche mitunter den Sdhnen Alt- Englands eigen sein soll. Die umfangreicheren dagegen, namentlich die grossen Vasen, sind meistentheils von vollendeter Schdnheit. Die Gesammtform derselben, die Gliederung der einzelnen Theile, der Schwung der Linien und Profile, sind den‘ besten Vorbil- dern der Antike abgelauscht, und in der That wiissten wir nicht, wie dieser Zweig der Tektonik tiber die Schépfungen des Alterthums hinausgehen kénnte. Denn die griechischen Ge- rathe der besten Zeit sind cinestheils in ihrer ganzen Construc- tion dem wirklichen Bedirfnisse, dem bestimmten praktischen Zwecke angepasst, anderntheils aber konnte es nicht fehlen, dass bei einem Kiinstlervolke, wie das Griechische, das, was es gut gebildet halle, zugleich auch schén war. Nur in einem Punkte will die Neuzeit sich nicht mit dem begniigen, was die Anlike gelcistet hat: in dem Elemente des Dekoraliven. Hat ihre umfassendere Kenntniss und Beherr- schung der Naturstoffe ihr in der Wahl des Materials gréssere Fille und grésseren Reichthum an die Hand gegeben, so sol- len nun auch die ornamentalen Darstellungen sowohl dem Adel der Gesammtformen, als auch der koslbaren Pracht des ver- wandten Materials ebenbirlig sein. Denn die Freude am blos- sen Prunke schimmernder Stoffe ist barbarisch, und byzantinische Gold- und Farbenverschwendung hat noch immer zum Ruin der Kunst gefithrt; der glanzenden Mitte! werden wir erst damn froh, wenn sie einem kiinstlerisch schénen Zwecke dienen. Das ist aber bei den grésseren der Porzellan-Vasen im hohen Grade der Fall. Die gemalten Ornamente gefallen ecbensowohl durch Feinheit der Molive, Grazie der Formen, wie durch maassvolle Harmonie der Farben. Die Gemalde, von dem Schmucke der Arabesken und des Goldes, wie von einem Rahmen umschlossen, sind saubre, treue Kopieen guter Vorbilder, und so giebt das Ganze eine dem Auge wohlthuende Gesammtwirkung, wie wir sie von cinem Werke der Kunst erwarten. Eines der pracht- vollsten Sticke, vielleicht geradezu die Perle der Sammlung, ist eine grosse Vase, um welche sich wie ein breites, leben- und farbengliihendes Band, eine Kopie des A. v. Kléber’ schen Ge- maldes ,die Ernte“ zieht. Eine andre, cannelirte und reich vergoldete Vase, die Nachahmung eines der besten Vorbilder im Museo Borbenico, ziert ein reizender Frics mit tanzenden Figuren nach einer Zeichnung Professor Stier’s. Ausserdem ist noch ein phantasievolles chinesisches Potpourri des Malerei- Inspectors Looschen erwahnenswerth. Hervorragende Pracht- stiicke der Ausstellung bilden zwei machtige Kandetaber, nach Schinkel’schen Entwiirfen in Porzellan ausgefiihrt, die Fi- guren weiss, der Grund matlgriin; oben aus der kelchférmigen Oeffnung bricht eine vielblattrige, facherférmige Blume hervor, deren vergoldete Bronceblatter zu ebenso vielen Lichthaltern werden. Unter den Gefassen geringerer Ausdchnung bemerken wir eine Bowle, auf deren Bauche die Kopie der bekannten Hogarth’schen Trinkgesellschaft eben so freundlich als ein- dringlich zur Nacheiferung ladet. Von einer Reihe von Tellern winken uns gute, alte Bekannte, duftige Rheinlandschaften ent- gegen, wahrend andre in grésserer oder geringerer Feinheit der Ausfiihrung Darstellungen nach niederlindischen Meistern zeigen. Schalen, auf deren schneeigem Grunde Blumen und Friichte in bunten Farben prangen, Blumengefasse, deren eines mit einem Bilde nach Walteau geziert ist, wechseln mit Thee- services, die, obwoh] in den Gesammlformen manchmal unschén, durch Pracht der Farbe, Zierlichkeit der Bemalung und email- artige Feinheit der Gold-Arabesken anziehn. Vier Porzellan- stiicke, die als selbststindige Gemalde behandelt sind, stellen