wieder ein junges Weib; auf der hinteren Langseite (mit helse-
hut?) ein Jiingling, der die Frau um ihren Segen bittet. Auf
der einen Schmalseite fleht derselbe um Treue, die ihm gewdhrt
wird; auf der andern Schmalseite umarmen sich Jiingling und
Jungfrau herzlich. Dieses Kastchen gehért wohl in das fiinf-
zehnte Jahrhundert. Seine Texte oder Reimspriiche lauten:
am Rande des Deckels Min hort dv bis (d.i. sei) gnadig mir,
won (d. i, wan, denn) ich mich sche(i)den sol vo(n) dir);
innerhalb: si hat dahin (gezielet?); vordre Langseite: din wa(s)
ich allei(n), anders (ich) iu nie ersche(in); Hinterseite: Frov
gib min (sl. mir) din(en) sege(n). Got sol din ie mer p(h)lege(n) ;
Schmalseite: Din triv min hert (st. herz). Des bist gewert;
andre Schmalseite: Hab lie(p)lich gebert (d. i. Gebarde) avn
	(d. i. an, ohne) a(l) geve(rt, d.i. Gefahrde).

Das schénere und altere Kastchen zu Miinchen, das seine
Bildchen in sehr schéne Schwungverzierungen verflochten, ist
gleichfalls den Darstellungen und Stufen der Minne gewidmet.
Frau Venus verwundet hier den Minner mit einem Pfeile; da-
neben herzen sich die Geliebten. Die eine Schmalseile zeigt
einen Zug Fiedler und Tanzer (ob zum Hochzeilsfeste fihrend?
oder der Minne vorausgehend?); die andre Schmalseite zeigt
die Geliebten (oder Vermahlten?) im Bette vereint. —

Im inneren Raume des Kastchens aber sind folgende, das
Ganze erkliérende Reimspriiche angebracht: 1. Ihe wil vhe sagin
wis (d.i. wizze) Crist, swo liep bi liebi ist. diu frument dicki
froude mit anbliche; 2. Dv solt dihc her a(n) vorstan, das ihc
dir dis gesant han, umbi den lvcilin wan, so ihe zvomi libe
han; 3. Ahe gvndis dv mir armin ein naht, zv ligini an dinimi
armi, also ihc dikchi gidaht han, dar vmbi wolti ihe dir e(i)-
ginlihcch sin vndirtdan. 4) Dv bist allir frowin vorspan, gisach
(d. i. gisegen, gesegne?) in got, den dv seliger lipb liep wilt
han; 5) Nv wil ihe dir mit vrlobi iehen, daz ihc etswi vil sconre
frowen han gisehin; idohc in dvhtdi minen mvt nie diche(i)ni
frowe so gvt.

Professor von der Hagen weist die Sprache dieser Spriiche
auf den Miltelrhein; die Kunst der Gestalten und Umbramungen
	aber auf die erste Halfte des vierzebnten Jahrhunderts.
Hi, F. FEassmann.
	Einige Bemerkungen und Nachtrage zu den Catalogen von
Crayen und Jacoby tber Georg Friedrich Schmidt s Werke.
	Von J, EH. Linek.,
(Schluss.)
	pen, als des elsissischen Geschlechtes von Ottinger und des
schweizerischen der Fréwier, wenigstens in Betreff des letz-

teren erfreuliche Bestatigung seiner eigenen Annahme gefunden
haben. Das in der Antwort der Frau Venus vorkommende lengi

stimmt fiir die Schweiz. Auch in jener friiheren Beschreibung

(a. a. 0.) wurden die erhabenen Bilder gepresst genannt, die
Hohe der Seiten aber und des Ganzen auf 8 Zoll, der Durch-
	теззег аш! 9» Zoll angegeben.
Da an beiden Orten der Text der Reimspriiche noch manche

Leseirrungen enthilt, so mége derselbe zur Veranschaulichung
nochmals wiederholt werden mit der Bemerkung, dass fehlende
Buchstaben in Klammern erganzt, Verwechselungen in Klam-
mern verbessert worden sind.
I. 1. Er: Re(i)niv frowe seldenber   ivch ze dienende ich beger
  durch got ir lanz ivch wesen mere.
2. Sie: Du torohter tvnber man   wes wilt du dauon nit lan
  dv maht wol wenic sinne han.
IL. 3. Er: Ich han ivch ze lieb erkort   went ir mir gen soli-
chiv wort   so bin ich vf mins lebendes ort.