theils Blumen- und Fruchtstticke, darunter eines nach Volker, dar, theils enthalten sie Kompositionen nach antiken Motiven, z. B, eine badende Venus und Anderes. Einige kleine artige schaft abzulegen, die wir sonst als halbgelaufige kaum eines lieferen Nachdenkens zu wiirdigen gewohnt sind. Gelingt es uns daher, die einzelnen Fragen nur richtig zu stellen, so werden wir uns schon dadurch wesentlich gefordert ithlen. Е. EBSrauka,. Berliner Beitrage zur Londoner Industrie-Ausstellung. Von У. Ltibke. An Olympia’s Wettkampfen durften cinst nur geborne Grie- chen theilnehmen, ausgeschlossen blieben die Vélker der Bar- baren; denn Barbar sein, nicht Grieche sein hiess damals noch, keinen Sinn haben fiir die Werke der Kiinste, fir die edelsten Blithen des Daseins, die dem Leben erst seinen vollen Glanz verleihn. Seitdem ist Pallas Athenens Bild zerlriimmert wor- den, aber nur um nach so langer Zeit endlich wieder aufge- richlet zu werden fiir die ganze Welt, dic nun keine , Barba- ren* mehr kennt. я Zu den neuen Weltkaémpfen, die fiir Kunst und Gewerbe- fleiss der ganzen bewohnten Erde ausgeschrieben wurden, wer- den alle Volksstamme berufen; und jeglicher bis zum fernen China und Japan hin — selbst das Reich der Milte wird in den Weltstrom mit hineingerissen — riistet sich und sucht aus der Fiille der Schatze, die seine Hand geschaffen, das Beste und Schénste aus, um damil den riesigsten Tempel der Pallas, der jemals erdacht wurde, wirdig zu schmiicken. Aus diesem Wunderpalaste will auch die Kunst nicht fern bleiben. Musste sie schon zu Hilfe gerufen werden, um das Gebiude zu errichten, auf welchem wie auf einem Welltheater aller Nationen Geist und Arbeit auftreten und sich zeigen soll, so will sie nun auch selbst an der Schausiellung Theil nehmen. Wie nun einst jedwede hellenische Stadt ihre Kampfer zu den heiligen Spielen entsandte, voll licbender Theilnahme, das Herz von gespannter Erwartung geschwelll, so wollen auch wir de- nen, welche aus unsrer Mitte zu dem grossen Vélkerwettstreit ausziehn, mit wohlgemeinten Worten das Geleit geben. — Nicht ist die Kunst so engherzig und karg angelegt, dass sie in vornehmer Abschliessung fiir sich allein bleiben méchte: hilfebereit verbiindet sie sich auch ihren minder glanzenden, minder anmuthvollen Schwestern, der Industrie und dem Hand- werk. Sie theilt ihnen mit von der Fiille des Reizes und der Schinheit, in welcher sie strahit, und weit entfernt, dadurch zu verlieren, gewinnt sie nur: denn je mehr sie giebt, desto reicher wird sie. In den Zeiten, wann die Kunst eines Volkes im Zenith ihrer Laufbahn stand, durchdrang sie auch jede Sphare des Lebens, hatte sie ihre tausend Wurzeln in dem Boden des Daseins, in dem Bewusstsein aller Mitlebenden weithin ver- breitet. Mit Recht freuen wir uns, wenn solche Erscheinungen auch in unsern Tagen uns begegnen, wenn in den Erzeugnissen der Manufaktur, der Industrie auch das Walten eines héheren kinstlerischen Prinzips sich gellend macht. Dies fanden wir an den meisten Gegenstanden zu beobach- {еп Gelegenheit, welche die kénigl. Porzellan-Manufaktur fir die Industrie ~ Ausstellung bestimmt hat. Grdsstentheils sind es Gefisse, von den kleinsten, dem taglichen Gebrauche dienenden, der Thee-Services, Teller, Terrinen, Bowlen, bis zu den griss- ten, prachtvollsten Urnen und Vasen, — an Schénheit und Reich- thum fiirwahr die Ausstattung eines firstlichen Haushaltes. Manche der kleineren Formen wollen uns nicht recht zusagen; sie sind zu sehr bloss als Gegenslande der Spekulation behan- delt, und von einigen unter ihnen wollte es uns fast bediinken, als seien sie eine Conzession an cine gewisse bizarre Ge-