4, Sie: Min herz dir also seit   hast dy nach mir solich

leit   das ist ein grosiv (stall: gréziu) affenheit.
Ill. 5. Er: Frowe die rede land underwegen   wil ivwer hulde
min nit phflegen   so ist alliv froe(ijd an mir gelegen.

6. Sie: Swig tor du to(u)best mich   wenne die sunne gat

hinder sich   so wil ich erhoeren dich.
IV. 7. Er: i¥wer bin ich  wend ir nit begnaden mich   ich klages
fro Venvs klegelich.

8. Sie: Wilt du uon diner minne   klagen Venus der kiv~

neginne   des aht klein min sinne  
Y. Er: Fro Venus ich klag ivch das   das mir min liep ist
gehas   si en weis nit wol dur was

Sie: Fro Venus ivch wil ich wesen undertan   und dabi
ganz trvwe han.

Venus: Von werder frowen ist es unreht   wenne siv ire
getrivwe kneht   haltet also strenge   es hilfet nit die
lengi   dar vmbe la da uon vil zartes wip   und bis dines
dieners leituertrip (trip wiederholt).

Auf dem ersten Doppelbilde (Feld 1. 2.) ruht neben der
Geliebten ein Hiindchen, auf dem dritten hiipft ihr ein Eichhorn
auf dem linken Oberarme, ein Voéglein auf dem rechten Ober-
schenkel; auf dem vierten fahrt sie das auf jenem Arme hiipfende
Eichhérnchen an einer Schnur, wahrend der Geliebte, mit etwas
verkiirztem Barthaar (s. oben), eine Kette um seinen Hals tragt.
Frau Venus ist gekrént, als kiineginne.  )

Professor von der Hagen hat in den Philologischen und
Historischen Abhandlungen der K. Akademic der Wissenschaften
zu Berlin 1844 (Berlin 1846. 4.) S. 308. zwei verwandte
Kastchen beschrieben, beide aus Holz geschnitzt, von
denen das eine, viel jiingere, in der K. Kunstkammer zu Berlin
sich befindet, das andre zu Miinchen (im Nachlasse der ver-
storbenen Koniginn Wittwe) sich befand. Jenes erstere zeigt
Frau Minne mit FligelIn (wie auf einem eben daselbst aufbe-
wahrten, durch Prof. von der Hagen wieder abgebildeten sehr
zierlichen Elfenbeinbilde), sitzend auf einem bartigen Alten
(Aristoteles), wahrend ein andrer bartiger Alter der Frau Minne
sein Leid klagt, indem er auf die Stelle seines Herzens deutet,
das eine junge Frau in Handen tragt; die scheiden will. Diess
auf dem Deckel. Auf der vordern Langseile erscheint ein jun-
cer Mann, gleichfalls die Hand aufs Herz legend; gegentibcr

 
	1) Das bis hteher nach Prof. Ettmallers Beschreibung geschil-
derte Kastchen befindet sich seit einiger Zeit durch Prof. J. v. Hefener
auf der k. Kunstkammer zu Berlin, und wird hier nur noch (nach
spiterer Anschauung) hinzugefiigt, dass die Abbildungen bei Prof. Ettmiller
vom Zeichner oder Stecher etwas medernisirt worden sind. НЕМ.
	No. 104. Das Jugendalter. Die Angabe in Jacoby’s
Catalog, dass diess Blatt eben so gross, als die vorher be-
schriebenen Blatter zu Lafontaine’s Erzahlungen sei, ist ein
Irrthum; denn es ist nur 8 Zoll 4 Linien breit und 7 Zoll 9 Li-
nien hoch. Auch ftihrt es nicht Larmessin’s Addresse, sondern
die des Kupferstechers Dupuis.

No. 106. Spielende Strassenjungen. Da ich dies
ausserordentlich seltene Blatt selbst besessen, bin ich im
Stande, davon folgende genaue Beschreibung zu geben:

»Auf der Strasse, vor grossen Gebdéuden, deren untere Ge~
»schosse den Hintergrund bilden, befinden sich vier Knaben,
»von denen zwei Rechis stehen, Einer in der Mitte mit bei-
,den Handen seine Hosen halt und der Vierte Links auf der
„Егае silzt. Die drei Knaben scheinen den in der Mitte ste-
»henden, wegen eines ihm tiberkommenen Unfalls, zu necken.
»lm Hintergrunde sicht man durch einen offnen Thorweg in
,ein Haus und in diesem eine Thiire. Unten Links: Van
~Ducht pine. — Rechts: Schmidt S.